Sizilianische Historie, Mafiageschäfte, Weinbaukunde – es steckt viel drin in Kirsten Wulfs Apulien-Krimi „Vino mortale“. Trotzdem wird dies keine herbe Erkundung realer Kriminalität, sondern harmlose Urlaubslektüre.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Wer beim Italiener gerne die Weinkarte aufmerksam studiert, der wird in den vergangenen Jahren vermehrt Weine aus den Trauben Primitivo, Negroamaro und Nero d’Avola registriert haben. Während der Primitivo im Rest der Welt als Zinfandel bekannt ist, aus Kroatien stammt und es bis nach Kalifornien geschafft hat, sind Negroamaro und Nero d’Avola vor allem im süditalienischen Apulien, dem Absatz des italienischen Stiefels, zuhause. In den vergangenen Jahrzehnten diente die dortige Produktion vor allem als Verschnittwein. Das ist inzwischen anders - was die apulischen und auch sizilischen Winzer kreieren, kann sich absolut sehen und vor allem trinken lassen. Kräftig, ehrlich, mit Kanten, aber nicht sperrig sind die Weine.

 

Dieses neu erwachte Selbstbewusstsein der süditalienischen Weinbauern hat Kirsten Wulf jüngster Apulien-Krimi „Vino mortale“ zum Thema. Da marodiert ein französischer Weinkritiker durch die Gehöfte und nörgelt so penetrant an den kredenzten Weinen herum, dass er am nächsten Morgen tot im Keller liegt – regelrecht hingerichtet mit einem Säbel.

Heißsporn mit Filmriss

Dringend tatverdächtig ist der Antiquitätenhändler Gigi, der beste Freund von Commissario Cozzoli – der apulische Heißsporn hat einen Filmriss, zwischen den Kissen des Sofas, auf dem der seinen Rausch ausgeschlafen hatte, wird zudem die Tatwaffe gefunden. Gigi ist zugleich der Onkel von Elena von Eschenburg, Hamburger Journalistin mit italienischen Wurzeln, die sich gerade nach soeben vollzogener Trennung in Apulien häuslich einrichtet.

Und so sind die temperamentvolle Elena und ihr brummiger Commissario erneut gemeinsam unterwegs – zwischenmenschliches Prickeln eingeschlossen. Bald wird klar, dass hinter dem Mord mehr steckt als verletzte, süditalienische Ehre. Und schließlich darf Commissario Cozzoli auch seine alten Kontakte aus seiner Zeit als Mafiajäger nutzen.

Reicher Norden, armer Süden

Wie Kirsten Wulf am Ende schreibt, liegt dem Buch ein realer Vorfall zugrunde – der Protest süditalienischer Bauern gegen den spekulativen Preisverfall für ihre Trauben im Jahr 1957, der mit dem Tod dreier Menschen endete, erschossen von der Polizei. Tatsächlich hat auch die Geschichte vom reichen, industrialisierten Norden und dem armen, rückständigen Süden Italiens zwei Seiten – die andere handelt von der Ausbeutung billiger Arbeitskräfte und günstiger Rohstoffe – der inneritalienische Nord-Süd-Konflikt sozusagen.

Ein noch viel aktuelleres Thema von unterschätzter Tragweite ist die illegale Entsorgung von Giftmüll durch die Mafia – ein seit Jahren währender Skandal und der zweite große Strang in Kirsten Wulfs Krimi.

Schmerzlos in den Urlaub

Die Autorin nimmt sich also zweier spannender und aktueller Themen an – so recht zünden will der Krimi aber gleichwohl nicht. In den gut 360 Seiten steckt wohl von allem ein bisschen, aber nie genug. Ein bisschen Historie, ein wenig Verrat, die in Italienkrimis obligatorische Portion Mafia, dann noch das Zwischenmenschliche zwischen den Protagonisten, das ja in einer Krimireihe ebenfalls vorangetrieben sein will: Alles streift Kirsten Wulf, ohne es wirklich zu vertiefen. Und so bleibt ein flüssig geschriebener, unterhaltsamer Urlaubskrimi, der nicht weh tut.

Kirsten Wulf: „Vino mortale“. Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. 368 Seiten, 9,99 Euro. Auch als E-Book, 9,99 Euro.