Im Kleintierzuchtverein Stammheim kämpfen Beitragszahler um ihre Mitgliedschaft – und ziehen sogar bis vor Gericht. Der Vorstand fürchtet, dass der Verein „unterwandert“ wird.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Stammheim - Bei den Kleintierzüchtern ist der Wurm drin. Seit mehreren Jahren streitet der Vereinsvorsitzende Alfred Mages mit Beitragszahlern, ob diese ordentliche Mitglieder in seinem Verein sind oder nicht. Mages behauptet, die Personen seien „nie wirksam Mitglieder“ gewesen – dazu hätten sie in einer Hauptversammlung offiziell in den Verein aufgenommen werden müssen. Dieses jedoch sei nie geschehen.

 

„Wir hätten sie gern aufgenommen“, sagt Mages, „aber unsere Satzung war noch nicht so weit, dass sie zwischen aktiven und passiven Mitgliedern unterscheidet“. Dass diese Unterscheidung für ihn überhaupt eine Rolle spielt, erklärt er folgendermaßen: „Im Laufe der Jahre haben immer mehr Leute, die originär nichts mit Tierzucht zu tun haben, unsere eigentlich nicht öffentliche Vereinsgasstätte besucht.“ Damit Mages im Falle einer behördlichen Kontrolle keinen Ärger bekomme und damit die Besucher auf dem Gelände versichert seien, hätte er fast alle Aufnahmeanträge unterschreiben lassen. „Das sind Leute, die im Grunde mit Kleintierzucht nichts zu tun haben“, sagt er. „Unter Umständen könnten die aber den Verein unterwandern, wir sind ja nur ein Dutzend Züchter.“ Darum sollte die Satzung dahin gehend geändert werden, dass nur diejenigen Mitglieder Stimmrecht erhalten, die tatsächlich Tiere züchten, die sich im Vorstand engagieren oder die eine Zuchtanlage besitzen, erklärt der Vorsitzende.

Stimmrecht soll nur erhalten, wer züchtet und sich engagiert

Eine dementsprechende Satzung sei im vergangenen Jahr zwar in einer Hauptversammlung verabschiedet worden. Danach wurde der Beschluss von Rainer Salzer, der ordentliches Mitglied ist, angefochten. Der Grund: Nicht alle „Mitglieder“ seien formal korrekt eingeladen worden. „Alfred Mages hat einige absichtlich nicht eingeladen, obwohl sie bereits Beitrag gezahlt hatten und meiner Meinung nach längst Mitglieder sind“, sagt Salzer.

Einer dieser „nicht eingeladenen“ ist Udo Rössle. Er sitzt in einer Stammheimer Wohnung am Kaffeetisch und schüttelt den Kopf. „Ich habe mehrere Jahre lang Beiträge bar gezahlt“, behauptet er. „Zu meinem 50. Geburtstag habe ich vom Verein sogar ein Präsent erhalten – und dann soll ich plötzlich kein Mitglied sein?“ Als Rössle mit einigen anderen im Jahr 2010 dann einen Brief von Mages erhielt, in dem stand, dass er und sie wieder von der „Mitgliederliste“ gestrichen würden, reichte es ihm. Gemeinsam mit einigen Mitstreitern wandte er sich an die Schiedsstelle des Landesverbandes der Rassekaninchenzüchter Württemberg und Hohenzollern. Dort hieß es nach einer Verhandlung im Januar 2011, der Verein habe sie als „ordentliche Mitglieder“ anzuerkennen.

Doch an den Schiedsspruch mochte Mages sich nicht halten. „Die Schlichtungsstelle darf nur eine Empfehlung geben, ein rechtswirksames Urteil ist das für mich nicht.“ Für ihn gelte vielmehr ein Vergleich, den er vor dem Amtsgericht Bad Cannstatt mit einem anderen Betroffenen mittlerweile geschlossen hat. Demnach akzeptiert der Betroffene, dass er kein ordentliches Mitglied ist, er darf aber einen Aufnahmeantrag stellen. Der Vorstand verpflichtet sich seinerseits, diesen Antrag nach erfolgter Satzungsänderung „wohlwollend“ zu prüfen.

