Vor 30 Jahren veröffentlichte Larry McMurtry sein großartiges Westernepos „Lonesome Dove“. In Deutschland erschien das Buch unter dem Titel „Weg in die Wildnis“, und ist schon lange vergriffen. Was für ein Jammer!

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Wie kann man nur so ein Cover machen? Wir sehen: Anjelica Huston und Tommy Lee Jones an einem weißen Zaun stehen, mürrisch-abweisend blicken sie sich in die Augen, mürrisch-abweisend kommt drum auch rein äußerlich das Buch daher. Dabei verbirgt sich dahinter einer der großartigsten Western, den man sich vorstellen kann. Larry McMurtrys vor 30 Jahren erschienener, pulitzerpreisgekrönter Roman „Lonesome Dove“ erzählt die Geschichte der beiden ehemaligen Texas-Ranger Augustus McCrae und Woodrow F. Call, die aus einer Laune heraus ihre Farm an der mexikanischen Grenze aufgeben, um Viehzüchter in Montana zu werden. „Weg in die Wildnis“, so der deutsche Buchtitel, ist die Geschichte eines lebensgefährlichen Viehtriebes, in dessen Mittelpunkt die beiden alten Haudegen wie Felsen in der Brandung stehen.

 

Raubzüge als Unterhaltungsprogramm

Alles beginnt in der brütenden Hitze von Texas, in dem gottverlassenen, nach einer einsamen Taube benannten Kaff. Gus McCrae und Captain Call ist langweilig. Die Schurken in der Gegend haben sie längst beseitigt, Abwechslung bringen neben einem bisschen Whisky nur gelegentliche Raubzüge ins benachbarte Mexiko, wo sie einem gefürchteten Großgrundbesitzer Rinder und Pferde abnehmen. Doch der Mann stirbt und so kommen sie auf den Floh zurück, den ihnen ein alter Gefährte ins Ohr gesetzt hat: ab nach Montana.

So groß und weit das Panorama in dieser Landschaft ist, so groß und weit ist das Tableau, das der ausgewiesene Western-Kenner McMurtry entwirft. Er führt die unterschiedlichsten Charaktere ein, zeichnet sie scharf und treffend, gibt ihnen Gesichter und Stimmen. Er entwirft Handlungsstränge, die er kunstvoll zusammenführt und die nicht selten tragisch enden. Und er führt mit dem Indianer Blue Duck einen der übelsten Schurken des Genres ein.

Mit anderen Worten: Larry McMurtry nimmt sich allen Raum, den er für sein Epos braucht. Und er fesselt seine Leser von der ersten bis zur letzten Seite.

Stillvergnügtes Grinsen

PS: Was ist nun besser? Das Buch zum Film oder der Film zum Buch? Schwer zu sagen. Während der 700-Seiten-Roman mehr Platz für Details und eine noch ausgreifendere Handlung hat, glänzt der TV-Vierteiler mit einer brillanten Besetzungsliste. Allen voran Robert Duvall, dessen stillvergnügtes Grinsen beim Schuss über eine große Distanz man wieder und wieder sehen mag.

Larry McMurtry: „Weg in die Wildnis“. Goldmann Taschenbuch, München 1990. 734 Seiten. Derzeit nur antiquarisch erhältlich.