Im Kloster Schöntal sagt die Landespartei der Bundesvorsitzenden „vorbehaltlose“ Unterstützung zu – Harter Kurs in der Asyl- und Sicherheitspolitik.

Schöntal - Die Parteivorsitzende nimmt die Treppe. Vorbei an ernst blickenden Zisterzienser-Äbten, die von lebensgroßen Gemälden auf sie herabblicken, erklimmt Angela Merkel die Tagungsräume des Klosters Schöntal. Sie ist zum ersten Mal an diesem idyllischen Ort, den Baden-Württembergs CDU-Spitze traditionell als Rahmen wählt, um einmal im Jahr über Grundsätzliches zu diskutieren. Auch an diesem bitterkalten Januarsamstag – die Jagst ist zugefroren – hat sich hier alles versammelt, was in der Landespartei Rang und Namen hat.

 

Wäre Merkel vor einem Jahr gekommen, hätte ihr Besuch leicht zum Bußgang werden können – auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle und lange, bevor die Balkanroute dicht war: Die Partei war in Aufruhr. Doch jetzt signalisiert minutenlanges rhythmisches Klatschen, als sie den Saal betritt, dass in der Zwischenzeit einiges passiert ist. Fast zwei Stunden lang steht sie, nachdem die Türen geschlossen sind, den 130 Abgeordneten und Funktionären Rede und Antwort. Die Tour d’ Horizon durch die Weltpolitik, so berichten Teilnehmer, war ebenso enthalten wie eine verbale Verneigung vor dem Landesverband, der bei der letzten Bundestagswahl mit 46 Prozent das deutschlandweit beste Ergebnis geholt hat. Und der im Frühjahr 2016 dann mit 27 Prozent so bitter abgestraft wurde.

Unterschiede zur CSU

Doch davon redet jetzt niemand mehr. Immer wieder dringt Applaus aus dem Saal, eine „freundschaftliche Debatte“ sei es gewesen, sagt Merkel anschließend, und ihr Stellvertreter im Bundesvorsitz, CDU-Landeschef Thomas Strobl frohlockt: „Zum Jahresbeginn scheint für die CDU die Sonne.“ Die Landespartei begleite Merkel nicht nur auf ihrem Weg zu einer neuen Kanzlerschaft, nein, man werde sie „vorbehaltlos unterstützen“. Harmonie ist angesagt im Superwahljahr 2017, die Umfragewerte sind bei 38 Prozent einigermaßen stabil, und die CDU-Bundesvorsitzende will sogar glauben machen, dass sie mit der CSU wieder ins Reine kommt – trotz des Streits über eine Flüchtlingsobergrenze: „Wir sind auf einem guten Weg, dass CDU und CSU in den wichtigen Fragen gemeinsame Positionen haben oder vielleicht finden werden“, sagt Merkel vor der Presse. Auch ein gemeinsames Wahlprogramm hält sie für erreichbar. Wo es Unterschiede gebe, müsse man eben damit leben können.

Draußen im Flur vertreten sich derweil Steffen Bilger und Thomas Bareiss die Beine, die Bezirkschefs der nord- und der südwürttembergische CDU. Sie gehörten anfangs zu den schärfsten Kritikern der Merkelschen Flüchtlingspolitik, und auch jetzt wollen sie deren Kurs nicht mit Hurra kommentieren. „Es ist an der Basis immer noch schwierig, wir haben Parteiaustritte, und manche Mitglieder erreichen wir gar nicht mehr“, sagt Bareiss. Auch Bilger sieht den Streit um die Flüchtlingspolitik keineswegs als beigelegt, doch die meisten akzeptierten mittlerweile den Kurs der Bundeskanzlerin: „Sie werden schwerlich jemand finden, der eine Obergrenze fordert.“

Probleme an der Basis

Den Hauptgrund, dass die Wogen sich geglättet haben, sehen beide schlicht im Umstand, dass die Flüchtlingszahlen seit Monaten rapide gesunken sind. Der Essener CDU-Bundesparteitag habe außerdem eine Kurskorrektur bei der inneren Sicherheit vorgenommen, das Thema spiele überhaupt wieder eine tragende Rolle in der CDU, und nicht zuletzt wähle auch Merkel selbst andere Worte als früher. Teilnehmer berichten, dass die Parteichefin sich zu einer klareren Sprache in Sachen innerer Sicherheit bekannt habe, man müsse „die Rechtsordnung verteidigen“, sagt sie dazu später. Es könne doch nicht sei, dass jeder Bürger sein Knöllchen bezahlen müsse, libanesische Banden aber nicht abgeschoben werden könnten. „Genau das wollten wir hören“, sagt anschließend ein Landtagsabgeordneter.

Die Südwest-CDU und ihr Chef Thomas Strobl widmen dem Thema ohnehin breiten Raum. In einem Memorandum („Schöntaler Erklärung“) wird unter anderem eine Residenzpflicht und Fußfesseln für Gefährder gefordert. Diese sollen auch dann in Abschiebehaft, wenn die Herkunftsstaaten nicht mit den deutschen Behörden zusammenarbeiten. Sympathiewerbung für kriminelle Vereinigungen müsse auch wieder strafbar werden. Das könne sie alles mittragen, sagt Merkel, will aber nicht von einer „Verschärfung“ reden. Die Politik müsse auf neue Probleme eben neue Antworten finden.

Was wird aus Griechenland?

„Drei Dinge“ will sie im Auge behalten, betont sie. Die „Rechtsordnung“ kommt dabei allerdings erst an dritter Stelle. Zuerst nennt sie Deutschlands wirtschaftliche Stärke, dann den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Auch von „fairen Abkommen“ spricht sie und, als man sie auf den neuen US-Präsidenten anspricht, von der Notwendigkeit Regeln einzuhalten. Drinnen im Saal nahm offenbar auch das Thema Europa breiten Raum ein. Denn Merkel fürchtet die Finanzprobleme Griechenlands und den Ausstieg des IWF auch aus wahlstrategischen Gründen. Dann hätte die AfD nämlich „zwei Themen“. Der Friede von Schöntal könnte also brüchig sein.