Viele Kommunen sind der internationalen Politik voraus und sparen mehr CO2 ein, als ihre Repräsentanten versprechen. Auf einer Tagung in Hannover haben sie ihre ehrgeizigen und kreativen Projekte in Sachen Klimaschutz vorgestellt.

Hannover - Es mag deutsche Touristen überraschen, wie überschaubar das U-Bahn-Netz mancher Weltmetropole ist. Das Streckennetz in São Paulo ist zum Beispiel nur etwa halb so lang wie das der Stuttgarter Straßenbahnen mit 130 Kilometern. Delhi hat seine Metro sogar erst 1995 gegründet. Aber die Millionenstädte holen kräftig auf: Delhis Netz ist schon auf 185 Kilometer angewachsen. Und vor kurzem hat sich der Betreiber dazu entschlossen, klimaneutral zu fahren. In den vergangenen zwölf Monaten hat das Unternehmen Solarpaneele mit einer Leistung von drei Megawatt installiert, bis Mitte November sollen zwei Megawatt hinzukommen und in fünf Jahren will man bei 50 Megawatt sein.

 

Die Solarpaneele werden auf Dächern festgeschraubt: auf den gewölbten Hallen der neuen U-Bahn-Stationen oder auf dem Dach eines Wohnkomplexes für Mitarbeiter. „Da gab es einigen Widerstand“, erzählt der Chefingenieur Manuj Singhal, „denn die Kollegen haben dort ihre Wäsche getrocknet.“ Aber man habe mit ihnen geredet und sie auf alternative Flächen im Garten hingewiesen. „Es war nur eine Frage der Gewohnheit“, versichert Singhal. „Statt den Fahrstuhl zur Dachterrasse zu nehmen, müssen sie nun ein paar Stufen hinablaufen.“

Weil auch der freie Platz auf Dächern in Delhi knapp ist, soll ein Solarkraftwerk im indischen Bundesstaat Rajasthan den restlichen Strombedarf der Metro decken. Ob der Solarstrom auch in der Hauptstadt ankomme, wollen die Zuhörer bei einer Tagung in Hannover wissen. Dort haben sich in den vergangenen Tagen einige hundert Vertreter von Kommunen und Vereinen zum Austausch getroffen. Man sei mit den Netzbetreibern im Gespräch, antwortet Singhal vage. Nicht nur, um den Strom auf überlasteten Leitungen in die Stadt zu bekommen, sondern auch, um eine Versorgung rund um die Uhr zu gewährleisten. Das geht nur mit Speichern, die nachts Strom liefern.

Stromproduktion aus Solarenergie

„Die Probleme sind ganz ähnlich wie die in Deutschland“, kommentiert Timon Herzog von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die GIZ unterstützt die Metro in Delhi mit technischem Knowhow. Die indische Regierung wolle die Stromproduktion aus der Solarenergie bis 2020 praktisch verfünffachen, berichtet er. Wie es der Zufall will, hat Indien am Tag zuvor seine freiwillige Selbstverpflichtung zum Klimaschutz an die Vereinten Nationen gemeldet. Insgesamt haben sich dort schon 146 Staaten gemeldet, die für 87 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind. Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist zufrieden.

Selbst wenn alle Verpflichtungen umgesetzt werden, dürfte zwar das Ziel der Vereinten Nationen verfehlt werden, den Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen. „Aber es machen alle mit“, sagt Hendricks in Hannover. Deshalb erwarte sie einen Erfolg beim anstehenden UN-Klimagipfel in Paris: Dort soll ein Weltklimavertrag verabschiedet werden. Außerdem könne man den Staaten des globalen Südens, also auch Indien, inzwischen das Knowhow für marktfähige grüne Technologien anbieten. Der Chefingenieur Manuj Singhal bestätigt, dass sich der Solarstrom für die Metro in Delhi rechne.

