Von dem neuen Granatgewehr XM 25 versprach sich die US-Armee Vorteile im Kampf. Doch das Projekt stockt. Heckler & Koch war als Lieferant mit an Bord - und landet in den USA nun vor Gericht.

Oberndorf - Was todbringender militärischer Hightech sein soll, verschwindet wohl als unrealisierbarer Plan in der Schublade: Zwölf Jahre nach Projektstart ist die Auslieferung des Granatgewehrs XM 25 nicht in Sicht. Ein Grund: Es fehlt die Abschuss-Vorrichtung, welche die schwäbische Waffenschmiede Heckler & Koch (H&K) an den Projektentwickler, den US-Rüstungskonzern Orbital ATK, schicken soll. H&K verweigert die Lieferung, und so hat ATK bei einem Gericht im US-Bundesstaat Minnesota Klage eingereicht gegen die deutsche Firma.

 

Der Vorwurf: Vertragsbruch. ATK fordert 23 Millionen Euro Schadenersatz sowie die Herausgabe von Urheberrechten für die Mechanik. Nun meldet sich Heckler & Koch zu Wort: Aus völkerrechtlichen Bedenken könne das Unternehmen nicht liefern.

Die Vorwürfe gegen die Waffenschmiede in der Klageschrift haben es in sich. H&K habe „versagt“, empört sich ATK. Die deutsche Firma weigere sich als Subunternehmer, Leistung zu erbringen - obgleich sie 33 Millionen Euro für die Entwicklung der Bauteile bekommen habe. Die Abschuss-Mechanik für erste Testversionen des Granatgewehrs hat H&K in den vergangenen Jahren bereits geliefert - nun werden in den USA Teile für weitere Prototypen erwartet.

Hohe Erwartungen in der Militärszene

XM 25 war einst mit hohen Erwartungen verbunden in der Militärszene. Munition und Zielvorrichtung kommen aus US-Produktion, nur die Abschussmechanik ist von Heckler & Koch. Das Gewehr soll quasi um die Ecke schießen: Nach einer Lasermessung wird festgelegt, nach wie viel Metern Schussbahn die Granate in der Luft explodiert - die Splitter fliegen dann auch nach unten, um in Deckung gegangene Gegner zu treffen.

Wichtig hierbei aus der Völkerrechts-Brille: Der Gegner wird nicht direkt beschossen, vielmehr detoniert die Granate oberhalb des Menschen und nicht in seinem Körper. Das nämlich ist laut einer Völkerrechts-Konvention von 1868 verboten - die Sankt Petersburger Konvention ist zwar uralt, aber noch gültig. Der Regel zufolge dürfen Granaten absichtlich nur auf eine Stelle neben einem Menschen, auf ein Haus, ein Fahrzeug oder andere Dinge geschossen werden - und nicht auf einen Menschen selbst.

Genau das aber könnte mit dem Granatgewehr geschehen. Um so einen Völkerrechtsbruch auszuschließen, will Heckler & Koch von der US-Armee eine Selbstverpflichtungserklärung zur Einhaltung des Völkerrechts haben. Die aber kommt nicht - und so hält die Firma die Lieferung der schon bereitliegenden Bauteile zurück.

So verfahren ist die Situation

Die Situation sei verfahren, sagt H&K-Chef Norbert Scheuch. Die USA haben die Völkerrechtsregel zur Explosionsmunition nicht unterschrieben - und wollten daher auch nicht die Selbstverpflichtung abgeben. Die Regel sei zwar auch für die USA „allgemein anerkanntes Gewohnheitsrecht“ geworden, aber Scheuch will das schwarz auf weiß haben. „Ich brauche Rechtssicherheit zur Lieferung - die habe ich derzeit nicht“, sagt der Manager. „Es ist nicht so, dass wir nicht liefern wollen, sondern wir können nicht liefern.“

Das Vorgehen verwundert den Waffenexperten Wolf-Christian Paes vom Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC). „Selbstverpflichtungserklärungen von Staaten bei Waffenlieferungen sind zwar durchaus üblich“, sagt Paes. „Aber Heckler & Koch dürfte nicht erst jetzt aufgefallen sein, dass die USA einer 150 Jahre alten Völkerrechtsregel noch nicht beigetreten sind.“ Möglicherweise suche H&K einen Vorwand, um auszusteigen aus dem ohnehin angeschlagenen Entwicklungsprojekt. „Die Firma zeigt inzwischen nach außen hin mehr Sensibilität, wenn es um die Einhaltung von Recht geht - früher war man nicht so zurückhaltend.“

Wie geht der Rechtsstreit aus?

Die Selbstverpflichtungserklärung des US-Verteidigungsministeriums werde sehr wahrscheinlich nicht kommen, sagt der Waffenexperte. „Es gehört zum Selbstverständnis der USA, sich keine unnötigen Beschränkungen aufzuerlegen.“ Auch das völkerrechtliche Verbot von Landminen hätten die Vereinigten Staaten nicht unterschrieben - obgleich sie gegen Landminen seien und viel Geld ausgäben zur Bergung der Sprengfallen in Konfliktregionen, etwa in Afrika.

Der US-Kläger Orbital ATK hält von der H&K-Argumentation rein gar nichts. „H&K sucht nach Entschuldigungen für seine Nichtleistung“, schreibt Orbital ATK in der Klageschrift. In den vergangenen Jahren habe die Firma doch bereits Bauteile für Prototypen geliefert, nun werde „ganz plötzlich“ mit Verweis auf die Petersburger Völkerrechtskonvention argumentiert. Eine in Frankfurt ansässige Anwaltskanzlei habe die Sache im Auftrag von Orbital ATK analysiert - sie sei zum Schluss gekommen, dass kein Recht gebrochen würde „und dass H&K keine Haftung droht“ bei Lieferung. H&K wiederum verweist auf andere anwaltliche Schreiben mit genau dem gegenteiligen Schluss.

Egal wie der Rechtsstreit ausgeht - die Chancen sinken, dass die angebliche Hightech-Waffe XM 25 fertig entwickelt und jemals richtig zum Einsatz kommt. Wegen exorbitanter Kostensteigerungen des Projekts, das für die US-Armee entwickelt wird, bekam 2016 das US-Verteidigungsministerium Bedenken. Der Generalinspekteur der Behörde stellte dem Projekt ein schlechtes Zeugnis aus - und deutete an, dass man es doch am besten ganz einstampfen sollte.