Der Aufnahmeantrag von Rössle und seinen Mitstreitern hingegen wurden trotz Schiedsspruch auf der Mitgliederversammlung 2010 mehrheitlich abgelehnt. Das wiederum wollten sich Rössle und drei andere nicht gefallen lassen. Sie erhoben Klage gegen den Verein vor dem Amtsgericht in Bad Cannstatt. „Wir sehen uns als ordentliche Mitglieder, wurden nicht zu der Versammlung 2010 eingeladen und sollten stattdessen aus dem Verein rausgeworfen werden“, sagt Rössle. Die in der Versammlung gefassten Beschlüsse über die Ablehnung der Aufnahmeanträge seien nichtig und damit unwirksam.

Mages’ Seite vertrat in der Verhandlung die Auffassung, dass sich der Verein nicht an den Schiedsspruch des Landesverbandes hätte halten müssen, da dieser ebenfalls „rechtswidrig und unwirksam“ sei. „Auf Grund der Vereinsautonomie können die Vereine selbst entscheiden, wer Mitglied ist und wer nicht, da hat der Landesverband nicht mitzumischen.“ Die Kläger um Rössle hingegen brachten ihrerseits vor, dass ihre Aufnahmeanträge aus den Jahren 2006 bis 2008 stammten und sie bis zum Auftreten der Streitigkeiten ihre Mitgliedsbeiträge stets bezahlt hätten und sie sogar dem Landesverband als Mitglieder gemeldet worden seien.

Das Amtsgericht gab den Klägern in vollem Umfang recht. Es kam zu dem Schluss, dass der Verein auch den Schiedsspruch gelten lassen muss. Und unabhängig von der Schiedsstelle sei zu bedenken, dass die Kläger „bereits seit Jahren ihre Aufnahmeanträge abgegeben haben und bereis seit Jahren ihre Mitgliedsbeiträge unwidersprochen zahlen und auch beim Landesverband als Vereinsmitglieder gemeldet sind“, heißt es in dem Urteil.

Der Verein geht in Berufung

Doch die Angelegenheit ist damit beileibe nicht zu Ende. Der Kleintierzuchtverein Stammheim hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Das Verfahren geht in die nächste Runde und ist derzeit beim Landgericht anhängig.

Weil es in diesem Jahr noch keine ordentliche Mitgliederversammlung gegeben hat, gründeten Mages’ Kritiker mittlerweile die „Interessengemeinschaft Pro Kleintierzuchtverein Stammheim“ und bemühten sich darum, eine außerordentliche Versammlung einzuberufen. Dazu benötigten sie jedoch die Unterschriften von einem Drittel aller Mitglieder. Als Mages von der Unterschriftenliste Wind bekam, schickte er einigen der Unterzeichner einen Brief ins Haus. Darin heißt es unter anderem: „Wie Sie wissen, waren Sie noch kein Mitglied in unserem Verein. Wegen Prüfung auf Urkundenfälschung bitten wir Sie um einen Beweis ihrer Mitgliedschaft.“

Immerhin: Eine ordentliche Mitgliederversammlung ist nun für diesen Freitag vorgesehen. Dabei geht es neben dem Punkt „Neuaufnahmen“ unter anderem um den Ausschluss des Vereinsmitgliedes Rainer Salzer, des ehemaligen Schriftführers. Er und Mages streiten sich seit Jahren wegen zahlreicher Meinungsverschiedenheiten. Unter anderem wirft Mages Salzer Rufschädigung vor, Salzer beklagt, dass sich der Vorsitzende nicht an die Satzung hält. Dass Salzer die Rechtmäßigkeit der Versammlung anfechten wird, davon ist auszugehen.

Udo Rössle hingegen ist gar nicht zur Versammlung eingeladen – „mein Mitgliedsbeitrag für 2012, den ich pünktlich auf das Konto des Vereins überwiesen habe, kam zurück.“