Das Kinderhaus Franziskus in Stuttgart-Kaltental ist freundlich zu den Kleinen und zur Umwelt. Geplant wurde es von den Freiburger Architekten Kuhn und Lehmann.

Stuttgart - Es ist schon ein außergewöhnlicher Ort im Süden von Stuttgart: Just an der Stelle, wo im 13. Jahrhundert die mittelalterliche Burg Kaltental errichtet wurde, findet man heute das katholische Gemeindezentrum mit der St. Antonius-Kirche. Von der einstigen Burg sind nach deren Abriss im Jahr 1837 längst keine Spuren mehr zu finden, lediglich die „Burgstraße“ erinnert noch an diese Vergangenheit. In direkter Nachbarschaft der an dieser Stelle 1932 von Hans Herkommer erbauten und 2006 von Günter Pfeifer umgebauten Kirche hatte die katholische Kirchengemeinde einen ambitionierten Plan gefasst. Ein baufälliger Kindergarten sollte durch ein neues Kinderhaus ersetzt werden. Das war 2004, doch erst in diesem Jahr konnte das Vorhaben von Kuhn und Lehmann Architekten aus Freiburg realisiert werden. Dabei war der Architekt Christoph Kuhn bestens vertraut mit dem Geist dieses Ortes, denn er war früher Büropartner von Günter Pfeifer und an der Planung für den überzeugenden Umbau der St. Antonius-Kirche beteiligt.

 

Nun sollten auf dem verbliebenen kleinen Grundstück, in zweiter Reihe hinter der vielbefahrenen Böblinger Straße, möglichst viele Kinder in einem möglichst kompakten Baukörper ihr neues Domizil finden. Denn nur ein „flächenoptimiertes Haus“ ließ Platz für einen attraktiven Spielbereich im Freien.

Und wie reagierten die Architekten auf diese Aufgabe und diesen Ort? Rational, klar und schnörkellos entwarfen sie einen dreigeschossigen Baukörper aus Holz, der zusammen mit den Bestandsbauten einen geschützten Hof ausbildet und sich schon beim Näherkommen in seinem gesamten Wesen bewusst zurücknimmt: Hinter der weißen filigranen Stahlkonstruktion, die sich mit ihren Sonnenschutzgittern aus Streckmetall wie ein Patchwork vor die zurückgesetzte Lärchenholzfassade stellt, erscheint ein sachlich schlichter Holzkubus. Alles scheint wie von einer inneren Logik bestimmt, die gerade mit ihrer unaufdringlichen Art den rund fünfzig Kindern das Gefühl eines neuen Zuhauses vermitteln möchte.

Einziger Luxus ist die Lichtfuge

Der Haupteingang von der Burgstraße befindet sich auf dem Niveau des mittleren Stockwerks – auch das ist entwerferisches Kalkül, denn dadurch relativieren sich Größe und Höhe des Neubaus für die Kinder. Gleich mit den ersten Schritten ins Haus werden sie von dieser besonderen Stimmung empfangen. Alle Nutzungen sind präzise verteilt, die Flurflächen minimiert, die Gruppenräume des Kindergartens auf dem Eingangsniveau ganz klassisch über einen Mittelflur erschlossen. Einziger „Luxus“ ist eine große Lichtfuge im Zentrum des Hauses, die über alle drei Geschosse reicht und den kompakten Körper in der Tiefe des Raums mit Tageslicht versorgt.

Wie kleine Erker springen die daran angrenzenden Räume plastisch hervor und inspirieren die Kinder mit ihren innenliegenden Fenstern zu neugierigen Blicken aus den vier Wänden ihrer Gruppenräume. Das spürbar reduzierte Farbspektrum dominiert die Atmosphäre, taucht die Räume in ein angenehm ruhiges Licht: Hellgrauer Linoleumboden, weißgraue Akustikplatten an den Decken, weiß verputzte Wände, weiße Türen und eine Treppe aus naturbelassenem Lärchenholz bilden hierzu das dezente Arrangement.

Ein wenig erinnert diese Haltung an Aldo Rossi, der betonte: „Innerhalb der architektonischen Räume hat die Fantasie des Kindes die Fähigkeit, ihren eigenen Raum zu schaffen und die eigene Persönlichkeit hinzuzufügen, ohne von Formen und Erfahrungen, die ihm selbst fremd und deshalb lästig sind, konditioniert zu werden.“ Auch im Kinderhaus Franziskus sind es ganz bewusst die Kinder, die ihre Farben und Fantasien mitbringen sollen, um die Räume mit Leben, Farben und Emotionen zu erfüllen. Die Architekten schaffen lediglich Angebote.

Nonchalante Angemessenheit

Diese stille, innere Logik des Hauses wirkt wie ein roter Faden, sie überträgt sich auch auf die umlaufenden Balkone aus Betonfertigteilen, die nicht nur als Fluchtweg, sondern auch als Aufenthaltsbereich im Freien genutzt werden können – und gleichzeitig einen Witterungsschutz für das unbehandelte Lärchenholz der Fassade bieten. Entsprechend durchdacht erfolgte auch die räumliche Gliederung: Während im Gartengeschoss der große Bewegungsraum, die Lehrküche und das Musikzimmer untergebracht sind, befindet sich der Bereich für die Kleinkinder neben den zwei Büroräumen im Obergeschoss.

Das alles ist mit einer nonchalanten Angemessenheit der Mittel ausgeführt, die auch den gewünschten Spielplatz im Freien ermöglichte. Zu dieser Haltung passt perfekt das ausgeklügelte Lüftungskonzept, das aus dem kompakten Kinderhaus ein ausgesprochen energieeffizientes Gebäude macht. Das ganze Kinderhaus wäre sogar leicht demontierbar und recyclefähig. „Wir haben alles durchdacht“, dieser Satz könnte über dem kantigen Neubau schweben. Und zweifellos kann man diese besondere Qualität den Architekten attestieren.

Die Kinder indes müssen sich diesen rational klaren Neubau erst einmal aneignen, ihn – ganz im Sinne Rossis – mit ihrer Fantasie bespielen und ihre eigenen Räume schaffen. Denn genau davon hängt schließlich die zweite wichtige Qualität dieses eleganten Kubus ab.