Auch Barbara Hendricks stimmt ein in das Mantra der Tagung in Hannover, dass es im Klimaschutz auf die Kommunen ankomme. Wie viele andere Redner aus Politik und Wissenschaft feuert sie die Teilnehmer an: Die Politik müsse von einer Welle des bürgerlichen und kommunalen Engagements getragen werden. Der Optimismus ist ansteckend, auch wenn nicht alle von so schwungvollen Projekten berichten können wie Singhal. Man hört Empfehlungen wie: Netzwerke aufbauen, Akteure vor Ort einbinden, die wirklichen Bedürfnisse erfragen – und: nicht aufgeben. „Wer soll es denn machen, wenn nicht wir?“, ist der Tenor aus vielen Arbeitsgruppen. Und die Politik bekräftigt: „Ihr seid doch viel näher dran an den Menschen.“ Auf dem G7-Treffen in Elmau hatten die Mächtigen beschlossen, die Weltwirtschaft in diesem Jahrhundert zu dekarbonisieren, also den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2100 auf null zu senken. „Manche Kommune wird das schon 2030 erreichen“, sagt der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel, der die Idee zu der Tagung hatte. Global wird verhandelt, aber gehandelt offenbar lokal.

Klimagipfel in Paris steht an

Das alles verdrängt aber nicht die große Frage, ob die Anstrengungen ausreichen werden. Die Bundesregierung scheint nicht zu erwarten, dass beim Klimagipfel in Paris im Dezember ein Vertrag geschlossen wird, der das Zwei-Grad-Ziel tatsächlich erreicht. Die Bundeskanzlerin sagte zuletzt, dass Paris „noch nicht die Lösung für die Zielerreichung sein“ werde. Hendricks erläutert in Hannover die diplomatische Strategie: Es soll in Paris vereinbart werden, dass man alle fünf Jahre von einer unabhängigen Stelle prüfen lässt, ob die Staaten ihre Selbstverpflichtungen einhalten und was daraus für das Klima folgt. Bei jeder dieser Überprüfungen habe man dann die Gelegenheit, die Ziele anzuheben. „Wir haben 85 Jahre bis zum Ende des Jahrhunderts, um besser zu werden“, sagt Hendricks.

Hans Joachim Schellnhuber, der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, fordert in Hannover sogar eine Überprüfung alle drei Jahre. Und er sagt, was für ihn ein Scheitern des Gipfels wäre: wenn die Staaten in Paris nur Versprechungen machen würden, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Auf die Frage, welches kommunale Projekt er sich wünsche würde, antwortet er: „Warum bauen wir nicht Städte aus Holz?“ Wenn man die Konstruktion mit Carbonfasern verstärke, könnten Hochhäuser mit 20 Stockwerken entstehen. Holz würde bei der Herstellung sogar der Atmosphäre CO2 entziehen statt wie Beton zu Emissionen führen. Bei der Zementherstellung fallen weltweit im Jahr rund zwei Milliarden Tonnen CO2 an.

Das Ergebnis der Tagung als Deklaration findet man hier.

Wie man Menschen für Klimaschutz begeistert

Drei ausgezeichnete Projekte zeigen, wie man Menschen für Klimaschutz begeistert

Mannheim: Die Stadt ist eine von neun Siegern des Wettbewerbs „Kommunaler Klimaschutz“ . Sie erhält 25 000 Euro für ihr Projekt „FlurfunkE“, mit dem sie Mitarbeiter der Stadtverwaltung für Klimaschutz sensibilisiert. Beispielsweise gehen Energieberater von Büro zu Büro oder es wird ein Fahrradcheck angeboten. „Die Termine werden stark nachgefragt“, sagt Agnes Schönfelder von der Klimaschutzleitstelle der Stadt. „Und es macht riesig Spaß.“

Traunstein: Der bayerische Landkreis wird zusammen mit dem Landkreis Berchtesgadener Land und dem Salzburger Seenland für das Schulprojekt „Klimaladen“ ausgezeichnet. In dieser Wanderausstellung kaufen Schüler ein und rechnen anschließend aus, wie viele Treibhausgase bei der Produktion und beim Transport der Produkte erzeugt worden sind. Die Produkte, die neutral und ohne Logo verpackt sind, wurden selbst gebastelt.

Northeim: „Unser Dorf soll schöner werden“ war gestern. In den niedersächsischen Landkreisen Northeim, Osterode und Göttingen haben die Gemeinden schon darum gekämpft, wer den meisten Strom spart und die meiste Sonne nutzt. Die Konkurrenz könne manche Nachbargemeinden anstacheln, sagt der Landrat Bernhard Reuter. Aber bei diesen Themen gewinne doch jeder, der mitmacht. Der dritte Wettbewerb sei schon in Arbeit – und das Engagement wird mit 25 000 Euro prämiert.