Die AfD in Baden-Württemberg ist bei vielen gesellschaftlichen Gruppen noch nicht angekommen. Gewerkschaften, Kirchen und andere Organisationen vermeiden es, Vertreter der Rechtspopulisten zu ihren Veranstaltungen einzuladen. Die Sprachlosigkeit ist wechselseitig.

Stuttgart - Seit eineinhalb Jahren sitzt die AfD im Landtag, doch in den gesellschaftlich relevanten Gruppen ist sie noch nicht angekommen. So lädt der Beamtenbund Baden-Württemberg mit neuer Führung für nächsten Mittwoch zum Gewerkschaftstag nach Ludwigsburg. Der Ministerpräsident hält den Festvortrag, und alle Landtagsfraktionen bieten ihre Vorsitzenden als Grußredner auf. Allein die AfD fehlt – sie wurde erst gar nicht eingeladen.

 

„Bei uns gibt es einen klaren Beschluss“, sagt Landesbund-Chef Volker Stich. „Bei unseren Veranstaltungen laden wir die Gäste ein, die uns wichtig sind und mit denen wir einen Kontakt haben.“ Und den habe es in den anderthalb Jahren mit der AfD nicht gegeben. „Intensive Diskussionen“ hätten sein Landes- und Hauptvorstand darüber geführt. Selbst Sympathisanten der großen Parteien hätten für ein AfD-Grußwort plädiert. Am Ende stand ein eindeutiges Votum, die Rechtspopulisten nicht dazuzubitten. Es gebe auch nur sehr wenige Mitglieder, die dies verlangten.

„Nicht mehr Aufmerksamkeit bieten als nötig“

Aus politischer Abneigung meidet der Gewerkschaftsbund Gastauftritte der AfD – auch bei der nächsten Bezirkskonferenz Ende Januar. „Wir laden keine Vertreter der AfD zu unseren eigenen Veranstaltungen ein“, sagt DGB-Landeschef Martin Kunzmann. „Wenn unsere haupt- und ehrenamtlichen Kollegen anderswo bei Veranstaltungen auf AfDler treffen, setzen wir uns argumentativ mit deren Positionen auseinander.“ Wichtig sei, „dass wir nicht permanent auf Provokationen und Anliegen der AfD reagieren“. So wolle man vermeiden, dass die AfD mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehe als nötig. Vor der Landtagswahl gab es dazu auch einen Vorstandsbeschluss, der bisher nicht erneuert wurde.

Auf Distanz zur AfD bleiben auch die großen Umweltverbände. „Wir laden sie nicht aktiv ein“, sagt BUND-Landesgeschäftsführerin Sylvia Pilarsky-Grosch und nennt als Grund, dass die AfD „ganz weit weg“ von den politischen Zielen des Bund sei. Auch der Nabu, mit 80 000 Mitglieder der stärkste Umweltverband, hat sich entschieden, „bis auf Weiteres keine Zusammenarbeit mit der AfD“ zu suchen. Aufgrund von Äußerungen von Fraktions- und Parteivertretern sei man zum Schluss gekommen, dass die AfD die zentralen Werte des Nabu nicht teilt. Vonseiten der AfD gebe es aber auch keine Kontaktversuche.

Städtetag sieht kaum Interesse bei der AfD

Auf ein formales Mindestmaß begrenzt der Landkreistag den Umgang. „Bei offiziellen Terminen wie der Landkreisversammlung laden wir alle Fraktionschefs ein“, sagt eine Sprecherin, „wir treten aber nicht von uns aus in den bilateralen Austausch.“ Es sei aber auch schon vorgekommen, dass Vertreter der Alternative für Deutschland einer Einladung gar nicht gefolgt seien. Der Gemeindetag lädt unterschiedslos alle im Landtag vertretenen Fraktionen ein, ebenso der Städtetag. „Bisher haben die AfD-Abgeordneten aber nicht viel Interesse in Form von Anwesenheit gezeigt“, heißt es beim Städtetag.

Die Evangelischen Landeskirchen haben derzeit keinen politischen Austausch mit der AfD. „Generell werden bei uns alle Abgeordneten protokollarisch gleichbehandelt – es sei denn, ihre Äußerungen oder ihr Verhalten verletzen aus unserer Sicht das Grundgesetz oder stehen in fundamentalen Gegensätzen zu den Grundaussagen der Landeskirchen“, sagt Kirchenrat Volker Steinbrecher, der bei den Landeskirchen in Baden und Württemberg für den Landtag und die Regierung zuständig ist. „Aus diesen Gründen pflegen die Landeskirchen gegenüber der AfD-Landtagsfraktion derzeit keinen protokollarischen Kontakt.“ Davon unbenommen habe er seelsorgerischen Kontakt zu allen evangelischen Abgeordneten ungeachtet ihrer Parteizugehörigkeit. Zudem hätten beide Landesbischöfe ihre Bereitschaft zum Gespräch mit der AfD-Fraktion geäußert, sollte dieses gesucht werden.

„Kirchen- und caritasfeindliche Propaganda“

Der Evangelische Kirchentag steht alle zwei Jahre vor der Frage, welche Parteivertreter er einlädt. In einem Präsidiumsbeschluss vor einem Jahr heißt es, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit hätten dort keinen Platz. Und: Vortragende würden nicht nach Parteizugehörigkeit ausgesucht. Dass der Kirchentag bereit ist, mit AfD-Politikern zu reden, hat eine Veranstaltung in diesem Jahr gezeigt, als es um die Vereinbarkeit von „Christsein“ mit einer Parteimitgliedschaft ging. Auf dem Podium saß auch die damalige Vorsitzende der Christen in der AfD, Anette Schultner.

Der katholische Stadtdekan Christian Hermes betont: „Nachdem sich Vertreter der AfD vor allem durch menschenfeindliche und populistische Hetze und kirchen- und caritasfeindliche Propaganda in Stuttgart profiliert hatten, war sie hier im Haus nicht mehr willkommen.“ Grundsätzlich gelte, dass in die Einrichtungen des Stadtdekanats nur Menschen zu Diskussionen eingeladen werden, die zu einem sachlichen Diskurs in der Lage seien. Sollte die AfD auf den Weg einer demokratischen Diskussionskultur finden, werde man sie behandeln wie jede andere Partei auch.