Wegen eines Stimmen-Patts in der Regionalversammlung ist die Kommune kein Standort für Windräder geworden. Widerspruch dagegen ist möglich – aber teuer.

Kirchheim/Neckar - Man stelle sich Folgendes vor: in der Regionalversammlung wäre vergangene Woche der Antrag gestellt worden, „den Standort Kirchheim/Neckar als Vorranggebiet für Windkraftanlage aus dem Regionalplan zu streichen“. Dann nämlich wäre die Gemeinde im Norden des Landkreises jetzt ein Windkraftstandort. Doch ausgerechnet die umgekehrte Antragstellung wurde der dortigen Windkraft-Initiative zum Verhängnis: mit 40 zu 40 Stimmen wurde der Antrag beschieden. Verwaltungsrechtlich gilt er damit als abgelehnt.

 

Der Kirchheimer Bürgermeister Uwe Seibold ist immer noch fassungslos: „Anschaulicher kann man die Zerrissenheit eines politischen Gremiums nicht darstellen“, sagt der kürzlich wiedergewählte Rathauschef. Am Ende habe leider „die Politik über die Sachargumente gesiegt“, sagt Seibold. Der Standort in Richtung Lauffen (Kreis Heilbronn) sei wohl einer der unproblematischsten in der ganzen Region. „Ich weiß immer noch nicht, warum da kein Windrad stehen darf.“ Die Frage sei nun: Muss man das hinnehmen?

Das Schreckenswort heißt „Zielabweichungsverfahren“

Eine mögliche Antwort darauf hat der OB von Vaihingen/Enz gegeben. In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats kam Gerd Maisch gut 40 Minuten zu spät, weil er in der Regionalversammlung sitzt. Er berichtete, dass auch der Windkraft-Standort im Fleckenwald bei Ensingen mit großer Mehrheit abgelehnt wurde. „Es wäre sehr theoretisch möglich, einen Standort jetzt noch durchzusetzen“, sagte Maisch, „aber in der Praxis nicht.“

Das Schreckenswort heißt „Zielabweichungsverfahren“. Anders als ein Widerspruch, etwa gegen einen kommunalen Bebauungsplan, ist ein solches Verfahren gegen Beschlüsse der Region mit hohen Hürden verbunden. Wer einen Antrag beim Regierungspräsidium Stuttgart (RP) stellt, muss in Vorleistung gehen. Bezogen auf die Windkraft heißt das: Es muss – quasi in Kurzform – ein Großteil des eigentlich erst später anstehenden Genehmigungsverfahrens vorweggenommen werden. Allerdings mit völlig offenem Ausgang.

Dass eine Stimme fehlte, ist besonders ärgerlich

Mit einem immissionsschutzrechtlichen Verfahren müssen nämlich gutachterlich Hinderungsgründe für ein Windrad untersucht (und widerlegt) werden. Zudem vermuten Insider, dass das RP Windkraft-Beschlüsse der Regionalversammlung wohlwollend behandelt. Immerhin hatte das Land die Region bei einzelnen Themen rechtlich lange Zeit in der Luft hängen lassen – und die oberste Rechtsaufsicht über den Regionalplan hat das Landesministerium für Verkehr- und Infrastruktur selbst.

Umso ärgerlicher ist es für die Kirchheimer Initiative, dass für ihr Projekt nur eine einzige Stimme zur Mehrheit gefehlt hat. Ein Zielabweichungsverfahren werde – trotz allem – erwogen, sagt der Sprecher Rolf Riecker: „Es ist schwer, aber nicht aussichtslos.“ Ärgerlich findet er, dass das Engagement an der Basis für die Energiewende mit solchen Beschlüssen konterkariert werde. In Kirchheim sei die Initiative schon mit mehreren 1000 Euro „aus der Privatschatulle“ in Vorleistung gegangen, sagt Rolf Riecker. Jetzt hoffe er, dass „die Kosten für das Verfahren nicht ins Sechsstellige wachsen – denn sonst wird’s wirklich kritisch“.