Deutschland sieht sich gerne als weltweiten Vorreiter beim Klimaschutz. Doch auf nationaler Ebene kann sich die Koalition nicht einigen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Umweltminister Peter Altmaier hat stressige Tage vor sich. Am 4. Dezember will er beim CDU-Parteitag erklären, wie die Energiewende zu bewältigen ist. Tags darauf wird er bei der Klimaschutzkonferenz in Doha, der Hauptstadt von Qatar, erwartet. Dort reist Altmaier als Musterschüler an – der seine Hausaufgaben aber noch nicht erledigt hat. In der schwarz-gelben Koalition liegt er mit FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler über Kreuz. Und auf der Ebene der Europäischen Union werden wesentliche Fragen erst nach Doha zu beantworten sein.

 

Altmaier erläuterte am Freitag seine Erwartungen und seine Verhandlungspositionen für das Treffen am Persischen Golf, bei dem die Welt sich auf einen Kurs verständigen muss, um bis 2020 doch noch Ziele vereinbaren zu können, damit die globale Erwärmung wenigstens auf maximal zwei Grad begrenzt wird. Der CDU-Minister zeigte sich „beunruhigt über den Stand der Vorbereitungen“. Es sei „noch nicht gesichert“, dass in Doha ein Fortschritt erreicht werden könne.

Europäer sollen sich ehrgeizigere Ziele setzen

„Die Europäer müssen beim Klimaschutz weiter vorangehen“, fordert Altmaier deshalb. Er pocht darauf, die Emission von Treibhausgasen stärker zu drosseln, als bisher vereinbart war. Die EU hatte sich auf eine Zielmarke von 20 Prozent Reduktion bis 2020 verständigt. Diese Marke ist beinahe schon erreicht. Altmaier plädiert dafür, ein ehrgeizigeres Ziel zu formulieren: 30 Prozent Reduktion. Deutschland selbst peilt 40 Prozent an. Vor der entscheidenden Runde in Doha sei aber auf europäischer Ebene keine Verständigung mehr möglich, sagte der Minister. Er hält das frühestens Anfang 2013 für wahrscheinlich. Das Umweltbundesamt (UBA) und führende Wissenschaftler, welche die Bundesregierung beraten, dringen jedoch auf ein beschleunigtes Tempo. Die EU müsse sich möglichst noch in Doha auf ein 30-Prozent-Ziel festlegen, sagte UBA-Präsident Jochen Flasbarth am Freitag.

Mitte Dezember – und damit nach dem Ende der Doha-Konferenz – steht eine neue Verhandlungsrunde zum europäischen Emissionshandel an. Das einst mustergültige System droht seine Steuerungswirkung zu Gunsten des Klimaschutzes einzubüßen, weil inzwischen eine regelrechte Inflation bei den Emissionszertifikaten herrscht. Das führte zu einem Preisverfall. Die Folge: Für Unternehmen ist es nicht mehr profitabel, Anlagen mit hohen Emissionswerten zu modernisieren oder zu ersetzen. „Das System verliert auch international an Attraktivität“, warnte Umweltminister Altmaier. Er dringt darauf, 900 Millionen Zertifikate, die jeweils zum Ausstoß von einer Tonne Kohlendioxid berechtigen, vom Markt zu nehmen. Koalitionsintern muss Altmaier sich jedoch erst mit Vizekanzler Rösler verständigen. Der mauert bisher. Der Emissionshandel werde aber nur dann funktionieren, wenn die Zahl der Zertifikate verknappt werde. „Deutschland wird wie kein anderes Land mit Klimaschutz identifiziert“, mahnte Altmaier, „wir müssen diese Vorreiterrolle verteidigen.“ Klimaschutz sei für eine Exportnation auch ein entscheidender Wirtschaftsfaktor.

Vorerst keine Abwrackprämie für Kühlsckränke

Er fängt jedoch im Kleinen an. Dabei musste Altmaier am Freitag übersteigerte Erwartung dämpfen. Entgegen anderslautender Berichte werde es keine „Abwrackprämie“ für klimaschädliche Haushaltsgeräte geben. Es werde jedoch überlegt, wie Langzeitarbeitslose oder andere Hartz-IV-Empfänger beim Energiesparen unterstützt werden könnten. Dabei sei an eine Einzelfallhilfe gedacht. Zwischen Arbeits- und Umweltministerium sind die Details jedoch noch nicht restlos geklärt. Anfang kommenden Jahres will Altmaier eine „Charta des Strom- und Energiesparens“ auflegen und dafür bis zu 100 Millionen Euro ausgeben.