Die evangelische Theologin Margot Käßmann ruft die Christen dazu auf, die „Logik der Welt des Mammon, des Marktes“ zu durchbrechen. Dann könne sich überraschend Neues entwickeln.

Stuttgart - Die zierliche Frau im schwarzen Kleid, die einst als EKD-Ratsvorsitzende Hoffnungsträgerin der Kirche war, zählt zu den theologischen Popstars auf dem Protestantentreffen. Als Margot Käßmann ihre Bibelarbeit beendet, gibt es lang anhaltenden Applaus, spenden viele in der fast gänzlich gefüllten Hanns-Martin-Schleyer-Halle Beifall im Stehen.

 

Kein Zweifel, Käßmann hat den Nerv des Publikums getroffen und den allermeisten Christen hier aus dem Herzen gesprochen. Geschickt würzt sie ihre Ausführungen mit Humor, spricht immer wieder tägliche Erfahrungen an und bedient antikapitalistische Reflexe, wenn sie etwa die gierigen Banken schilt.

„Geiz ist nicht geil“

Auch ihre flotten Sprüchen kommen gut an. So nennt Käßmann die Kreditauskunftsstelle Schufa, „NSA unseres Einkaufsverhaltens“. Sie sagt „Geiz ist nicht geil – auf keine Art und Weise“ und findet es „beknackt“, wenn vor der Tagesschau gemeldet werde, dass der Dax wiedermal eine bestimmte Marke geknackt habe. Besser wäre es ihrer Meinung nach, wenn dort täglich vermeldet würde, „wie viele Kinder heute in Deutschland geboren wurden, wie viele Flüchtlinge wir aufgenommen haben, wie viele Menschen geheiratet haben, wie viele junge Leute einen festen Anstellungsvertrag unterschreiben konnten“.

Insgesamt interpretiert die Pfarrerin die Geschichte vom untreuen Verwalter aus dem Lukas-Evangelium als Aufforderung, den Mut zum Systembruch, zur Regelverletzung, zu Visionen zu haben und nicht der Logik des Marktes zu folgen, sondern nach ethischen Maßstäben zu handeln.

Griechenland? Die Theologin ist für einen Schuldenschnitt

An einigen Beispielen macht die Theologin diese Maximen konkret: Dazu gehört für sie ein möglicher Schuldenerlass für Griechenland, dazu gehört der Verzicht auf eine Geldanlage bei Banken, die mit Nahrungsmitteln spekulieren oder gar in Atomwaffenproduzenten investieren. Und dazu gehöre ein Grundeinkommen, das Ärmeren eine gerechte Teilhabe ermögliche. Ihre Mahnung, sein Herz nicht an materielle Werte zu hängen, fällt auf fruchtbaren Boden. Die Lutherbotschafterin bestärkt so den Glauben, dass eine bessere Welt möglich ist.

Dazu braucht es allerdings mehr als nur guten Willen.