Ohne die Bundeskanzlerin Angela Merkel findet am Dienstag in den USA der UN-Klimagipfel statt. Dabei gilt Deutschland als ökologisches Vorbild, wenngleich es bei der Energiewende hakt.

New York/Berlin - Ban Ki Moon hat geladen. Und so werden sich am Dienstag in New York mehr 120 Staats- und Regierungschefs – unter ihnen US-Präsident Barack Obama, der britische Premier David Cameron sowie der französische Präsident Francois Hollande – bei den Vereinten Nationen zu einer Klimaschutzkonferenz versammeln. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aber folgt der Einladung des UN-Generalsekretärs nicht und lässt sich von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) vertreten. Die Absage der Kanzlerin, die sich einst im roten Anorak fotografieren ließ, wie sie in Grönlands die Erderwärmung in Augenschein nahm, hat ihr Kritik eingetragen. Allerdings ist das New Yorker Treffen keine Konferenz, von der international verbindliche Beschlüsse zum Klimaschutz erwartet werden. Vielmehr wird Ban Ki Moon die Politiker beschwören, sich auf den Pariser Klimagipfel im Herbst 2015 vorzubereiten und dort endlich ein Schutzabkommen zu vereinbaren.

 

Während Merkel heute als Gastrednerin beim Bundesverband der deutschen Industrie auftritt, kommen also auf Hendricks möglicherweise kritische Fragen zu. Zwar sieht sich die Bundesregierung als Vorreiter im internationalen Klimaschutz: Sie will für die Zeit nach 2020 ein umfassendes Schutzabkommen erreichen und hat angekündigt, den Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu verringern. Für das Jahr 2040 ist gar ein Rückgang um 70 Prozent avisiert. Auch bietet Berlin mit dem Petersberger Klimadialog eine diplomatische Plattform, auf der zwischen den Gipfeltreffen die Umweltminister aus vielen Staaten versuchen, die internationalen Beratungen voranzubringen. Allerdings fällt die Bilanz des wichtigsten deutschen Projekts zum Klimaschutz, sprich: der Energiewende, zwiespältig aus.

Auf der Plus-Seite steht der kräftige Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, der rascher als erwartet gelingt. Deckten sie 2000 erst sechs Prozent des Stromverbrauchs, betrug dieser Anteil im ersten Halbjahr 2014 schon 31 Prozent. Die Vorgabe von 35 Prozent Ökostrom, die Berlin für 2020 anstrebt, wird also locker zu erreichen sein. Richtig ist aber auch, dass die Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland 2013 um 1,2 Prozent auf 951 Millionen Tonnen gestiegen sind. Das hat mit dem strengen Winter 2012/2013 zu tun, als mehr Öl und Gas verfeuert wurde.

Experten halten es für umöglich, das Klimaziel zu schaffen

Der zweite und gravierendere Grund ist aber der Preisrückgang bei den sogenannten C02-Zertifikaten. Er führt dazu, dass die Stromnachfrage weniger durch klimafreundliche Gaskraftwerke, sondern verstärkt durch Stein- und Braunkohlekraftwerke gedeckt wird – durch Kraftwerke also, die viel Kohlendioxid emittieren. Fachleute der Unternehmensberatung McKinsey, die einen Energiewende-Index erstellen, halten es für nahezu unmöglich, dass Deutschland das Klimaziel – 40 Prozent weniger Ausstoß bis 2020 – noch erreicht.

Denn dafür müsste der Ausstoß jährlich um 3,5 Prozent fallen. Im Schnitt ergab sich seit 2000 nach Angaben des Index aber ein jährlicher Rückgang von nur 0,7 Prozent. Wie schwierig es ist, das Ziel zu schaffen, machen die Fachleute an einem Beispiel deutlich. Um die Minderung um 40 Prozent zu erreichen, müsste sich die Heizenergie aller Haushalte halbieren und sämtlicher Verkehr komplett C02-frei sein. Auch eine dritte Variante, die zum Ziel führte – Strom aus Sonne und Wind ersetzt den Braunkohlestrom vollständig – gilt als wenig realistisch. Die Krux liegt also nicht in Merkels Absage in New York, sondern darin, dass Deutschland seine Vorreiterrolle zu verspielen droht.