Frühere Stammgäste erinnern sich an die Anfänge der Schwulendisco. Im Rathaus ist der 40. Geburtstag des Kings Clubs gefeiert worden mit einer klaren Botschaft: Die einstmals Ausgegrenzten sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Wenn ein CDU-Bundestagsabgeordneter eine Volksvertreterin der Linken in den Himmel rühmt, sind die in der Hauptstadt üblichen Polit-Gefechte weit weg – dann sind wir mitten in Stuttgart.

 

„Deine Beharrlichkeit für die Gleichstellung Homo-, Bi- und Transsexueller hat dich von einer eher gemiedenen Dame am Rande der Gesellschaft zum Aushängeschild einer großen Community gemacht“, lobte CDU-Kreischef Stefan Kaufmann im Großen Sitzungssaal vor einer bunten Schar aus etwa 600 Gästen die Club-Legende und Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit, „du hast Stuttgart reicher gemacht – an Mitmenschlichkeit, Vielfalt und Toleranz.“ Solange Menschen wegen ihrer sexuellen Identität diskriminiert würden, sagte die Grüne Brigitte Lösch, brauche man Kämpferinnen wie sie.

„Laura versetzt Berge“, stellte Bürgermeister Werner Wölfle fest, „da die Berge der Engstirnigkeit wieder zu wachsen scheinen, ist sie wertvoller denn je.“ Lauras Donnerhall, meinte Pfarrer Rainer Ehlers, reiche bis Hamburg. Dort war er von 1994 bis 2004 erster Aids-Pastor, außerdem ist er der Gründer der Deutschen Aids-Stiftung. Zur Feier im Rathaus trug er keinen Talar, sondern Lederkluft.

Plätze im Sitzungssaal und auf der Empore reichten nicht

Keine rollt das R so schön wie sie. Wenn die gebürtige Rumänin „Horrrror“ sagt, vibriert alles. „Dass wir im Rathaus sind“, erklärte die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, „soll unseren Stolz ausdrücken – die Stigmatisierung ist Vergangenheit.“ Es kamen so viele Gäste, dass der Sitzungssaal und die Empore nicht ausreichten – die Reden wurden auch in den Kleinen Sitzungssaal übertragen.

Schwule Polizisten waren da, bekennende Heten, Junge, Alte, Pfarrer, Musicalsänger, Lauras Sohn und Tochter sowie ihre beiden Enkel. Designer Harald Glööckler hatte sich entschuldigt, weil sein Schwager den 80. Geburtstag feierte – aber Entertainerin Lilo Wanders war aus Hamburg trotz starker Erkältung nach Stuttgart geflogen.

Als der Kings Club 1977 in einem Keller ohne Beleuchtung fast heimlich eröffnete (nach illegalem Vorlauf), flogen wenig später Steine durch den Eingang. Heute wünschen die Gäste ein helleres Fassadenlicht – verstecken will sich keiner mehr.

In Rumänien hatte Laura einen tyrannischen Vater ertragen. Zum Kunststudium ging’s nach Hamburg, wo die Liaison mit einem Chefredakteur begann. In den 1970ern zog sie mit ihm in eine Villa nach Stuttgart. Dort wollte sich kein Spießerglück einstellen. Wohl fühlte sie sich nachts mit schwulen Künstlern. Nach der Trennung von ihrem Mann verlor Laura den goldenen Käfig. Fortan musste sie Geld verdienen, weshalb sie im KC jobbte. In dessen Betreiber Thomas Bergmeister verliebte sie sich, war für ihn „die erste und letzte Frau“. Bald wurde sie selbst Chefin des Kings-Kellers.

Noch immer hat die Stadträtin die Titelseite des „Spiegels“ vor Augen, bei der es 1982 zum ersten Mal um eine „tödliche Seuche“ ging. In ihrem Club wurde Aids drastisch buchstabiert: „Ab in den Sarg.“ Die exotisch-flippige Schwulenfreundin wurde zur politischen Aktivistin im Kampf gegen die Krankheit. Bis heute finanziert sie Anti-Aids-Projekte und vieles mehr aus eigener Tasche. Statt Geschenke zum runden KC-Geburtstag bat die Wirtin um Spenden.

