Sichere Lagerung von CO2 unter der Erde? Der Bundesrat debattiert am Freitag über das CCS-Gesetz, das unter Klimaschützern umstritten ist.

Berlin - Rundherum grüne Wiese und Landstraße, am Horizont ein Windrad. Zwei große weiße Tanks, eine Gewirr aus silbernen Rohren und Pipelines, die auch im Sommer mit Eis verkrustet sind. Ein Container, eine Baracke und ein Bohrkopf. Mehr sieht man nicht von einem Experiment, das die Welt retten soll - oder den nächsten Öko-GAU vorbereitet.

 

Ketzin, ein Nest 30 Kilometer westlich von Berlin, ist weltberühmt. Denn was das Geoforschungszentrum Potsdam hier seit drei Jahren weltweit zum ersten Mal genau untersucht - Carbon Capture and Storage (CCS), das Abtrennen und Speichern von CO2 unter der Erde - kann die deutsche und internationale Klimapolitik revolutionieren: Ist es möglich, das Klimagas Kohlendioxid unter der Erde sicher zu lagern und so den Klimawandel zu beherrschen? Oder schafft man damit neue Risiken?

Noch ist kaum CO2 unter der Erde, doch die Stimmung in Deutschland kocht bereits hoch: Ganze Regionen sind in Aufruhr, Politiker geraten unter Druck, Wissenschaftler bringen sich in Stellung, Energiekonzerne jubeln CCS hoch. Und die Umweltschützer sind gespalten: Ist CCS Teufelszeug oder eine Notbremse?

"CCS ist nur ein grünes Mäntelchen..."

Das Tückische am Klimaproblem: die Gefahr für die Atmosphäre ist weder zu sehen noch zu riechen. Aber auch die potenzielle Gefahr durch das Kohlendioxid in 650 Meter Tiefe bleibt abstrakt, oberirdisch ist in Ketzin nichts zu sehen. Und trotzdem muss der Bundesrat am Freitag entscheiden: Soll CCS in Deutschland im industriellen Maßstab ausprobiert werden?

Ja, meint die Bundesregierung. Sie hat im zweiten Anlauf ein Gesetz beschlossen, das der Technik den Weg ebnen soll. Nein, sagt eine lautstarke Front von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen. "CCS ist nur ein grünes Mäntelchen für den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke", kritisiert Tina Löffelsend, die für den BUND die Anti-CCS-Politik koordiniert.

Zudem bezweifeln Gutachten der CCS-Gegner, dass die CO2-Endlager über Tausende von Jahren sicher sind. Und das Wuppertal-Institut warnt, dass ein schneller Ausbau von erneuerbarer Energie die Preise für CCS in den Himmel treibe; die Wirtschafsforscher vom DIW fragen, ob CCS nicht eine "Energiebrücke ins Nichts" sei, und der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen moniert, die "Anwendung von CCS im großen Maßstab kann derzeit nicht befriedigend geregelt werden".

 Investitionsvorhaben: Mehr als eine Milliarde

Auf der anderen Seite steht der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der mit seinem Land gerne CCS-Vorreiter wäre. Dicke weiße Wolken hängen über den neun riesigen Kühltürmen des Kraftwerks Jänschwalde, zwischen Spreewald und polnischer Grenze. Gleich nebenan baggert der schwedische Energiekonzern Vattenfall die extrem klimaschädliche Braunkohle aus dem Lausitzer Boden.

Jänschwalde ist mit 3000 Megawatt eines der größten Kohlekraftwerke der Welt und stößt so viel CO2 aus wie ganz Kroatien. CO2 sei in der Atmosphäre "ein größeres Risiko als seine unterirdische Speicherung", sagt die Kohlelobby. Und deshalb will Vattenfall bis 2016 auch in Jänschwalde zeigen, dass CCS die Lösung ist:

Ein großes Demonstrationskraftwerk soll das Gas abscheiden und über eine Pipeline zum Verpressen schicken. Mehr als eine Milliarde Euro wolle Vattenfall investieren, sagt Sprecherin Katharina Bloemer, "damit wir 2021 die Technik zur Verfügung stellen können". Sie kritisiert, das Gesetz biete "keine langfristige Planungssicherheit über 2016 hinaus".

