Hölderlin hat Johann Jakob Thill verehrt, Schiller ihm Respekt gezollt. Doch an seiner Wirkungsstätte Großheppach ist der Pfarrvikar und Dichter in Vergessenheit geraten. Das soll sich ändern.

Weinstadt - Und brannt ein heilig Lied zu dichten, in meiner frühsten Jugend schon“ – mit diesen Verszeilen Johann Jakob Thills auf einem Bronzerelief wollen der ehemalige Stadtrat Bruno Deißler, der Großheppacher Pfarrer Heinz Schnürle und der Bildhauer Karl Ulrich Nuss dem früh gestorbenen Dichter ein Denkmal setzen. Im Jahr 1772 infizierte sich der erst 24-jährige Großheppacher Pfarrvikar bei einem Krankenbesuch mit Typhus und fiel daraufhin ebenfalls der im Ort grassierenden Epidemie zum Opfer. Zu früh gestorben, um Berühmtheit zu erlangen, geriet er zunehmend in Vergessenheit.

 

Die Zeilen sind gut gewählt, bringen sie doch komprimiert zum Ausdruck, was Thill ausmachte: seine Leidenschaft für die Dichtkunst entgegen der Widerstände seiner Zeit. Denn dichtende Theologiestudenten waren nicht gern gesehen, vor allem nicht, wenn sie wie Thill auch Liebeslyrik verfassten. Streng griff man hier am Tübinger Stift, wo Thill vor seinem Vikariat studiert hat, durch und setzte Ertappte im Karzer unter Arrest. Zudem schrieb der Sohn des damaligen Großheppacher Pfarrers vaterländische Lieder für eine geeinte deutsche Nation – und das am Vorabend der Französischen Revolution.

Nur durch Zufall wurde Bruno Deißler auf den vergessenen Großheppacher aufmerksam. Bei einem seiner regelmäßigen Besuche im Marbacher Literaturarchiv stieß der Germanist auf Götz Eberhard Hübners Schrift über Thill mit dem Titel „Hölderlin an Thills Grab 1789 in Großheppach“. Das habe ihn aufhorchen lassen, erzählt Deißler. So forschte er weiter über Thill, den sich Friedrich Hölderlin bewundernd zum Vorbild genommen und dessen Werk selbst Friedrich Schiller Respekt gezollt hat.

Danach stand für ihn fest: „So ein großer Sohn Großheppachs darf nicht der Vergessenheit anheimfallen. Zumal er im Dienste der Gemeinde an Typhus gestorben ist.“ Doch seine Anregung noch zu seiner Zeit als Stadtrat, eine Straße, einen Platz oder das neue Kinderhaus im Ort nach Thill zu benennen, wurde von seinen Gremiumskollegen damals nicht aufgegriffen. Erst durch die Literaturtage Baden-Württemberg im vergangenen Jahr in Weinstadt ergab sich der entscheidende Kontakt: Ulrich Stolte, ein Redakteur dieser Zeitung, der zu Thill promoviert hat, war eingeladen über ihn einen Vortrag in der evangelischen Kirche in Großheppach zu halten. Seine Disseration sei es auch gewesen, die ihn in seinen Nachforschungen vorangebracht habe, berichtet Deißler.

Auf diese Weise wurde Pfarrer Schnürle auf Thill aufmerksam. „Weil er ja quasi in der Ausübung seines kirchlichen Dienstes gestorben ist, ist das auch für die Kirche ein Thema“, sagt Schnürle. Deißlers Anliegen Thill zu würdigen, stieß bei ihm auf offene Ohren. Es entstand die Idee, eine Gedenktafel an der Kirche anzubringen. Nachdem der Kirchengemeinderat dem zugestimmt hatte, war nur noch eine Frage offen: Wer gestaltet sie? Für Deißler und Schnürle kam da nur einer in Frage: Karl Ulrich Nuss. Zu ihrer Freude sagte er nicht nur zu, sondern bot an, die Arbeit zum Selbstkostenpreis zu fertigen. „Das ist aller Ehren wert“, meint Deißler. Damit bleiben für die beiden Initiatoren nur die Kosten für den Guss, an denen sich neben der Kirchengemeinde auch Stolte und weitere Spender beteiligen.

„Ich bin dann zügig darauf zugegangen“, sagt Nuss über die Gestaltung des Reliefs, das natürlich nicht nur die genannte Verszeile ziert sondern auch ein Bildnis Thills. Mehr möchte der Bildhauer indes nicht über sein Werk verraten. Man darf also gespannt sein, wie er Thill, von dessen tatsächlichen Aussehen es kein Porträt gibt, dargestellt hat. Anhand von dessen Gedichten und Stoltes Dissertation habe er sich ein Bild von ihm gemacht, erklärt Nuss.

Der Dichter

Leben Geboren worden ist Johann Jakob Thill 1747 in Stuttgart im Waisenhaus, wo sein Vater als Prediger tätig war, bevor er Pfarrer in Großheppach wurde. Thill durchlief zunächst die traditionellen Bildungseinrichtungen der evangelischen Landeskirche und nahm dann am Tübinger Stift ein Theologiestudium auf. Nach dem Examen und einem Zwischenvikariat fing er bei seinem Vater in Großheppach als Vikar an. 1772 starb Thill, nachdem er sich bei einem Krankenbesuch mit Typhus angesteckt hatte.

WerkSchon als Theologiestudent dichtete er. Neben Freundschafts- und Liebeslyrik schrieb er vaterländische Lieder, Dramen und stichelte gegen strenggläubige Pietisten. Hölderlin und seine Freunde nahmen sich Thill zum Vorbild. Während der Befreiungskriege gegen Napoleon nützten liberale und nationale Bewegungen seine Werke für propagandistische Zwecke.