Bei einem gewalttätigen Streit zwischen fünf Asylbewerbern ist ein junger Türke ums Leben gekommen. Worum es bei der Auseinandersetzung ging, ist noch nicht klar: Die Ermittler kämpfen gegen Sprachbarrieren.

Kirchheim/Teck - Es schneit und ist kalt, aber viele Fenster des Asylbewerberheims in der Kirchheimer Charlottenstraße sind offen. Heraus schauen Menschen, die die Arbeit der Polizei verfolgen. Denn auf dem Spielplatz in der Mitte des Barackenkarrees ist kurz zuvor einer ihrer Nachbarn niedergestochen worden. Er hatte sich mit anderen Bewohnern heftig gestritten.

 

Der 22-jährige Türke starb am Donnerstagnachmittag kurz nach der Tat im Krankenhaus, ein 26-jähriger Algerier wurde schwer verletzt. Drei weitere Männer – ein 22-jähriger Türke, ein 19-jähriger Algerier und ein 21-jähriger Mann bisher ungeklärter Herkunft – erlitten leichte Verletzungen. Der 19-jährige Algerier ist nach Angaben der Polizei dringend verdächtig, dem 22-Jährigen mit einem Messer die tödlichen Verletzungen beigebracht zu haben. Er ist bereits in Haft und wurde vernommen.

Es sei um Taschengeld gegangen, vermuten Zeugen

Worum es bei dem Streit ging, hat die Polizei noch nicht in Erfahrung bringen können. „Die Ermittlungen gestalten sich schwierig, weil die Beteiligten und viele der Zeugen kein Deutsch sprechen“, sagt der Esslinger Polizeisprecher Matthias Bellmer. Gegen 13.50 Uhr aber, das wissen die Ermittler, entwickelte sich vor dem Verwaltungsgebäude eine handfeste Auseinandersetzung zwischen den Männern. Ein Bewohner erzählt, dort seien an diesem Tag Einkaufsgutscheine ausgegeben worden. Andere Zeugen vermuten, es sei bei dem Streit wohl um Taschengeld gegangen. Nach Fausthieben habe dann der 19-Jährige ein Küchenmesser gezogen.

Die Wohnverhältnisse sind beengt – das macht aggressiv

Das Heim war nach Auskunft des Landratsamts Esslingen bisher unauffällig, Gewalt habe nie große Probleme bereitet. Jawid Dorani lebt seit 15 Monaten in der Unterkunft. Er zuckt mit den Schultern als Antwort auf die Frage nach dem Grund für die Tat. „Die meisten hier haben psychische Probleme. Wir sind wie Gefangene.“ Der 18-jährige Ali bestätigt das. „Hier wohnen vier Leute in einem kleinen Zimmer. Einige sind seit Jahren hier und dürfen nicht arbeiten. Die werden krank.“ Der mutmaßliche Täter, sagt er, sei in letzter Zeit häufiger aggressiv gewesen. Privatsphäre gibt es dort nicht. Zwei Zimmer pro Wohnung, je kaum 14 Quadratmeter groß – in jedem davon leben vier Personen. „Im Gefängnis ist es besser“, sagt einer der Männer. „Da weiß man wenigstens, wann man wieder rauskommt.“ Peter Keck, der Sprecher des Landratsamts, widerspricht dem Vorwurf, die Kirchheimer Unterkunft sei überbelegt. Ausgelegt sei das Heim für 280 Personen, zurzeit lebten dort 263 Menschen. Die zur Verfügung gestellten Flächen entsprächen den Vorgaben des Landes.

Dass der Streit so eskaliert ist, drückt manchen Bewohnern auf die Stimmung. „Wir machen uns jetzt schon Sorgen“, gibt ein Zwölfjähriger zu, „ich hab eine kleine Schwester, die hat voll Angst.“ Wie so etwas passieren konnte, kann er sich nicht erklären. „Der Junge war immer nett“, sagt er über den mutmaßlichen Täter.

Eineinhalb Stunden nach der Tat schallt aus einem der Fenster laute Musik über den Innenhof. Dass der junge Mann gestorben ist, hat seinen knapp 300 Nachbarn bis dahin noch niemand gesagt.