Der erste Stuttgart-Auftritt von Klaxons ist zugleich der Letzte. Die Band war mal der heiße Scheiß der Klicklicht-Jeunesse. Aber sie hat keine Lust auf den überdrehten Rave-Geschmack der 2014er-Kids.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Am Ende des Konzerts von Klaxons wird einem erst klar, mit wie vielen Songs sich diese Band ins Gedächtnis all jener Indie-Disco-Gänger der Nullerjahre gebrannt hat. „Gravity’s Rainbow“, „Atlantis to Interzone“, „Echoes“ und einige mehr: alles Ohrwürmer, die sich bei diesem Auftritt im Universum im Gehörgang wieder bemerkbar machen. Nu Rave nannte man das mal, war als Genrebeschreibung nur ein Witz, aus heutiger Sicht würde man sagen hedonistischer Indiepop mit Synthie-Einflüssen. Hochzeit 2006/07. Im Nachhinein lagen Klaxons mit ihrem Sound ganz gut.

 

Die Band aus London war eine der ersten bekannteren Indiepop-Gruppen, die Neunziger-Synthiesounds im Bandformat mainstreamtauglich machten und das sogar mit einer Art futuristischer Aura verbanden. Bei etlichen Popbands der Gegenwart ist die synthetische Klangerzeugung Alleinherrscher. Mehr noch: Mitte der Nullerjahre hoben sich Klaxons gegenüber anderen Bands mit einem Sound jenseits des klassischen Musters „Schmissiger Beat trifft flottes Gitarrenriff“ noch deutlich ab und brachten die damalige Indie-Jugend spielend leicht zum Tanzen.

Heute indes fährt die Knicklicht-Jeunesse auf viel heftigere Sachen ab: zerhackstückelten R’n’B, ins Extreme gewendeten Drum’n’Bass, um viele Stufen überdrehteren Rave als es die „Nu Rave“-Band Klaxons sich je ausdenken könnte – man musste nur diesen Sommer mal auf einer Festival-Show von Calvin Harris gewesen sein, um das live mitzuerleben (hier ein Beispiel).

Sie waren Pioniere

An diesem Donnerstagabend steht also eine Band auf der Universum-Bühne, die vieles von dem, was wir 2014 zu hören kriegen, mit angestoßen hat – nur eben in der damals musikalisch ein ganzes Stück übersichtlicheren Welt. Aber so ist das mit dem heißen Scheiß von gestern: Wer den nächsten Schritt zum heute angesagten Sound nicht mitgeht, ist kommerziell oft nicht erfolgreich – wie das neue Klaxons-Album zeigt. Dabei hat die Band mit „There is No Other Time“ eigentlich eine schöne Single ausgekoppelt.

Klaxons wollen sich dem popmusikalischen Zeitgeist nur bedingt anpassen. Sie sind auf Abschiedstournee, kurz vor Tourbeginn haben sie das auf Twitter und Facebook angekündigt. Ihr erster Auftritt in Stuttgart ist deshalb zugleich ihr letzter. Worauf Klaxons nur einmal ganz kurz hinweisen. Und ansonsten eine routinierte, nach den selbst gesetzten Maßstäben fast schon rückwärtsgewandte Show spielen: mit Gitarrenlärm, kräftigem Beat und einem beherzten Griff in die Basssaiten.

Keine Knicklicht-Nostalgie

Aus von Synthesizern inspiriertem Indie-Pop wird so Gitarrenmusik der gar nicht so sanften Sorte. Knicklichter findet man im Publikum keine. Und auf der Bühne präsentiert sich die Band so selbstverständlich in weißen Klamotten und Schwarzlicht, dass diese Optik kein Partyspaß für Teenies ist, sondern einfach der zur Selbstverständlichkeit geronnene Stil der Band. Klaxons sind davon am Anfang ein wenig mehr überzeugt als das Publikum, kriegen die Zuschauer am Ende aber doch noch rum.

Es war leicht, vor dem Auftritt herumzumäkeln, dass hier eine Band von gestern Musik verkauft, über die die Zeit längst hinweggegangen ist. Zumal von den rund 200 Zuschauern im Universum locker ein Drittel der Fraktion „Auf die hab’ ich damals so gern getanzt“ zuzuordnen ist.

Zwei Drittel der Zuschauer können das jedoch qua Jugend nicht von sich behaupten. Und Klaxons vermeiden jegliche Knicklicht-Nostalgie. Dass der Keyboarder und Sänger James Righton aussieht und singt wie Justin Bieber, würde den Kreis potenzieller neuer Fans nur vergrößern. Jetzt erwartet Righton aber mit seiner Gattin Keira Knightley ein Kind, was vielleicht ein Grund für das Ende von Klaxons ist. Muss man künftig eben doch Calvin Harris hören.

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