Romanze, Zweipersonendrama oder Science-Fiction-Spektakel? Morten Tyldum mag sich bei seinem bildstarken Big-Budget-Projekt „Passengers“ mit Jennifer Lawrence und Chris Pratt nicht wirklich entscheiden.

Stuttgart - Ein Raumschiff gleitet lautlos durch die Weiten des Weltraums. „Passengers“, das erste Big-Budget-Projekt von Morten Tyldum, beginnt mit einem Déjà-vu-Erlebnis. Stanley Kubricks „2001“, Douglas Trumbulls „Silent Running“ und Ridley Scotts „Alien“ kommen einem in den Sinn. Aber der Norweger, mit dem harten Thriller „Headhunters“ bekannt und mit „The Imitation Game“ für Hollywoods Großproduzenten interessant geworden, arbeitet mit einem Originaldrehbuch von Jon Spaihts („Prometheus“) – eine Seltenheit in Zeiten der Sequels, Comic-Adaptionen und Remakes.

 

Als Darsteller aber hat man besonders angesagte Stars verpflichtet: Den knuddeligen Chris Pratt aus „Guardians of the Galaxy“, seit „Jurassic World“ als neuer Indiana Jones gepriesen, und die vielseitig einsetzbare Jennifer Lawrence („Die Tribute von Panem“, „American Hustle“). Ganz klar: Dem Studio Sony Pictures schwebte ein Blockbuster vor, stromlinienförmige Unterhaltung, die als Date Movie ebenso funktionieren soll wie als Science-Fiction-Spektakel. Darum ist man bei der Story trotz des Originaldrehbuchs auf Nummer Sicher gegangen und hat Motive aus jüngeren Genrehits wie „Gravity“ oder „Der Marsianer“aufgegriffen. In den USA allerdings war das an der Kasse bislang nicht so erfolgreich wie gehofft.

Jim Preston (Chris Pratt) ist mit fünftausend weiteren Passagieren an Bord der „Avalon“ auf dem Weg nach „Homestead II“, einem Planeten, der neu kolonialisiert werden soll. Doch Preston erwacht zu früh aus dem Tiefschlaf. Neunzig Jahre, wird ihm schnell klar, ist er noch vom Zielort entfernt, und mit der Erde Kontakt aufzunehmen ist ihm mangels Befugnis unmöglich. Also fügt er sich zunächst seinem Schicksal. Vergnügt sich auf dem Luxusschiff, unternimmt Ausflüge im Raumanzug oder hängt in der schicken Bar ab, wo er von einem ebenso schlagfertigen wie witzigen Androiden – launig gespielt von Michael Sheen („Masters of Sex“) – bedient wird. Da taucht die Journalistin Aurora (Lawrence) auf, mit der Jim natürlich zu flirten beginnt, ehe schwere Funktionsfehler der „Avalon“ die beiden zum Handeln zwingen: Der Beginn eines klassischen Überlebenskampfs.

Die erste Hälfte unterhält noch recht gut

Nichts ist hier neu, nichts wirklich überraschend – inklusive der zahlreichen Logikfehler und der holprigen Dramaturgie. Das liegt vielleicht daran, dass der Film eine wendungsreiche Entstehungsgeschichte hatte. So war beispielsweise einmal geplant, in Babelsberg mit Keanu Reeves in der Hauptrolle zu drehen, für die weibliche Hauptrolle waren Reese Witherspoon, Rachel McAdams und Emily Blunt im Gespräch. Einiges hat man denn auch in Deutschland gedreht: Das Medienboard Berlin-Brandenburg hat eine Million Euro zugeschossen, Baden-Württembergs Filmförderung MFG immerhin 600 000 Euro.

Leider hat man sich nicht entscheiden können, was man denn nun erzählen will – eine Romanze oder ein Abenteuer. Unterhält die erste Hälfte noch recht gut, weil die Chemie zwischen Pratt und Lawrence stimmt, die beiden als Paar harmonieren und es auch einige schöne Einfälle – etwa den eines ersten Anbahnungsversuchs via Mini-Roboter – gibt, mag der anschließende Actionteil mit den obligaten Ausflugsszenen ins All, den aufwändigen Effekten, wummernden Explosionen und Rettungsversuchen in letzter Sekunde nicht wirklich überzeugen.

Eine Auseinandersetzung mit sich aufdrängenden existenzialistischen Fragen fehlt

Zu bekannt sind diese Versatzstücke, zu oft hat man sie besser, spannender, effizienter umgesetzt gesehen. Was nicht heißen soll, dass es an Schauwerten mangele. Jeden Dollar und Förder-Euro sieht man dem Werk an. Prächtig fällt das moderne, vornehmlich gleißende weiße Produktionsdesign von Guy Hendrix Dyas („Inception“) aus, fließend-elegant ist Rodrigo Prietos („The Wolf of Wall Street“) Kameraarbeit, atemberaubend jene optisch brillant gehandhabte Sequenz, in der die Schwerkraft plötzlich außer Kraft gesetzt ist und Aurora in einem Nobelpool mit prächtigem Sternenausblick zu ertrinken droht.

Doch all das fügt sich – zu Thomas Newmans („Skyfall“) gewohnt souveränem Score – nicht zur Einheit. Ein notwendiger Subtext der sich mit sich aufdrängenden existenzialistischen Fragen auseinandersetzen würde, fehlt, der überraschende Auftritt von Laurence Fishburne will sich nicht in den Plot fügen, und Pratt mangelt es trotz Leinwandpräsenz und Charisma an schauspielerischen Mitteln. Mehr Schein als Sein – ein Phänomen der Gattung.