Das Verhältnis zwischen den christlichen Kirchen und der AfD ist zerrüttet. Im Osten geht der Riss dabei oft mitten durch die Pfarreien.

Erfurt - Will ein Kirchentag sehr bewusst Zeichen in puncto Flucht, Migration und Mitmenschlichkeit senden, engt das wohl zwangsläufig den Kreis offizieller politischer Diskutanten ein – zumal in diesen Monaten. So beschränkt das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) die Liste derer, mit denen man zum 100. Katholikentag vom 25. bis 29. Mai in Leipzig reden will, auf jene Parteien, die sich „nicht aus dem demokratischen Konsens verabschiedet“ hätten.

 

Die AfD gehört für ZdK-Präsident Thomas Sternberg nicht dazu.   50 000 Gäste bei gut 1000 Veranstaltungen bilden fraglos eine Verlockung für Meinungsmacher aller Couleur. Umso mehr erregte sich anschließend AfD-Chefin Frauke Petry über den Affront. Die Protestantin sagt, „der Glaube an Jesus Christus ist Bestandteil meines Lebens“ und nennt die Kirche „diskussionsunfähig“. Sie blende „einen wichtigen politischen Akteur in Deutschland“ aus.     

Toleranz ändert sich

Die Nicht-Einladung bildet den vorläufigen Höhepunkt in einem Zwist, der die AfD seit Monaten in Sachsen und mehr noch in Thüringen mit den großen Kirchen entzweit. Immerhin war die Protestpartei zu Zeiten, da sie sich noch weniger rechtspopulistisch gab, auch als eine Art christlich-bürgerliche Alternative angetreten. Doch die anfängliche Toleranz, die man gerade in vielen ostdeutschen Gotteshäusern gegenüber der AfD erlebte, änderte sich in dem Maße, wie diese sich radikalisierte.

Heute rufen evangelische wie katholische Gemeinden sogar zu Friedensandachten vor AfD-Demonstrationen auf. Selbst die in politischen Dingen sonst eher schweigsame Bischöfin der evangelischen Landeskirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, sieht eine „Grenze ganz deutlich erreicht“, wenn AfD-Demonstranten „Kreuze in den Deutschlandfarben tragen“. Denn das Evangelium sei an keine Nation gebunden, sagt die frühere Stuttgarterin.

AfD will „Pfarrer mit Mistgabeln aus Kirchen jagen“

Ganz offenkundig wurde dieser Bruch schließlich an einem sehr dunklen Mittwochabend Ende Oktober auf dem Erfurter Domplatz. Wie in den Wochen zuvor hatte die AfD hier tausende Sympathisanten versammelt. Um jedoch deren Thüringer Frontmann Björn Höcke bei seinem Auftritt nicht noch die schillernde Kulisse der katholischen Kathedrale zu liefern, ordnete Bischof Ulrich Neymeyer kurzerhand das Löschen aller Lichter an.

Seither gilt das Verhältnis zwischen AfD und Kirche in Thüringen als zerrüttet. Denn nun attackieren jene, die bisher für ihre Hassaufrufe gern auch den Schutz der Gotteshäuser suchten, führende Kleriker persönlich. Neymeyer wird als „verrottet“ beschimpft, man droht, widerständige „Pfaffen mit Mistgabeln und Fackeln aus den Kirchen zu jagen“. Und Höcke meint Martin Luther zitieren zu müssen: „Man muss dem Teufel das Kreuz ins Angesicht schlagen, so weiß er, mit wem er umgeht.“

Die AfD – „Sammelbecken laizistischer Kirchenkritiker“?

Vor allem bekommen die Kirchenoberen jetzt den Vorwurf zu hören, sich mischten sich „als Hobbypolitiker“ zu Unrecht in weltliche Dinge. Doch womöglich, so argwöhnt man in Pfarrerskreisen, stecke hinter jener scheinbar spontanen Erregung nur ein Vorwand, um offen „Kirchenhass ausleben“ zu können. Einige wie der Erfurter Studentenpfarrer Andreas Fincke sehen die AfD inzwischen als „Sammelbecken laizistischer Kirchenkritiker“. So finden sich bei der AfD verstärkt Forderungen, den staatlichen Einzug der Kirchensteuer abzuschaffen.

In Thüringen verschärft noch eine Besonderheit diesen Hader. Denn nicht wenige im AfD-Protestlager waren schon vor dem Erfurter Dom aufgezogen, als noch Unternehmerverbände gegen die spätere Linksregierung mobil machten. Dass zu seinen Gegnern neben den „üblichen Verdächtigen“ wie Linke, Grüne und Gewerkschafter nun auch die Kirche zählt, bringt manchen erst richtig in Rage. „Die Würdenträger meiner Kirche an der Seite von Mauer, Stacheldraht, Schießbefehl und Diktatur“, so der Nordthüringer AfD-Funktionär Gerhard Siebold, „verletzt schwer meine katholische Seele“.   

Doch auch Christen in Thüringen oder Sachsen sehen angesichts der Flüchtlingsströme das Abendland bedroht. Längst geht der Riss quer durch die Gemeinden. Der Chef eines Vereins Bürgerbündnis für Thüringen, der sich im Herbst gründete, ist etwa der Erfurter Anwalt Gregor Heiland. Der vertritt nicht nur Höcke rechtlich, er engagiert sich auch im Pfarrgemeinderat der Erfurter St. Severi- und Martinigemeinde.

Kirchenaustritte und öffentliche Hilferufe

Auch Pfarrer Fincke erlebt zunehmend, dass sich nach Andachten und Predigten „alles immer sehr schnell um die Flüchtlingsfrage“ drehe. Und in den Kirchen gebe es hierzu „disparate Positionen“. Die Folge sind Kirchenaustritte oder öffentliche „Hilferufe“ an die Würdenträger. „Meine Kirche verlässt mich“, klagt etwa ein Eisenacher Protestant und früherer Wendeaktivist. Denn eine Kirche, die „nicht gegen sehr fragwürdig agierende muslimische Imame“ Stellung beziehe, handele „nicht nach Martin Luthers Bibel und meinem Glauben“, sagt er.