Der Hollywood-Star Kirk Douglas, Inbegriff kantiger Männlichkeit, wird hundert Jahre alt. Er war kaum zu bändigen für Regisseur und Produzenten, weil er Hollywoods klare Grenze zwischen konstruktiven Helden und destruktiven Bösewichten auflöste.

Stuttgart - Markante Männergesicher waren im alten Hollywood die Regel. Um voranzukommen, brauchte ein Neuling schon ein ganz besonders smartes, strenges, gütiges oder kantiges Antlitz. Die Traumfabrik lieferte auch solche Ausnahmehelden in solider Regelmäßigkeit: Bezwingernaturen, an deren Lächeln sich der Zahnarzt den Bohrer abbrechen konnte, auf Heldentaten abonnierte Athletikhallodris, deren Oberkörper das Innenleben einer besonders straff gehaltenen Sprungfedermatratze zu bergen schien, adrenalinberauschte Raufbolde, deren soziales Leben nur aus dem rasch belohnten Warten bestand, wann der nächste Unglückliche sie reizen würde.

 

Aber selbst aus dieser Elite ragt einer heraus, dessen Energie etwas physisch Bedrängendes hat, dem das starke Kinn wie eine geballte Faust unten aus dem Gesicht wächst, als Drohung an Gott, Welt und Ordnungsmächte: „Kommt nur her, ich nehme es mit euch allen auf!“ Dieser Kirk Douglas wirkt mit seiner körperlich spürbaren Aggressivität in manchen Dutzendfilmchen fast gruselig deplatziert, wie Nitroglyzerin in einem Cocktail-Shaker, akut bereit, alles auseinanderzusprengen.

Wut und Tatkraft

Kirk Douglas war kaum zu bändigen für Regisseur und Produzenten, weil er Hollywoods klare Grenze zwischen konstruktiven Helden und destruktiven Bösewichten auflöste. Er bot enorm moderne, ambivalente Figuren, bevor die Filmindustrie nach ihnen zu fragen wagte. Aber er war mit seiner hochspannungselektrischen Aufladung an Wut, Tatkraft, Widerborstigkeit und Dreistigkeit auch eine Ressource, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen konnte.

Die Gier seiner Figuren, sich durchzusetzen, hat nichts von Karriereplanung, sondern vom wilden Zerren eines Tieres, das aus einer Falle zurück in die Freiheit will. Wenn man einem aus seiner Generation den extremen Aufrecht-bis-zuletzt-Gedanken „Ich werde Euch alle überleben!“ zutrauen durfte, dann Kirk Douglas. Und, was will man da noch sagen, der am 9. Dezember 1916 Geborene ist schon weit gekommen mit diesem Projekt, er feiert nun seinen hundertsten Geburtstag.

Die ganz großen Rollen

In der Öffentlichkeit zeigt er sich seit einigen Jahren nicht mehr, er nutzt auch eine Gehhilfe, aber sein Sohn Michael und seine Schwiegertochter Catherine Zeta-Jones, beide selbst Filmgrößen, zerstreuen die Vorstellung, der alte Herr krauche wohl durch seine letzten Tage. Putzmunter sei er, heißt es, er brause förmlich mit dem Rollator durchs Haus.

In Erinnerung geblieben sind von seinem über achtzig Rollen umfassenden Schaffen vor allem jene Werke, die aus sich heraus zum Filmkunstkanon gehören, die auch heutigen Augen offensiv kritisch oder hintersinnig subversiv erscheinen. Das wären „Ace in the Hole – Reporter des Satans“ von Billy Wilder aus dem Jahr 1951, der erste voll bewusste Einsatz von Douglas’ charismatisch-unsympathischer Zwiespältigkeit: Er spielt hier einen Sensationsreporter, der menschliches Leid als Karrieretreibstoff nutzt – und der, als ihn doch Skrupel bremsen, die Selbstläufergewalt seiner Manipulationen zu spüren bekommt.

Ebenso viel Respekt genießt nach wie vor „Paths of Glory – Wege zum Ruhm“ aus dem Jahr 1957, Stanley Kubricks Abrechnung mit Kriegspathos und Geschichtsklitterung. Douglas verkörpert einen französischen Linienoffizier, der vergeblich die Exekution einiger zufällig ausgewählter Untergebener verhindern will, die stellvertretend für ihre angeblich feigen, Befehle verweigernden Kameraden sterben sollen. Das ist aber nur eine zynische Scharade, die dazu dient, das Brachialversagen der von Eitelkeit und Karrierismus zu einer desaströsen Attacke verführten Generäle zu vertuschen.

