Die Ziele der Energiewende sind noch lange nicht erreicht. Die Zeit dränge daher, sagen der Umweltminister Franz Untersteller und der Forscher Frithjof Staiß beim Klimagespräch der IHK Region Stuttgart. Über manche Entwicklung wundern sie sich auch.

Stuttgart - Wünschen kostet ja nichts, und es klingt auch freundlicher als Fordern. Mit Wünschen soll das zehnte Klimagespräch ausklingen, zu dem die IHK Region Stuttgart eingeladen hat. Karl Heinz Otterbach von der Sindelfinger Firma Körner Druck wünscht sich zum Beispiel Planungssicherheit und Bestandsschutz. Am Erneuerbare Energien-Gesetz und anderen Regelungen werde zu häufig herumgeschraubt, sagt er. Dem widerspricht nicht nur der Umweltminister des Landes, Franz Untersteller, sondern auch Frithjof Staiß, der das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung leitet: Man habe oft zu viel festgelegt oder zu spät reagiert, wenn es nötig gewesen wäre, sagen beide. Als Beispiel dafür, wie schnell sich die Rahmenbedingungen ändern können, dient ihnen das bayerische Kraftwerk Irsching, das vor einigen Jahren um zwei besonders effiziente Blöcke erweitert wurde. Weil Erdgas teuer ist und der Strompreis niedrig, lohnt sich der Betrieb derzeit nicht.

 

Ein anderes Beispiel zitiert Staiß aus dem jüngsten Monitoring-Bericht zur Energiewende, den er mitverfasst hat. Er gehört einem Gremium an, das im Auftrag der Bundesregierung einmal im Jahr prüft, wie die Energiewende vorankommt. Während die Kapazitäten der Erneuerbaren Energien wie geplant ausgebaut werden, so das aktuelle Urteil, hapert es bei der Energieeffizienz. Deutschland soll mit den CO2-Emissionen in fünf Jahren um 40 Prozent unter denen des Jahres 1990 liegen. Derzeit seien vielleicht 33 Prozent absehbar, sagt Staiß. Die Bundesregierung habe zwar einen Aktionsplan mit vielen Maßnahmen zum Energiesparen in Haushalten, Betrieben und Kommunen vorgelegt. „Aber das hätte man viel früher machen können“, sagt er. Ob fünf Jahre reichen, um den CO2-Ausstoß wie geplant zu senken? „Da kann man schon Zweifel haben.“

Warum nur wollen die Schwaben nicht sparen?

Im Monitoring-Bericht wird auch untersucht, ob der Klimaschutz wirtschaftlich tragbar ist. Dazu hat das Gremium berechnet, wie viel die Gesamtausgaben für Elektrizität im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt ausmachen: Es sind seit Anfang der 90er-Jahre stets weniger als drei Prozent gewesen. Wenn sich der Anteil aber nicht wesentlich erhöhe, argumentiert Staiß, dann könne man schwerlich sagen, Strom sei heute nicht mehr bezahlbar. Sorgen bereite ihm aber schon, dass vier Millionen Haushalte in Deutschland mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für Strom und Heizung aufwenden müssen. Dass die Koalition in Berlin Anfang Juli beschlossen hat, die benötigten Stromtrassen von Nord- nach Süddeutschland vorrangig unter die Erde zu legen, was die Kosten mindestens verdreifachen wird, findet beim Klimagespräch der IHK keine Verteidiger.

Ratlos wirken die Referenten bei der Frage, warum Verbraucher und Unternehmen nicht wenigstens alle Chancen zum Klimaschutz nutzen, die sich für sie rechnen. Eigentlich müsste Sparen für den Schwaben doch attraktiv sein. Frithjof Staiß nennt als Beispiel den Pendler, der allein mit dem Auto in die Stadt fährt, obwohl die Bahn für ihn günstiger wäre. Da spielen offenbar noch andere Gründe eine Rolle. Vielleicht möchte der Pendler nicht dicht gedrängt im Zug stehen, mutmaßt Staiß. Noch weniger leuchtet ihm ein, dass die Motorleistung bei Neuzulassungen von 2005 bis 2013 um elf Prozent gestiegen ist – vor allem wegen der Geländewagen. Das Statistische Bundesamt hat allein daraus zusätzliche CO2-Emissionen von 9,5 Millionen Tonnen im Jahr errechnet.

Franz Untersteller fragt sich hingegen, warum die Kunden bei der Firma Mader aus Leinfelden-Echterdingen nicht Schlange stehen. Mader analysiert und saniert die Druckluftsysteme von Firmen. Innerhalb von zwei Jahren würde sich das bezahlt machen, heißt es auf der Firmenwebsite, weil es viel Energie braucht, um Druckluft zu erzeugen. Untersteller hat Mader wegen ihrer Dienstleistungen mit dem Umweltpreis des Landes ausgezeichnet. Vielleicht sei es bei manchen die Bequemlichkeit, mutmaßt er. Der Schwabe spart offenbar auch bei den Investitionen.