Der Vorsitzende der Naturschutzorganisation BUND Backnang, Andreas Brunold, und Vertreter der Stadt treffen sich am Montag vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Brunold klagt gegen ein angeblich widerrechtlich gebautes Wohn- und Geschäftshaus.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Formal geht es bei der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart am kommenden Montag, 9. Mai, um baurechtliche Regelungen. Beantwortet werden muss aber auch diese Frage: Dürfen sich Dritte auf Vorschriften des Wasserrechts zum Hochwasserschutz berufen? Der Backnanger Andreas Brunold wehrt sich gegen den längst fertiggestellten Bau eines Wohn- und Geschäftshauses an der Murr (wir berichteten). Dieses Gebäude, sagt Brunold, sei widerrechtlich errichtet worden, denn es stehe auf einem Areal, das laut dem neuen Wasserrecht nicht komplett bebaut werden dürfe.

 

370 Kubikmeter Retentionsraum verbaut

Nach Einschätzung des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart sind wegen des Gebäudes in der Tat rund 370 Kubikmeter Retentionsraum verloren gegangen. Weit reichende Maßnahmen, etwa ein Abriss des Hauses, „wären aber unverhältnismäßig“, so das RP auf Anfrage. Zudem sei an der Murr der Bau mehrerer Rückhaltebecken geplant, diese machten die Backnanger Innenstadt weitgehend „hochwassersicher“. Die Frage des verlorenen Retentionsraums habe sich dann „auf der fachlichen Seite in Zukunft erledigt“, so die Aufsichtsbehörde.

Die Angelegenheit ist auch deshalb kompliziert, weil die Stadt Backnang die Genehmigung für den Neubau des Hauses am Murrufer erlassen hatte, als noch das alte Wasserrecht galt. Als die Bauarbeiten dann aber begannen, war bereits das verschärfte neue Gesetz in Kraft, das seit Dezember 2013 gilt. Durfte sich der Bauherr auf die Genehmigung verlassen? Darüber streiten Brunold, der auch Vorsitzender des BUND in Backnang ist, die Stadt, das Landratsamt und das Regierungspräsidium. Die Stadt Backnang ist der Ansicht, dass eine Baugenehmigung ein „amtliches Versprechen“ ist. Das hat der Leiter des Baurechtsamts, Helmut Wagner, bereits zu Beginn des Streits gesagt. Ein Sprecher der Stadt hat jetzt erklärt, dass man die Sache nach wie vor so sehe.

Das Landratsamt erklärt auf Anfrage hingegen, dass die erforderliche wasserrechtliche Genehmigung für den Bau „bis heute nicht vorliegt“, deshalb bestehe „nach wie vor ein rechtlicher Missstand“. Das RP habe den Vorgang geprüft und sich zusammen mit dem Landratsamt um eine einvernehmliche Lösung mit der Stadt bemüht. „Dies ist leider nicht gelungen“, so das Landratsamt weiter.

Darf der nicht betroffene Privatmann überhaupt klagen?

Jetzt also geht es vor dem Kadi um diese von der Stadt Backnang erteilte Baugenehmigung und zunächst auch um die Frage, ob Brunold sich dagegen überhaupt wehren darf. Unmittelbar betroffen ist er ja nicht. Man muss indes kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das Treffen vor dem Verwaltungsgericht kaum die letzte Auseinandersetzung zwischen dem streitbaren Mann und dem BUND auf der einen Seite sowie der Stadt Backnang, beziehungsweise dem Wasserverband Murrtal auf der anderen Seite sein dürfte. In diesem Verband haben sich Backnang, Murrhardt, Sulzbach und Oppenweiler zusammengeschlossen, die Kommunen haben sich zum Ziel gesetzt, Baumaßnahmen gegen ein sogenanntes hundertjähriges Hochwasser umsetzten.

Der BUND kritisiert zurzeit mehrere angeblich Missstände, die der Wasserverband zu verantworten habe. Am Murrufer zwischen Murrhardt und Backnang seien in den vergangenen Jahren mehrere Flächen rechtswidrig versiegelt worden, behauptet Brunold, zum Beispiel auf Sulzbacher Markung, wo „rechtswidrig“ Parkplätze eingedeicht worden sein.