Der 62-Jährige vom TSV Höfingen muss sich wegen sexuellen Missbrauchs verantworten. Doch zunächst gab es Streit über den Ausschluss der Öffentlichkeit.

Böblingen - Rund 20 Zuschauer hatten sich am Montagnachmittag vor Saal drei des Landgerichts Stuttgart versammelt. Sie wollten den Auftakt des Prozesses gegen einen ehemaligen Tischtennis-Trainer des TSV Höfingen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern miterleben. Gut die Hälfte von ihnen waren Vereinsmitglieder des TSV. Aber auch einige ehemalige Arbeitskollegen des Angeklagten, der den Gerichtssaal wegen eines Achillessehnenrisses auf Krücken betrat, waren gekommen. Doch am Ende machten sie sich enttäuscht wieder auf den Heimweg, denn die Verhandlung wurde nach kurzer Zeit bis zum Freitag unterbrochen.

 

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 62-Jährigen vor, sich zwischen 1997 und 2016 – insbesondere in seiner Berghütte in Österreich – in mehreren Fällen an Kindern im Alter von sieben bis elf Jahren vergangen zu haben. Bei Durchsuchungen in dieser Berghütte und in seiner Wohnung in Leonberg im März dieses Jahres seien zudem kinderpornografische Bilder und Magazine gefunden worden. Die Anklage lautet auf sexuellen Missbrauch von Kindern, Nötigung, sexuelle Belästigung und den Besitz kinderpornografischer Schriften.

Der Fall hatte den Sportverein TSV Höfingen im Frühjahr dieses Jahres in seinen Grundfesten erschüttert. Den Stein ins Rollen gebracht hatte die Mutter eines elfjährigen Jungen, die sich mit ihrem Verdacht an die Polizei gewandt hatte. Daraufhin nahm ein elfköpfiges Team der Polizeidirektion Böblingen, das sich wegen des Bezugs zum Tischtennis „Topspin“ nannte, die Ermittlungen auf. Im August hatte die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage bei der Jugendschutzkammer des Landgerichts Stuttgart erhoben, die den Prozess nunmehr zugelassen hat.

Das Recht auf Privatsphäre

Der Grund für die Unterbrechung des Prozesses bereits am ersten Tag: die Rechtsanwältin Sandra Ebert, die als so genannte Nebenklagevertreterin eines der missbrauchten Kinder beziehungsweise dessen Eltern vertrat, stellte den Antrag, die Öffentlichkeit schon vor der Verlesung der Anklage vom Prozess auszuschließen. Es würden in diesem Schriftsatz Umstände aus der Intimsphäre ihres Mandanten genannt, der zur Tatzeit gerade einmal zehn Jahre alt gewesen sei, führte sie zur Begründung aus. Sein Recht auf Schutz der Privatsphäre sei höher zu bewerten als das allgemeine öffentliche Interesse.

Da die Anwältin zudem beantragt hatte, über diese Frage ohne Öffentlichkeit zu beraten, mussten Zuschauer und Pressevertreter den Saal verlassen und im Gerichtsflur warten. Nach rund 20 Minuten erklärte die Vorsitzende Richterin, dass das Gericht noch keine Entscheidung getroffen und noch Beratungsbedarf habe. Der Prozess wird nunmehr am Freitag, 22. September, um 9 Uhr fortgesetzt. Dann wird das Gericht bekannt geben, ob die Öffentlichkeit ganz vom Verfahren ausgeschlossen wird – oder zumindest Teile der Anklage öffentlichverlesen werden dürfen

Die Richter hatten vorerst zehn Verhandlungstage bis zum 26. Oktober terminiert. „Ob so lange verhandelt werden muss, hängt aber maßgeblich davon ab, ob der Angeklagte zumindest in Teilen ein Geständnis ablegt. Dann müssen möglicherweise nicht alle Zeugen gehört werden, und der Prozess könnte abgekürzt werden“, erklärt Johannes Friedrich, der Pressesprecher des Landgerichts Stuttgart.

Verjährung ist kein Thema

Der Prozess musste im September beginnen, weil der Angeklagte seit März dieses Jahres in Untersuchungshaft sitzt, die nach den Regeln der Strafprozessordnung unter normalen Umständen nicht länger als sechs Monate dauern darf. Für eine einzelne Tat des sexuellen Missbrauchs sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. In einem schweren Fall beträgt die Einzelstrafe sogar mindestens zwei Jahre.

Nach Auskunft von Jan Holzner, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart, steht der Anklage das Problem der Verjährung nicht entgegen, auch wenn die Taten teilweise fast 20 Jahre zurückliegen. „Die Frist für die Verjährung bei sexuellem Missbrauch von Kindern beginnt erst zu laufen, wenn das Opfer das 30. Lebensjahr vollendet hat – und sie läuft dann mindestens zehn Jahre“, erklärt Holzner.