Unbeugsamer Gladiator

Noch präsenter dürfte der ebenfalls von Stanley Kubrick inszenierte „Spartacus“ von 1960 sein, der den einen schlicht als wuchtigster, großartigster aller Sandalenfilme gilt, den anderen aber als in ihrer ganzen Mehrdeutigkeit erst spät erkannte Elitenschelte und Werteprüfung. Douglas spielt den historisch verbürgten Anführer eines Sklavenaufstands, den unbeugsamen Gladiatoren-Champion, der nicht seinesgleichen, sondern die Unterdrücker bekämpfen will

Nicht Kubrick hat damals Douglas ausgesucht, sondern Douglas das zwölf Jahre jüngere Regietalent. Douglas war einer der Produzenten und selbst im vollem Sklavenaufstandsmodus, bereit, es einem von der Zeit überholten Hollywood-Establishment zu zeigen. Douglas wollte – und bekam – Dalton Trumbo als Drehbuchautor, einen Gebannten, den McCarthys Kommunistenjäger aus dem Filmgeschäft gedrängt hatten und der als Autor nur überleben konnte, weil ihm weiter heimlich Arbeiten zugeschanzt wurden, weil er unter fremden Namen schrieb. Douglas machte Schluss mit dieser erbärmlichen Heuchelei – und damit auch mit jener brandmiefartig hängen gebliebenen Angst vor allen Vorwürfen linker Gesinnung, die das offene Regiment der aggressiv reaktionären Gesinnungswächter im Nachkriegs-Hollywood um einiges überdauert hatte.

Die offene Rechnung mit dem System

Kirk Douglas hatte eine eigene offene Rechnung mit dem zur Selbstgratulaton neigenden amerikanischen System angeblicher Freiheit und Chancengleichheit. Aufgewachsen war er als Issidur Danielovitch in der Industriestadt Amsterdam im Bundesstaat New York, der einzige Junge unter den sieben Kindern armer russisch-jüdischer Einwanderer. In seiner Autobiografie „The Ragman’s Son“, auf deutsch „Weg zum Ruhm betitelt“, schildert er die ständigen Erniedrigungen als Jude unter christlichen Amerikanern – von der täglichen Prügelangst auf dem Schulweg, der durch ein Kinderbandenrevier nach dem anderen führte, über Bildungsanstalten, die sich weigerten Juden aufzunehmen, und Fabriken, die keine jüdischen Arbeiter einstellten, bis hin zu den feinen Golfclubs von Los Angeles, die ebenfalls keine Juden akzeptierten. Weil man Kirk Douglas das angeblich doch so unversteckbare Jüdischsein nicht ansah, wurde er immer wieder zum Empfänger komplizenhaft geäußerter Lästereien über Juden – gerade auch aus dem Mund liberaler Menschen.

Den wahren Kino-Douglas, in dem eine Wut und Rücksichtslosigkeit brennen, die nicht immer die Weltverbesserung als Ziel haben, sondern das eigene Durchsetzen, bekommt man am klarsten in weniger präsenten Filmen zu sehen, im modernen Westdrama „Lonely Are the Brave – Einsam sind die Tapferen“ (1962) etwa, seinem persönlichen Lieblingsfilm, oder in „The Indian Fighter“ (1955), wo durch einen Trekführer die Grenze rau maskulinen Werbens zur Vergewaltigung klar überschritten wird.

Ein Vigilant im Westen

John Sturges Western „Last Train from Gun Hill“ (1959) zeigt prägnant, wie sich mit Douglas Klischees sprengen ließen, wie mit ihm Grenzüberschreitungen möglich waren, die bei Kollegen wie Gregory Peck oder Gary Cooper befremdlicher gewirkt hätten. Douglas spielt hier einen US-Marshal, dessen indianische Frau von ein paar Cowboys vergewaltigt und ermordet wird. Der Schwiegervater bittet den Gesetzeshüter um den Gesetzesbruch, darum, die Schuldigen „auf Indianerart zu töten“, also quälend langsam.

Im normalen Western jener Tage wäre jetzt die staatstragende Rede des Marshals fällig, man müsse sich an Recht und Gesetz halten, müsse die Verdächtigen verhaften, einem Richter vorführen und ein ordentliches Verfahren garantieren. Der Marshal schlägt dem alten Indianer seine Bitte zunächst durchaus ab. Doch dem Nein folgt der von Hass zwischen den Zähnen hervorgedrückte Satz: „Ich werde sie umbringen – aber auf meine ganz eigene Art“. Die Recht und Ordnungsphrasen braver Western werden in Vigilantenjustiz und Vendetta überführt, es bleibt kein Zweifel, welche Kräfte in solch einem Traumraum wie dem jeder Kontrolle entzogenen Wilden Westen wirklich zum Tragen kämen.

Douglas hat auf der Leinwand jede Menge Siegertypen porträtiert, bei denen einem unwohl wird. In der Realität aber hat er mit seiner bislang letzten großen Wortmeldung vor so einem Typen gewarnt. Donald Trumps Wahlkampfreden, ließ Douglas im US-Wahlkampf verlauten, erinnerten durchaus an jene Adolf Hitlers. Und Douglas kennt Hitlers Aufstieg nicht nur aus dem Geschichtsbuch.