Seit einigen Jahren steigen die Temperaturen auf der Erde nicht mehr, sondern verharren auf hohem Niveau. Liegt das an der derzeit schwachen Sonne? Mancher sucht im verfrüht veröffentlichten Weltklimabericht nach Antworten.

Stuttgart - Eine Hitzewelle macht noch keinen Klimawandel, das hat sich herumgesprochen. Doch wie viele Hitzewellen braucht es, damit man von einem langfristigen Temperaturanstieg reden darf? Ein Forscherteam um Benjamin Santer vom US-Forschungsinstitut Lawrence Livermore National Laboratory hat versucht, die Frage zu beantworten. Ihre statistische Analyse, publiziert im Fachmagazin „Journal of Geophysical Research“ kommt zum Ergebnis, dass man Messungen aus mindestens 17 Jahren brauche, um zwischen dem von Menschen verursachten Teil des Klimawandels und anderen Faktoren zu unterscheiden (die StZ berichtete).

 

Doch so lange mag mancher nicht warten. Der Entwurf des nächsten Weltklimaberichts, der vorab im Internet publiziert worden ist, lässt die Diskussion wieder aufflammen. Ein erklärter Klimaskeptiker hatte sich beim Weltklimarat IPCC als Gutachter beworben und den ersten Teil des Berichts im Dezember veröffentlicht, obwohl auf jeder der gut tausend Seiten darum gebeten wird, dies nicht zu tun. Der RWE-Manager Fritz Vahrenholt sieht sich in seinem Internetblog bestätigt: Seit 15 Jahren steige die globale Durchschnittstemperatur nicht mehr. Es freue ihn, „dass man nunmehr den IPCC selbst zitieren kann, wenn man vom Stillstand der Erwärmung spricht“. Greenpeace schreibt hingegen online, „der Anschein, der IPCC sehe eine Stagnation der Erdtemperatur in den vergangenen 15 Jahren, ist schlicht falsch“.

Auch der britische Wetterdienst passt seine Prognose an

Der britische Wetterdienst, das Met Office, hat zudem dieser Tage seine Temperaturprognose für die kommenden fünf Jahre abgeschwächt. Die Temperaturen würden vorerst auf dem aktuell hohen Niveau bleiben – etwa ein halbes Grad über dem Mittel der 60er, 70er und 80er Jahre. Zuvor hatte das Met Office einen Anstieg von einem weiteren Zehntelgrad vorhergesagt.

Dabei werden zunehmend Treibhausgase in die Luft geblasen. Nach Angaben der Organisation Global Carbon Project ist der CO2-Ausstoß im Jahr 2011 um drei Prozent auf 34,7 Milliarden Tonnen gestiegen. Nach ersten Erkenntnissen der Forscher dürfte der Anstieg im vergangenen Jahr ähnlich groß gewesen sein.

Der CO2-Ausstoß ist jedoch nur ein Faktor, der die Temperatur beeinflusst, wenn auch der wichtigste. Neben den Treibhausgasen untersuchen Klimaforscher auch Eruptionen der Sonne und irdischer Vulkane sowie Veränderungen in den Meeresströmungen. Das Phänomen El Niño im Südpazifik wirbelt nicht nur das Wetter in Südamerika durcheinander, sondern kann die globale Durchschnittstemperatur um 0,1 oder 0,2 Grad erhöhen. Auf diese Weise erklären sich Klimaforscher das besonders warme Jahr 1998. Und als der philippinische Vulkan Pinatubo 1991 ausbrach, sank die weltweite Durchschnittstemperatur rasch und deutlich, weil Schwefelpartikel in der Atmosphäre einen Teil des Sonnenlichts ins All zurückwarfen.

Der Einfluss der Sonne ist kleiner, als manche denken

Auch der Einfluss der Sonne ist nach einer zwei Jahre alten Studie von Georg Feulner und Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung messbar, aber letztlich nicht ausschlaggebend. Im Fachjournal „Geophysical Research Letters“ berichteten sie, dass der weltweite Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert um 0,3 Grad niedriger ausfallen dürfte, wenn die Sonne bei ihrer damals geringen Aktivität bliebe. Wenn sie aktiv ist, erwärmt die Sonne mit ihrer UV-Strahlung die Luft direkt und bewirkt mit ihrem Magnetfeld, dass weniger Wolken durch kosmische Strahlen entstehen, die das Sonnenlicht reflektieren könnten. Gewaltige Eruptionen sind ein Zeichen dieser Aktivität; in den vergangenen Jahren waren sie selten zu beobachten.

Im Entwurf des nächsten Weltklimaberichts steht in der Zusammenfassung für Politiker, dass die natürlichen Effekte den deutlichen Anstieg der Temperaturen seit 1950 nicht erklären könnten. Es sei vielmehr „äußerst wahrscheinlich“, dass der Mensch für mehr als die Hälfte des Temperaturanstiegs verantwortlich sei. Doch damit schreibt der IPCC den natürlichen Faktoren eine fast ebenso große Rolle zu wie den Treibhausgasen: nämlich fast die Hälfte des gesamten Einflusses. Die natürlichen Faktoren können daher dem Treibhauseffekt auch entgegenwirken.

Langfristig ist mit einem deutlichen Klimawandel zu rechnen

Die gegenwärtige Pause beim Temperaturanstieg – Wissenschaftler ziehen es vor, von einem hohen Plateau zu sprechen, das die Temperaturen erreicht haben – lässt sich daher trotz des steigenden CO2-Gehalts in der Atmosphäre durch natürliche Faktoren erklären. Klimaforscher sehen die Ursache vor allem in der geringen Aktivität der Sonne in den vergangenen Jahren.

Über die langfristige Entwicklung, schreibt das britische Met Office in seiner Mitteilung, würden diese kurzfristigen Schwankungen aber nichts aussagen. Auch im Entwurf des IPCC-Berichts wird festgehalten, dass die kurzfristigen Prognosen nicht eng mit dem CO2-Ausstoß zusammenhingen. Betrachte man jedoch das ganze 21. Jahrhundert, sehe das anders aus. Für diesen Zeitraum wird ein deutlicher Temperaturanstieg erwartet: Mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei zu drei soll er laut Berichtsentwurf über dem politischen Ziel von maximal zwei Grad liegen.

Endgültig ist der IPCC-Bericht aber nicht. Bevor er im September veröffentlicht wird, sollen noch Tausende von Kommentaren eingearbeitet werden. Zudem müssen alle UN-Staaten zustimmen.