Alexandra Stefania sitzt im Rollstuhl und hat zehn Jahre im katholischen Kindergarten gearbeitet. Zuerst als Praktikantin, dann als Betreuungsassistentin. Kürzlich hat ihr die Kirchengemeinde gekündigt – zu Unrecht, wie ein Gericht findet.

Schwieberdingen - Im Moment muss Alexandra Stefania (36) ihre Tage zuhause, alleine mit ihren beiden Katzen verbringen. Doch womöglich kann sie schon bald an ihren früheren Traumarbeitsplatz zurückkehren. Im katholischen Kindergarten Schwieberdingen war sie der neuen Leitung ein Dorn im Auge, weil sie ständig das neue, offene Konzept kritisiert hatte. Doch das Arbeitsgericht Ludwigsburg hat ihre Kündigung jetzt für unrechtmäßig erklärt.

 

Für die kämpferische Kinderfreundin ist das ein grandioser Erfolg. „Ich bin ein Mensch, der immer etwas tun muss“, sagt sie über sich selbst. Dennoch ist sie noch nicht am Ziel ihrer Träume. Denn das Arbeitsgericht hat der Kirchengemeinde die Möglichkeit eingeräumt, Berufung einzulegen. Stefanias Anwalt geht fest davon aus, dass dies geschehen wird. „Dann ist frühestens Mitte 2016 mit einem Ergebnis zu rechnen“, sagt der Jurist.

Lange Zeit lief alles gut

Zehn Jahre lang schien alles gut zu laufen für Stefania und den Kindergarten. Sie wurde von der Gemeinde sogar als Musterbeispiel für gelungene Inklusion am Arbeitsplatz gepriesen. Alles begann im Jahr 2004 mit einem Praktikum im Kindergarten und mündete in einen Abschluss als Betreuungsassistentin, einer Quasi-Erzieherin. Ihre frühere Gruppenleiterin lobte sie als „ruhenden Pol im Kindergarten“, bei den Kindern sei sie äußerst beliebt gewesen, und auch die Kirchengemeinde war stolz auf ihre Vorzeige-Mitarbeiterin.

Doch dann kam der Bruch. Eine neue Leiterin und ein neues, offenes Konzept ohne feste Gruppen und mit wesentlich mehr Trubel kamen. Stefania machte keinen Hehl daraus, dass ihr das Konzept nicht gefiel, hielt auch gegenüber Eltern mit ihrer Kritik nicht hinterm Berg. Es folgte die Kündigung – aber womöglich aus rechtlich kaum haltbaren Gründen.

Angebliche Bedrohung überzeugt Richter nicht

Stefania habe ihre Gruppenleiterin bedroht, behauptete die Gemeinde, auch vor Gericht wurde das als Kündigungsgrund genannt. Sie sei auf bedrohliche Art auf eine Kollegin zugefahren und habe auch in einer ihrer zahlreichen E-Mails Drohungen ausgesprochen wie die folgende: „(...) sonst werde ich wild und das durftest du schon mal erleben und riskiere es nicht ein zweites Mal sonst bist du alleine Schuld“.

Zuvor war sie bereits abgemahnt worden – etwa, weil sie zusammen mit Kindern Tee gekocht hatte, was eine potenzielle Gefährdung darstelle. Dennoch überzeugten diese Argumente das Arbeitsgericht in Ludwigsburg nicht. Nach einer kurzen mündlichen Erörterung erklärte der Vorsitzende Richter die Kündigung für unwirksam. Ob auch bereits über den Antrag von Alexandra Stefania entschieden wurde, die eine sofortige Wiedereinstellung gefordert hatte, ist bislang unklar. Die Kirchengemeinde sah sich am Montag außer Stande, zu dem Fall Stellung zu nehmen.

Besonderer Kündigungsschutz

Ein wichtiger Hintergrund für den Rechtsstreit ist der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer. Bevor eine Kündigung rechtskräftig wird, muss der Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS) angehört werden. Dieser hat zu prüfen, ob die Kündigung direkt oder indirekt mit der jeweiligen Behinderung zusammenhängt. Wenn Ja, dann wäre die Kündigung nichtig. Dafür hatte der KVJS Alexandra Stefania aufgefordert, sich medizinisch untersuchen zu lassen. Doch Stefania weigerte sich. Die stolze Betreuungsassistentin wollte und will behandelt werden, wie jeder andere auch. Nach Ansicht ihrer früheren Chefin könnte es einen Zusammenhang geben: das neue, offene Konzept führe zu einem wilderen Alltag, womit Alexandra Stefania womöglich weniger gut klarkomme als nicht behinderte Kolleginnen.