Marty und Hubert – seit 40 Jahren ein Paar

Stammgäste der ersten Stunde waren Marty Price, Autor des Heimatromans „Gretels Welt“, und sein Partner Hubert Forner, die seit 40 Jahren ein Paar sind. Price hatte als Lehrer in den Nellingen-Barracks gearbeitet. „Bis Obama war Homosexualität verboten beim Militär“, sagt der US-Amerikaner. Im Vergleich dazu sei Stuttgart „offen und frei“ gewesen. 1977 fuhr er zum Bahnhof, stieg in ein Taxi und bat den Fahrer, ihn in eine Gay-Bar zu bringen. Es ging in den Kuhstall in der Altstadt. Dort lernte er den Hertie-Dekorateur Hubert kennen, der „nie tanzte“. Monate später bei Martys Geburtstagsfeier waren etliche Armeekollegen da, als Forner ihm liebevoll einen Kanarienvogel im Käfig schenkte. Den GIs war nun klar, dass Marty schwul ist – „und sie freuten sich für mich“.

Es heißt „der Kings Club“, aber „das KC“. Wenn es ums KC geht, sein einstiges Wohnzimmer, denkt der in Florida mit Hubert Forner lebende Autor Price an „roten Plüsch“. Der „Tuntenbarock“, verspricht Laura, bleibt für immer. In 40 Jahren hat sie den Keller oft renoviert – und stets aufs Neue rot ausstaffiert. Am Ende der Reden im Rathaus sprach die Wirtin ihre Enkel an, die in der ersten Reihe saßen. Wenn sie mal groß seien und fragen würden, was die Oma auf den alten Fotos mit den Fahnen machen würde, sollten die Eltern ihnen sagen: „Heute müssen wir nicht mehr demonstrieren, heute haben wir uns alle lieb.“

CDU-Kreischef Kaufmann erzählt vom Knutschen im KC

Nach den Reden sowie dem Gesang des Chors Rosa Note und den Saxofonklängen von Sir Waldo Weathers feierten die etwa 600 Gäste bei Sekt im Rathaus, wo bei dem großen Ansturm die Gläser ausgingen. Gesehen: Entertainer Michael Gaedt, Heiko Volz und Volker Lang alias Äffle und Pferdle, Lotto-Fee Chris Fleischhauer, Designerin Lissi Fritzenschaft, Travestie-Star Frl. Wommy Wonder, Pianist Georg Bailey, Designer Tobias Siewert, Chef des Labels einelinie, Gerhard Goller, der langjährige Leiter der städtischen Gaststättenbehörde, Pfarrer Axel Schwaigert von der Metropolitan Community Church, Mode-Mann Horst Wanschura, CSD-Organisator Christoph Michl, Autor Patrick Mikolaj vom Unnützen Stuttgartwissen, Kabarettistin Myriam Pleva, die Leiterin der gleichnamigen Ballettschule. Man sprach über vergangene Zeiten, aber auch über die Offenheit des CDU-Kreisvorsitzenden Stefan Kaufmann. Der Abgeordnete hatte im offiziellen Teil am Rednerpult erzählt, dass er im Kings Club nach seinem späten Outing mit einem Guido geknutscht habe. Den Nachnamen von Guido verriet er besser nicht.

Etliche Gäste zogen sodann in den Kings Club, um dort weiterzufeiern. Donnerstags bis samstags, wenn das KC öffnet, ist die Chefin stets bis zum Schluss da – wie seit 40 Jahren. Bis zum 100. Geburtstag hat sie’s vor. Möge Lauras couragiertes Leben noch lang kein Horrrror sein! Stuttgart kann stolz auf sie sein.