Auf einer Klausursitzung soll die Fusion der zerstrittenen AfD-Fraktion vorbereitet werden. Doch der Streit geht weiter und die tiefen Gräben zwischen den Gruppen werden sichtbar.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Es herrschen Chaostage in der AfD-Fraktion von Baden-Württemberg. Die Klausursitzung in Titisee-Neustadt, bei der die Abgeordneten die Gräben in der Partei wieder zuschütten wollen, fördert vor allem das tiefe Zerwürfnis zwischen den beiden Gruppen zu Tage. Nach Worten von Heiner Merz, dem Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag, seien sich alle Parlamentarier darin einig, die Einigung anzustreben. Das ist im Moment der kleinste gemeinsame Nenner, über die meisten anderen Fragen wird offensichtlich heftig gerungen.

 

Noch zahlreiche Streitpunkte in der AfD

Vor allem das Personaltableau einer gemeinsamen Fraktion birgt zahlreiche Streitpunkte. So machten am Dienstag Meldungen die Runde, der einstige AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen stehe wieder als Fraktionsvorsitzender fest. Das wurde von anderer Stelle allerdings heftig dementiert.

Als gesichert gilt, dass es tatsächlich zu einer Abstimmung gekommen ist, die am Ende von Meuthen knapp für sich entscheiden konnte. Das Ergebnis habe aber die Ur-AfD-Fraktion wegen einiger Unklarheiten im Verfahren nicht akzeptiert. Zudem seien plötzlich neue Forderungen bei der Besetzung der Stellvertreter und anderer Posten gestellt worden. Gemunkelt wird, dass beide Gruppen nach der Wahl im Streit auseinander gegangen seien.

Nach Angaben einer AfD-Sprecherin ist der Fraktion besonders sauer aufgestoßen, dass die Wahl Meuthens zum Vorsitzenden einer möglicherweise wiedervereinigten AfD vorzeitig an die Öffentlichkeit gelangte – bevor die Wahl seiner drei Stellvertreter und des parlamentarischen Geschäftsführers abgeschlossen gewesen sei. Dies gehe auf das Konto der ABW. „Das war so nicht geplant, wir haben uns überfahren gefühlt“, sagte die AfD-Sprecherin. Das habe zusätzlich zu einem Vertrauensschaden geführt.

Mediation zwischen den Gruppen

Um solche Auseinandersetzungen zu vermeiden und die Partei wieder auf den Weg der konstruktiven Auseinandersetzung zu bringen, wurde in den Wochen vor der Klausur eine Mediation mit einem Sozialpädagogen durchlaufen, doch offensichtlich sind die Verletzungen auf beiden Seiten sehr tief.

Vor allem die Person Jörg Meuthen ist für manche AfD-Mitglieder ein Problem. Er hatte im Streit um die antisemitischen Äußerungen des Abgeordneten Wolfgang Gedeon mit 13 weiteren AfD-Mitgliedern die ursprüngliche Fraktion verlassen und die Fraktion „Alternative für Baden-Württemberg“ (ABW) gegründet. Es steht der Vorwurf im Raum, dass er die Partei aus egoistischen Machtmotiven gespalten habe. Zudem hatte die Rest-AfD ihrem ehemaligen Vorsitzenden Meuthen bereits kurz nach dem Zerwürfnis über den Umgang mit Antisemitismus in den eigenen Reihen einen „autokratischen“ Führungsstil vorgeworfen.

Die tiefen Gräben werden sichtbar

Beobachter gehen inzwischen davon aus, dass auch nach der Klausursitzung in Titisee-Neustadt eine Fusion der beiden Gruppen in weiter Ferne liegt. Im Gegenteil: das Treffen macht deutlich, dass einige Abgeordnete nur wenig Interesse an einer Lösung des Problems haben. Am Dienstag erklärte die Vizechefin der AfD Baden-Württemberg, Christina Baum, im SWR, dass in Kürze nicht mit einer gemeinsamen Fraktion aus AfD und ABW zu rechnen sei. „Wir haben einfach schon zu lange diese zwei Fraktionen gehabt und lieb gewonnen. Das gibt man halt ungern wieder auf“, sagte die Abgeordnete. „Wir haben inzwischen unterschiedliche Arbeitsweisen und Strukturen aufgebaut. Deshalb wird es ein bisschen länger dauern.“

Hinter dieser Haltung kann auch politisches Kalkül stecken. Die beiden Fraktionen haben einen Untersuchungsausschuss zum Thema Linksextremismus im Südwesten beantragt. Ob der Antrag zulässig ist, ist umstritten, da nur zwei unabhängige Fraktionen gemeinsam einen solchen Schritt tun können. Offensichtlich wollen vor allem Teile der Alt-AfD-Fraktion die Wiedervereinigung auf die lange Bank schieben, bis der Untersuchungsausschuss eingerichtet ist.