Lam Tungwar Kueigwong zählt zu den "Lost Boys". So nennt man ehemalige Kindersoldaten. Mittlerweile führt er ein neues Leben.

Juba - Lam Tungwar Kueigwong findet keine Ruhe. Wir sitzen im Nobelrestaurant Da Vinci unter afrikanischen Feigenbäumen und schauen auf den behäbig vorbeiströmenden Weißen Nil hinaus. Der 27-Jährige mit den Rastalocken trottet wie ein Tiger im Gehege zwischen den Tischen hin und her und telefoniert. Auch als seine Handys für eine Weile schweigen, findet der von einer Gruppe Freunde begleitete Musiker keine Muße fürs Gespräch: "Wie lange dauert das denn noch?", fragt er bereits nach wenigen Interviewminuten genervt. Offensichtlich hat der junge Mann keine Zeit zu verlieren.

Schließlich hat Lam bereits seine ganze Jugend verloren. Der gut aussehende Bursche im grauen Flanellanzug zählt zu den sudanesischen "Lost Boys": jene in alle Welt zerstreuten jungen Männer, die einst als Kindersoldaten von der Sudanesischen Befreiungsarmee SPLA rekrutiert worden waren, und – wenn sie Glück hatten – dem martialischen Buschkrieg über das Flüchtlingslager eines Nachbarstaats entkommen konnten.

Kämpfer locken Kinder mit falschen Versprechen


Viele der verlorenen Jungen finden dieser Tage ihren Weg in die vom Freudentaumel über den Volksentscheid zur Unabhängigkeit erfasste Heimat zurück: "Nun hat sich alles doch gelohnt", sagt Lam in einem seltenen Moment der Entspannung: "Wir bereuen es nicht mehr." Er war gerade sechs Jahre alt, als eines Morgens etwas außerhalb seines Heimatstädtchens Bentiu im heutigen Unity-State eine Gruppe von SPLA-Kämpfern auftauchte, wo Lam gerade Kühe hütete. Sie hätten ihm eine Schulausbildung versprochen, erinnert er sich: Ohne seine Eltern zu fragen, habe er sich den Soldaten mit nichts in der Hand und nur seinen Kleidern am Leib angeschlossen.

Vermutlich fiel Lams Vater das Fehlen seines Sprösslings nicht mal auf, denn der traditionelle Dorfälteste hatte 21 Frauen, die ihn schon damals mit mehr als 40 Kindern segneten. Das Versprechen der Rebellen erwies sich schnell als trügerisch. Statt in die Schule zu kommen, mussten die 22 Minderjährigen, die die SPLA-Kämpfer zusammengeklaubt hatten, erst einmal tage- und nächtelang marschieren und sich in einem stickigen Boot vollkommen ausgehungert nilaufwärts befördern lassen.

Rutenhiebe und kein Essen als Strafe


"Drei Tage lang habe ich ununterbrochen geweint", sagt Lam. Schließlich in einem Camp angekommen, war wieder nicht an Schreibenlernen zu denken. Die Kinder, inzwischen zwei Hundertschaften, mussten Hütten errichten, Gräben graben und sich im Umgang mit Waffen unterweisen lassen. Wiederholt verlor der schmächtige Lam beim Überqueren eines Flusses sein Gewehr: "Hätte ich das schwere Ding nicht losgelassen, wäre ich selber untergegangen", sagt er gequält.

Als Strafe für den Verlust der kostbaren Waffe bekam der Junge mindestens 30 Rutenhiebe und tagelang kein Essen. Was Lam in den darauf folgenden vier Jahren durchmachte, darüber redet er nicht gern: "Es macht mein Herz traurig." Allerdings hat er seine Geschichte einem sudanesischen Autor erzählt, der das Grauen in einem Büchlein veröffentlichte.

Es beschreibt, wie der kleine Lam beim Überfall eines Dorfes einen verzweifelten Vater beobachtete, der seine gesamte Familie und schließlich sich selbst umbrachte. Oder wie die immer wieder wochenlang barfuß und bloß in Fetzen gekleidet kleinen Rebellen halb verhungert durch den Busch marschieren mussten.