Die beiden Kirchenchöre in Gerlingen proben seit zwei Jahren das Mendelssohn-Oratorium „Elias“. Die Aufführung ist Ende Oktober, das Kammerorchester ist ebenfalls dabei.

Gerlingen - B aal, erhöre uns!“ Der Ruf des Volkes schallt laut durch den Petrushof. Zuerst die Männer, dann die Frauen. „Wende dich zu unserem Opfer, Baal, erhöre uns!“ Sopran und Alt, Tenor und Bass im Wechsel – fast 100 Menschen. Der evangelische und der katholische Kirchenchor aus Gerlingen üben für das große Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Probenarbeit ist in der Endphase, die Aufführung Ende Oktober rückt näher. Ein großer Schritt für Beate Zimmermann am Dirigentenpult. Sie hat die Gesamtverantwortung und wird bei den Proben unterstützt von Hedwig Sonntag, die den katholischen Kirchenchor leitet. „Elias“ ist nicht ihr erstes gemeinsames Konzertprojekt.

 

Für Beate Zimmermann gehen mit der Probenarbeit und der Aufführung am 29. Oktober zwei Jahrzehnte mit „Elias“ zu Ende. So lange habe sie für die Entscheidung gebraucht, erzählt die agile und fröhliche Kantorin der Petrusgemeinde vor der Probe, sich an die Aufführung des Werks zu wagen. Den Anstoß habe eine Aufführung der Bach-Akademie mit Helmuth Rilling vor 20 Jahren gegeben. „Da habe ich für diese Musik Feuer gefangen“, erinnert sich die 58-Jährige; aber nicht nur für die fulminanten Chorsätze, die Rezitative und Arien und die Partien des Orchesters – sondern auch für den Text und das Thema dahinter.

Die Lebensgeschichte des Propheten

Mendelssohn Bartholdys Oratorium erzählt die dramatische Lebens- und Glaubensgeschichte des Propheten Elias, wie sie im Alten Testament aufgeschrieben ist. Er „erlebte Höhen und Tiefen, Gottesnähe und Gottesferne, ähnlich wie Luther“. So steht es im Flyer für die Aufführung, und ganz ähnlich beschreibt es Beate Zimmermann: „Elias ist ein starker Prophet, er ist aufgrund seines Glaubens zu allem fähig. Er hat eine Wandlung durchgemacht, so wie wir eine Wandlung durchmachen.“

Auch die Kantorin erlebte eine Wandlung: vom zweifelnden „schaffen wir das?“ bis zum Selbst-überzeugt-sein nach der Entscheidung „wir führen das auf“ im Frühjahr 2015. Das bricht sich in energischem Feilen an Passagen und motivierenden Worten Bahn. Der Auslöser, die Aufführung anzupacken, sei letztlich das Reformationsjahr 2017 gewesen.

Mit dem Werk will man auch zeigen, so der Flyertext, dass der Prophet Elias ein Reformator war, „so wie der Reformator Martin Luther auf seine Weise ein Prophet war“. Sie sei von Anfang an sehr unterstützt worden, sagt Zimmermann: von den Pfarrern und dem Kirchengemeinderat, vom eigenen Kirchenchor und dem der katholischen Gemeinde mit Hedwig Sonntag, vom städtischen Kammerorchester. Auch die positiven Reaktionen nach dem Aufführen der ersten Kostproben beim Neujahrsempfang und bei Gottesdiensten hätten sie bestärkt. „Elias“ ist in jüngster Zeit etliche Male in der Region aufgeführt worden. Wird das Oratorium bald zum Dauerbrenner, wie Bachs „Weihnachtsoratorium“? Das glaubt Beate Zimmermann nicht; es würden sich nur mehr Ensembles an das große Werk trauen, weil die Möglichkeiten für Sponsoring und Unterstützung bei den Kosten heute größer seien als früher.

Musikalische Ökumene ist normal

Die Zusammenarbeit der Kirchenchöre, die „musikalische Ökumene“, sei „etwas relativ Normales“, berichtet Hedwig Sonntag, und schon in den Siebzigerjahren mit der Krönungsmesse praktiziert worden. Es sei nicht anstrengender als normale Proben und die Atmosphäre „immer angenehm und erfreulich“. Animositäten gebe es nicht. Auch die Sänger finden sich wieder. Hans Böttiger vom Petrus-Chor übt auch daheim mit Partitur und CD. „Das Stück hat eine Aussage“, betont er, „ich stehe hinter dieser biblischen Geschichte.“ Heidi Kugler, seit 32 Jahren im katholischen Kirchenchor, empfindet das Oratorium als „tolles Erlebnis“. Am Anfang habe sie Sorge gehabt, ob es zu stemmen sei – „eine Herausforderung für alle“. „Elias“ ist auch eine Familienangelegenheit: ihr Mann und die Tochter singen mit.