Die Stadt Urayasu unterstützt Frauen finanziell beim Einfrieren ihrer unbefruchteter Eizellen. Das asiatische Land hat eine der geringsten Geburtsraten aller Industrienationen. Allerdings wird die Konservierung der Keimzellen alleine das demografische Problem nicht lösen.

Urayasu - Für zwölf Japanerinnen ist es endlich so weit: Sie lassen sich vorsorglich unbefruchtete Eizellen entnehmen und einfrieren, um sie sich später bei Bedarf wieder einpflanzen zu lassen – und zwar auf Kosten der Stadt Urayasu, in Japan vor allem bekannt als Standort des Vergnügungsparks Tokyo Disneyland. Es dürfte das erste Mal sein, dass die Patientinnen den auch „social freezing“ genannten Eingriff nicht selbst bezahlen müssen, sondern eine Stadt den größten Teil übernimmt. Einer der beteiligten Ärzte, Dr. Iwaho Kikuchi, spricht deshalb von einer weltweiten Premiere.

 

Die Prozedur ist Teil eines Forschungsprojekts der Juntendo-Universitätsklinik in Urayasu. Drei Jahre lang will die Stadt östlich von Tokio rund 90 Millionen Yen, umgerechnet 760 000 Euro, dafür bereitstellen. Der Bürgermeister Hideaki Matsuzaki erklärt den ungewöhnlichen Schritt: „Im Allgemeinen sind Schwangerschaft und Geburt eine individuelle Entscheidung. Aber wenn eine Situation so weit fortgeschritten ist, betrachte ich es als soziales Problem.“ Daher sei es richtig, öffentliche Gelder dafür bereitzustellen.

Japan stemmt sich seit Jahren erfolglos gegen den demografischen Trend. Das ostasiatische Land mit derzeit 127 Millionen Einwohnern schrumpft und überaltert so schnell wie keine andere Industrienation. Entsprechend unter Druck ist das japanische Sozialsystem angesichts der steigenden Rentnerzahlen bereits jetzt. Die Geburtenrate liegt in Japan seit Jahren bei etwa 1,4 Geburten pro Frau – lange vergleichbar mit Deutschland. Doch dort stieg die Geburtenrate zuletzt wieder.

2014 waren Erstgebärende im Durchschnitt erstmals über 30 Jahre alt

Die Eizellenkonservierung kostet umgerechnet zwischen 4000 und 8000 Euro. Mit Unterstützung der Stadt würde sich der Eigenanteil auf zehn bis zwanzig Prozent der Summe reduzieren, inklusive der Kosten für Injektionen und Medikamente.

Bisher war dieses Verfahren primär Frauen vorbehalten, die drohten unfruchtbar zu werden, etwa durch die Behandlung einer Krebserkrankung. Bei zwei Dritteln der aktuell beteiligten Paare gebe es laut Kikuchi, der in der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie an der Universitätsklinik tätig ist, zumindest bei einem Ehepartner medizinische Probleme.

Nun soll in Urayasu die Eizellenkonservierung einem weiteren Kreis an Frauen zugänglich gemacht werden. Die Frau muss eine Bürgerin von Urayasu sein, zwischen 20 und 34 Jahre alt und sie soll die Eizellen im Prinzip bis zu ihrem 45. Lebensjahr verwenden. 2014 waren Erstgebärende in Japan im Durchschnitt erstmals über 30 Jahre alt, in Deutschland noch knapp unter 30.

Mit dem Einfrieren alleine lasse sich Japans demografisches Problem nicht lösen, sagt der Arzt Kikuchi. „Sowohl die Stadt Urayasu als auch ich denken, dass die Eizellenkonservierung per se keine Maßnahme ist, um der sinkenden Geburtenzahl entgegenzuwirken.“ Die Stadt habe vielmehr eine breite Palette an Maßnahmen zur Erhöhung der Geburtenrate ergriffen. Dafür habe sie pro Jahr drei Milliarden Yen ( 25 Millionen Euro) bereitgestellt. Dazu gehören Partnervermittlungen genauso wie die Bereitstellung von Hotels zur Pflege nach der Geburt sowie die Einrichtung von Kindergärten, in denen auch kranke Kinder betreut werden können.

Die Gesellschaft reagiert unterschiedlich auf die Maßnahme

Auf die Eizellenkonservierung, wie sie in Urayasu geplant ist, gab es in Japan unterschiedliche Reaktionen. Die japanische Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie sagte in einer japanischen Zeitung, sie rate generell davon mangels „nicht hoher“ Erfolgschancen ab. Das Einfrieren von Eizellen solle nur Krebspatientinnen und wenigen Ausnahmefällen gestattet werden.

Die japanische Gesellschaft für Reproduktivmedizin indes unterstützt das Verfahren und stellte Richtlinien für unverheiratete Frauen zusammen, die sich später gefrorene Eizellen einsetzen lassen wollen. Auf die Fragen, wie sie das Vorgehen von Urayasu bewerte und welche Erfolgschancen es beim Einsetzen der Eizellen gebe, war die Organisation auf Anfrage nicht bereit, einen Kommentar abzugeben.

Für junge Japaner sei es heutzutage finanziell schwierig, eine Familie zu gründen, sagt Kikuchi. Entsprechend liege das Alter bei In-vitro-Befruchtungen bei 39 Jahren; die Chance auf eine Schwangerschaft sei in diesem Alter niedriger. „Weil die künstliche Befruchtung üblicherweise aus der eigenen Tasche bezahlt wird, gibt es keine Altersgrenze, und auch wenn die Chance auf eine Schwangerschaft niedrig ist, gibt es kein Gesetz, das dies reglementiert“, sagte Kikuchi.