Im Tarifstreit des Sozial- und Erziehungsdienstes hat Verdi wohl zu hohe Erwartungen bei den Streikenden geweckt. Jetzt sind die Enttäuschungen groß, weil der Schlichterspruch nicht die erhoffte Aufwertung für alle bringt, kommentiert der StZ-Redakteur Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Nun stehen die Gewerkschaftsführer ziemlich düpiert da. Die mit dem Schlichterspruch unzufriedenen Verdi-Funktionäre aus den Streikbetrieben haben ihnen das Heft des Handelns entrissen. Stattdessen sollen erst die Mitglieder ihr Urteil fällen. Verdi-Chef Bsirske, der sich jüngst noch über die große Mobilisierung gefreut hatte, muss also abwarten, wie die mit hohen Erwartungen aufgeladene und sich verselbstständigende Basis für ihn entscheidet. Mitgliederbefragungen sind bei Verdi zwar üblich, doch nie waren sie so ausschlaggebend wie jetzt. Bemerkenswert ist, dass die Schlichtungskommission fast einstimmig für die Empfehlung votiert hatte, eng abgestimmt mit den Gewerkschaftsspitzen. Nun wurden die Pragmatiker von den Betriebsvertretern überstimmt.

 

Die kommunalen Arbeitgeber zeigen sich offenkundig unter Druck bereit, die Sozial- und Erziehungsberufe aufzuwerten. Dass sie in dieser brisanten Situation nicht weiter nachgeben, ist strategisch betrachtet völlig logisch. Was, wenn die emotionalisierte Mitgliederbasis den Schlichterspruch ablehnt? Mehr herauszuholen würde Verdi große Mühen kosten – einen neuen Streikanlauf inklusive. Dass dieser dann zum Erfolg führt, wäre nicht ausgemacht. So könnte eine im Kern nachvollziehbare und zunächst auch erfolgreiche Kampagne doch noch stecken bleiben.