Weihnachtszeit ist Märchenzeit: Dem ZDF gelingt mit Hans Christian Andersens „Schneekönigin“ eine herausragende Adaption. Die neuen ARD-Märchen hingegen überzeugen wenig, sehenswert ist indes die zweiteilige Komödie „Till Eulenspiegel“.

Stuttgart - Seit die ARD vor einigen Jahren mit ihrer Feiertagsreihe „Sechs auf einen Streich“ begonnen hat, darf man sich zur Weihnachtszeit auf hochklassige Märchenfilme freuen. In diesem Jahr gebührt die Anerkennung für das schönste Weihnachtsmärchen allerdings dem ZDF: „Die Schneekönigin“ (26. Dezember, 10.40 Uhr) ist ein überragender Familienfilm. Kein Wunder: nur wenige Autoren sind im Kinderfernsehen derart versiert wie das Duo Anja Kömmerling und Thomas Brinx. Ihre Märchenadaptionen zeichnen sich durch eine moderate Aktualisierung aus, die dem Geist der Vorlage treu bleibt, aber moderne Aspekte in den Vordergrund rückt.

 

Mit Hans Christian Andersens „Schneekönigin“ hat sich das Autorenpaar an ein vielschichtiges Märchen gewagt, auch wenn sich der Inhalt auf einen Satz reduzieren lässt: Als die kaltherzige Schneekönigin den jungen Kay entführt, macht sich seine Freundin Gerda auf die Reise gen Norden, um ihn zu befreien. Kömmerling und Brinx mussten die Komplexität der Vorlage reduzieren, was ihnen hervorragend gelungen ist. Für den modernen Charakter hat der Autor selbst gesorgt: Anders als in den meisten Märchen, in denen schöne junge Frauen auf die Erlösung durch einen Prinzen warten, ist hier das Mädchen die treibende Kraft; „Die Schneekönigin“ ist die Geschichte einer Heldinnenreise.

Von Kömmerling und Brinx stammt auch das Drehbuch zu „Siebenschön“ (25. Dezember, ARD, 14.15 Uhr), einer sehr freien Adaption des Märchens von Ludwig Bechstein. Die im Grunde ziemlich düstere Geschichte ist in der Umsetzung durch Carsten Fiebeler ein farbenfrohes ARD-Märchen mit gleich zwei eingängigen Botschaften: Wahre Liebende lassen sich nicht aufhalten, und letztlich zählen nur die inneren Werte; wobei es nicht schaden kann, wenn sie so entzückend verpackt sind. Xenia Assenza verleiht dem wissbegierigen Bauernmädchen Grazie und Anmut, doch es sind ihre Klugheit und die Reinheit ihrer Seele, die den vom Vater wegen seiner Vorliebe für anspruchsvolle Lektüre beschimpften Prinzen (Franz Dinda) betören. Erst mal jedoch muss das Liebespaar einige Intrigen überstehen. Hübsch gespielt, gut besetzt, flüssig inszeniert: ein sehenswertes, aber nicht weiter originelles Märchen.

„Sechse kommen durch die Welt“ ist bunt und modern

„Sechse kommen durch die Welt“ (25. Dezember, ARD, 15.15 Uhr) ist dagegen fast schon modernistisch. Die Titelfiguren erinnern dank ihrer übernatürlichen Fähigkeiten an Comicverfilmungen wie „X-Men“. Und doch lebt auch dieser Film von einer Romanze, die es im gleichnamigen Grimm-Märchen überhaupt nicht gibt. Auch sonst hat sich David Ungureit einige Freiheiten erlaubt, die der Geschichte enorm gut tun: Das Sextett, bei den Grimms eine reine Männertruppe, hat nun auch weibliche Mitglieder, und der größenwahnsinnige König, von Sebastian Bezzel mit großer Spielfreude verkörpert, hat einfach nur einen Spielfimmel, ist aber ein schlechter Verlierer und will um nichts in der Welt seine geliebte Tochter (Laura Maria Heid) dem dahergelaufenen Musiker Jasper (Rafael Gareisen) überlassen. „Sechse kommen durch die Welt“ ist gerade auch dank Ausstattung (Oliver Munck) und Kostüm (Petra Neumeister) die mit Abstand die bunteste und modernste Märchenproduktion dieses Jahres.

Die beiden Premieren am zweiten Feiertag werden dem hohen Maßstab der Reihe dagegen nicht gerecht. „Die drei Federn“ (26. Dezember, ARD, 14.15 Uhr) ist ein fast schon klamottiges Lustspiel, dessen junge Hauptdarsteller früh an ihre Grenzen stoßen. Auch „Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen“ (15.15 Uhr) ist nur bedingt gelungen. Gerade der zweite Teil, als der junge Held erst zwei Moorleichen und dann einem Geist begegnet, dürfte für kleine Kinder viel zu gruselig sein, für größere aber sind die Effekte eher rührend als furchteinflößend. Ungleich sehenswerter ist „Till Eulenspiegel“ (25. und 26. Dezember, ARD, 16.15 Uhr). Die zweiteilige Komödie mit Jacob Matschenz als charmanter Hochstapler ist wunderbare Unterhaltung für die ganze Familie, zumal das Autorenpaar Dieter und Leonie Bongartz den klugen Narren in Gestalt des eroberungslustigen Bürgermeisters von Lübeck (Devid Striesow) mit einem angemessen schurkischen Gegenspieler konfrontiert – ein kurzweiliges und prima gespieltes Abenteuer.