Im Otto-Hirsch-Center hat eine private Kindertagesstätte eröffnet, in der über den Dächern von Hedelfingen gespielt werden kann.

Hedelfingen - Ein ganz normaler Kindergarten ist die neue Polifant-Kita im Otto-Hirsch-Center wirklich nicht. Mit dem Aufzug geht es hinauf in die vierte Etage. Dort oben – hoch über den Dächern von Hedelfingen – ist die neue Kindertagesstätte, in der seit Anfang März 55 Kinder betreut werden können, untergebracht.

 

„Für uns ist es das Schwierigste, passende Räumlichkeiten zu finden“, sagt die Geschäftsführerin Michaela Nowraty. Deshalb sei ihnen irgendwann die Idee gekommen, sich mit ihren Kindertagesstätten in Bürogebäuden einzumieten – und zwar immer in der obersten Etage.

„Da können wir raus“, erklärt Nowraty. In wenigen Wochen soll die Außenanlage der neuen Kita fertig sein: ein kleiner Garten, eine Spielfläche und vor allem ein großer Matschbereich. Ein zwei Meter hoher Zaun sorgt dafür, dass die Kinder auf dem Flachdach des Otto-Hirsch-Centers ungefährdet spielen können.

Unterstützung für berufstätige Eltern

Doch die exponierte Lage ist nicht das einzig Ungewöhnliche an der neuen Tagesstätte. Bereits ab einem Alter von acht Wochen und bis zum Schuleintritt können die Kinder in der Einrichtung betreut werden – und zwar in der Zeit von sieben Uhr morgens bis 19 Uhr abends. Die Eltern buchen für ihre Sprösslinge eine flexible Anzahl an Betreuungsstunden pro Monat. So ist es durchaus möglich, dass ein Kind montags bis 18 Uhr und an allen übrigen Tagen der Woche nur bis 16 Uhr in der Kita ist.

Die langen Öffnungszeiten haben aber nichts damit zu tun, dass sich die Politik seit einigen Jahren die Förderung berufstätiger Frauen auf die Fahnen geschrieben hat. Als Polifant seine erste Kita 1999 in der Neckarstraße im Stuttgarter Osten eröffnete, konnten die Kinder dort sogar von fünf Uhr morgens bis 20.30 Uhr am Abend betreut werden. Der tatsächlich Grund ist sehr traurig: das Schicksal einer jungen Polizeibeamtin, die, aufgerieben zwischen Kinderbetreuung und Schichtdienst, keinen anderen Ausweg mehr sah, als sich umzubringen.

Es war eine Kollegin von Michaela Nowraty, die bis dahin mit Kinderbetreuung nichts am Hut hatte, sondern genau wie die junge Mutter im Polizeidienst arbeitete. Die Kriminalbeamtin hatte das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen. So kam es zur Gründung von Polifant. Ein Verein, der berufstätige Eltern bei der Kinderbetreuung unterstützen will.

Die Ursprungsidee wurde bewahrt

Was als kleine Idee mit fünf Kindern und zwei Erzieherinnen begann, ist inzwischen zu einem Großprojekt geworden. Die Kita im Otto-Hirsch-Center ist neben der Einrichtung im Stuttgarter Osten und einer weiteren in Feuerbach bereits die dritte Polifant-Kindertagesstätte im Stadtgebiet. Noch in diesem Jahr soll eine weitere in Zuffenhausen gebaut werden.

Während Nowraty die Geschäfte des Vereins in den ersten Jahren neben ihrer Arbeit als Kriminalbeamtin leitete, hat sich die Mutter von drei Kindern inzwischen beurlauben lassen. Die Koordination von drei Tagesstätten, 50 Mitarbeitern und über hundert Kindern ist ein Vollzeitjob.

Doch auch wenn der Verein längst aus den Kinderschuhen herausgewachsen ist, die Ursprungsidee wurde bewahrt. „Wir wollen für berufstätige Familien da sein“, sagt Nowraty. Berufstätige Eltern sollen kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihre Sprösslinge ganztägig betreuen lassen. Die Kinder sollen in den Polifant-Kitas alles bekommen, was Eltern, die nicht arbeiten, ihren Sprösslingen am Nachmittag bieten können. Deshalb kommen die Mahlzeiten nicht vom Caterer, sondern werden gemeinsam mit Kindern in der Tagesstätte zubereitet. Im hauseigenen Garten wird Obst und Gemüse angebaut. Einmal in der Woche geht es in den Wald. Erzieher und Kita-Kinder sind regelmäßig mit Bus und Bahn unterwegs. Auch zum Einkaufen dürfen die Kleinen mit. „Es gibt noch ein Leben außerhalb von Polifant“, erklärt Katrin Hoffmann, die pädagogische Leiterin der Hedelfinger Einrichtung, den Zweck solcher Aktionen. Außerdem gehören Native-Speaker, die mit den Kindern Englisch sprechen, Ergotherapeuten und Logopäden zum Personal.

„Das Angebot soll für alle offen sein“

Trotz des breiten Angebots können in den Polifant-Kitas nicht nur die oberen Zehntausend ihre Kinder anmelden. „Das Angebot soll für alle offen sein“, sagt Nowraty. Der Verein hat eine gGmbH, eine gemeinnützige Gesellschaft, gegründet. Die Einrichtungen müssen also keine Gewinne erwirtschaften. Die Beiträge orientieren sich am Einkommen der Eltern. Je nach Gehalt, Alter des Kindes und Betreuungszeit können sie zwischen 50 und 650 Euro pro Monat variieren.

In der Hedelfinger Einrichtungen sind übrigens noch Plätze frei. Zwar keine für Null- bis Dreijährige, aber Kinder zwischen drei und sechs Jahren können noch aufgenommen werden. Denn auch wenn die Tagesstätte im Otto-Hirsch-Center keine Elite-Kita ist, einen gewissen Luxus genießen die Kleinen schon: wo sonst kann man im Freien mit Blick auf den Hafen spielen.