Beim elften Klimagespräch der IHK-Region Stuttgart werden gesetzliche Rahmenbedingungen für saubere Energieverfahren verlangt. Mit dem Verfahren Power-to-X könnte Öko-Strom gut gespeichert werden.

Stuttgart - Der Pariser Weltklimagipfel hat belegt, dass der Abschied von fossilen Energieträgern für den Klimaschutz inzwischen globaler Konsens ist. Aber wie die Klimaschutzziele zu erreichen sind, und wie Unternehmen und Privathaushalte dazu beitragen und davon profitieren können, das war Thema des elften Klimagesprächs der IHK-Region Stuttgart.

 

Die Formel 50-80-90 gilt noch, also bis 2050 eine um 50 Prozent erhöhte Energieeffizienz, eine Versorgung zu mindestens 80 Prozent durch „Erneuerbare“ sowie um 90 Prozent verminderte Emissionen an Treibhausgasen. Bei der IHK traten nun drei Experten auf – zwei eher skeptische Forscher von Fraunhofer-Instituten und ein relativ euphorischer „grüner“ Unternehmer. Ein Viertel der in Deutschland eingesetzten Primärenergie geht in den Verkehrssektor, ein Drittel in die Stromerzeugung, mindestens ein weiteres Drittel entfällt auf Wärme – zum Heizen sowie für die Prozesswärme in der Industrie-, wie Jochen Bard vom Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel berichtete. Eine höhere Energieeffizienz und eine Wärmewende sind da das Gebot der Stunde. Mit neuen Techniken, die unter dem Begriff Power-to-X stehen, soll der unberechenbar fließende Strom aus Wind- und Solarkraft gespeichert und genutzt werden. Dies wird beim zunehmenden Anteil der Erneuerbaren wichtiger.

Saubere Gase wie Methan oder Wasserstoff werden gewonnen

Aus ökologisch erzeugtem Strom kann sehr effektiv Wärme gewonnen werden (Power-to-Heat). Oder es können mittels Elektrolyse speicherbare und „saubere“ Gase wie Methan und Wasserstoff erzeugt werden. Bard wies auf zwei Pilotprojekte hin: das Audi-Werk Werlte im Emsland und das Biogasforschungszentrum Eichhof bei Bad Hersfeld, wo kohlendioxid-neutrales Methan erzeugt wird. Wie der europäische Energiemarkt 2050 aussehen wird, wie Energieerzeugung und Verbrauch in Einklang kommen, das versucht Bard anhand von Szenarien zu errechnen, doch Voraussagen sind schwierig angesichts der „Gemengelage von Erzeugern“ und ständig wechselnden Parametern: „Macht es Sinn Strom aus Photovoltaik zu exportieren, wenn ein Nachbarland das ebenfalls vorhat?“

Alles in allem sieht Bard die Politik am Zuge, will sie die Klimaziele in Deutschland erreichen: „Der Status Quo reicht nicht, da muss noch was passieren.“ Die Einspeisevergütungen aus dem EEG gingen bekanntlich zurück, die Bioenergie sei „abgewürgt“ worden. Während Windparks auf kommunaler Ebene vorankämen, fragt sich Bard, woher der Push für einen Ausbau der Photovoltaik kommen soll.

Forscher warten auf Rahmenbedingungen der Politik

Gedämpft auch der Optimismus von Max Fette, Ingenieur beim Fraunhofer-Institut IFAM in Bremen, der Strompreisszenarien durchrechnet. Auch Fette tut sich mit Prognosen schwer, wer wisse schon, wie der Strompreis in 20 Jahren aussehe? Tatsache sei, dass Verfahren wie das ökologisch sinnvolle Power-to-Heat, wie es die Städte Lemgo und Flensburg nutzen, heute „nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich“ seien – das heißt, wenn der Börsenstrompreis auf ein extrem niedriges Niveau sinkt. Flensburg hat sich einen zwei Millionen Euro teuren Elektrodenheizkessel zugelegt, um bei starken Winden aus Strom erzeugte Hitze ins Wärmenetz einzuspeisen. Aber die hohe Abgabenlast auf Strom drückt die Rentabilität. „Wir brauchen für Power-to-Heat angemessene Rahmenbedingungen, die entwickeln sich doch nicht von allein“, sagt Fette.

Wann lohnt sich das Solardach?

Der Unternehmer und Geologe Hans-Joachim Rühl hielt dagegen: „Wir können nicht immer warten, bis das Geld vom Himmel regnet. Wir müssen selbst was tun.“ Rühl hat das vorgemacht, die Next Kraftwerke GmbH gegründet, ein virtuelles Kraftwerk, das den Strom von 3000 kleineren Erzeugern vernetzt und vermarktet. Heut zählt Rühls Firma 120 Mitarbeiter, verkauft 2000 Megawatt Strom und ist in fünf Ländern tätig. Angesichts der niedrigen Zinsen ermuntert Rühl zu grünen Investitionen: Dass ein Betrieb mit jährlichen Stromkosten von 250.000 Euro und Heizölkosten von 100.000 Euro, der über eine Dachfläche von 10.000 Quadratmetern verfüge, über eine 1,2 Millionen teure Photovoltaikanlage oder ein Blockheizkraftwerk nachdenke, das sei doch plausibel. Aber wann lohnt sich eine Investition? Unbeantwortet blieb die Frage aus dem Publikum, ob ein gewerblicher Immobilienbetreiber, der über viele leere Dächer verfüge, in Solarpanele investieren sollte oder nicht. Ein Ingenieurprofessor berichtete, er habe sich privat für ein Drei-Familienhaus ein kleines Blockheizkraftwerk angeschafft, das sei eher ein teures „Spielzeug“ und der Kundendienst sei häufig da. Aber der emotionale Faktor sei ja auch wichtig, etwas für die Umwelt zu tun.

Mittelstand zeigt noch zuviel Desinteresse

Allgemeiner Tenor beim Klimagespräch war: der Mittelstand müsse für die Eigenstromversorgung und höhere Energieeffizienz sensibilisiert werden. Die IHK hat neuerdings zwei Energieeffienzmoderatoren, die Firmen kostenlos aufsuchen. Der IHK-Innovationsberater Markus Götz wies daraufhin, dass diese Experten nur „sensibilisieren“ dürften, für die eigentliche Beratung aber auf freie Berater hinweisen. „Wir wollen da mehrere Welten zusammenbringen.“