Kann man sich mit den Tätern der RAF aussöhnen? 1992 macht der Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) diesen Vorschlag. Er will den Ausstieg aus der Gewaltspirale. Die Ex-Terroristen sollen freikommen, wenn sie ihre Strafen abgesessen haben.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Klaus Kinkel (80) wollte den Ausstieg aus der Gewaltspirale. 1992 schlug er als Bundesjustizminister vor, über ein Ende der Haft für RAF-Täter nachzudenken, wenn die ihre Strafe abgesessen haben. Das war in Zeiten des Terrors nicht unumstritten.

 
Herr Kinkel, zum ersten Mal haben Sie auf dem FDP-Dreikönigsparteitag 1992 von Versöhnung mit der RAF gesprochen. Passt der Begriff Versöhnung in die Politik?
Ich habe lange mit meinen Mitarbeitern im Justizministerium gesprochen, ob man in diesem Kontext das Wort Versöhnung gebrauchen darf. Ich habe es dann ganz bewusst benutzt. Natürlich kann man sich mit Terroristen nicht versöhnen. Aber es ging darum, ein Zeichen zu setzen und wenigstens den Versuch zu unternehmen, aus der pausenlosen Weiterentwicklung des RAF-Terrorismus rauszukommen. Ohne dieses Reizwort wäre die Idee versandet. Ich wusste ja nicht, ob es hinhaut und habe Glück gehabt. Hinterher kamen viele und gratulierten.
War Ihnen klar, was Sie der Öffentlichkeit zumuten?
Ja. Wir wussten, dass wir Aufregung verursachen würden.
Sie haben nach drei Monaten eine Antwort der RAF bekommen.
Ja. Das war ein erfreulicher Erfolg. Ich hatte massiven Ärger mit den CDU/CSU-regierten Bundesländern. Mit Bayern und Baden-Württemberg. Ich habe das einfach gewagt – und Erfolg gehabt.
Sie haben bereits Fühlung zu den RAF-Vertretern aufgenommen, als sie während der Hungerstreiks 1989 als Unterhändler mit den Gefangenen geredet haben. Wie nah sind Sie Ihnen als offizieller Vertreter der Regierung gekommen?
Es war schwierig. Nicht mit allen konnte ich sprechen. Ich war Staatssekretär im Justizministerium. Die Hungerstreikenden waren an dem offiziellen Vertreter des Staates interessiert, der Einfluss auf die Entscheidung hat.
Haben Sie dabei bemerkt, dass womöglich andere Gefangene aus der Gewaltspirale herauswollten?
Ja, es gab minimale Ansätze. Aber nichts Konkretes. Es war bei mir mehr das Gefühl und das Wollen, dass man aus diesem Teufelskreis raus muss.