Ein schmaler Grat

Die Ablehnung ist indes längst nicht so groß, wie es BUND, Greenpeace und die Bürgerinitiativen glauben machen. Die Umweltschützer sind gespalten: Vor allem die Klimaschutzgemeinde hofft auf CCS als Notbremse gegen den Klimawandel. Zur Sicherheit hat etwa der UN-Weltklimarat angemerkt, "gut ausgewählte, gebaute und gewartete" Lagerstätten könnten das CO2 für "Millionen von Jahren" einschließen.

Die Speicherung braucht man auch für die Idee von Biomassekraftwerken mit einer negativen CO2-Bilanz, die also klimaneutralen Brennstoff einsetzen und per CCS anderes CO2 der Atmosphäre entziehen. "Die Pilotprojekte müssen gebaut werden", sagt auch Martin Jännicke, der als emeritierter Professor für Umweltpolitik die chinesische Regierung berät. Der deutsche Kohleausstieg sei wichtig, "aber andere Länder wie China werden nicht von ihrer Kohle abrücken. Die vertrauen darauf, dass auch mit unserer Hilfe CCS ab 2020 bezahlbar wird."

Der Grat ist schmal, auf dem Klimaschützer gleichzeitig gegen die Kohle und für eine Erforschung der CCS-Technik sind. Wie plädiert man für ernsthafte Forschung, ohne sich zum nützlichen Idioten der Kohleindustrie zu machen? Einerseits seien die Anlagen bisher oft nur "Powerpoint-Präsentationen mit dem Businessplan, Steuergelder einzuwerben", heißt es aus dem Umweltbundesamt. Andererseits brauche man Erfahrungen: "Wir können diese Fragen nicht auf dem Papier lösen."

 Kein organisierter Widerstan in Ketzin

Wer nichts sehen oder fühlen kann, der muss vertrauen. Zum Beispiel einem Menschen wie Axel Liebscher vom Geoforschungszentrum. Er steht in Ketzin vor seiner Anlage und sagt: "Wir können das CO2 in der Tiefe sehr gut orten und sehen, wie es sich bewegt." In einer Blase von 250 mal 400 Metern breitet es sich planmäßig in einer Sandsteinformation aus, abgeschlossen von einer Tondecke.

Liebscher spricht ruhig und macht seine drei Botschaften klar, erstens: Wir haben alles im Griff. Zweitens: Für verlässliche Daten brauchen wir eine Versuchsanlage, die zehnmal so groß ist wie Ketzin. Drittens: Ihr könnt uns vertrauen. In Ketzin hat das gefruchtet. Anders als in vielen Orten Brandenburgs gibt es keinen organisierten Widerstand.

Gesetz zur CO2-Speicherung

Gesetzentwurf Das sogenannte CCS-Gesetz setzt eine EU-Richtlinie um und ist bereits seit Juni 2011 in Verzug. Es schafft erstmals einen Rahmen, wie in Deutschland mit der Lagerung von CO2 experimentiert werden darf. Verbunden mit einer Überwachung (Wie dicht ist das Lager? Versauert das Grundwasser?) können Projekte zugelassen werden, die jeweils bis zu drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr speichern

Widerstand Das Gesetz soll bis 2017 gelten, dann wird Bilanz gezogen, ob CCS wirklich industriell eingesetzt werden soll. Wegen des Widerstands in der Bevölkerung von Schleswig-Holstein und Niedersachsen, potenziellen Lagerstätten, ermöglicht das neue Gesetz den Ländern ein CCS-Verbot.