Die Anpassung an einen bestimmten Sauerstoffgehalt beschränkt die Möglichkeiten vieler Meereslebewesen, dem Anstieg der Temperaturen in kühlere Gefilde auszuweichen. Korallen haben außerdem noch ein anderes Problem – sie fänden in nördlicheren Breiten nicht genug Lichteinstrahlung vor, wie Forscher jetzt im Fachblatt „Science“ berichten.

Stuttgart - Nicht nur an Land, sondern auch in den Weltmeeren stoßen viele Organismen irgendwann an ihre Grenzen, wenn sie sich an den Klimawandel anpassen müssen. So steht Korallen weniger Sonnenlicht zur Verfügung, wenn sie wärmeren Wassertemperaturen ausweichen und ihr Verbreitungsgebiet in Richtung auf die Pole in kühlere Regionen verschieben, berichten Paul Muir vom Museum of Tropical Queensland in Townsville und seine Kollegen aus Neuseeland und Australien in der Fachzeitschrift „Science“ (Band 348, Seite 1135). Eine andere Grenze ist der Sauerstoffgehalt im Wasser, erklären Curtis Deutsch von der University of Washington in Seattle und seine Kollegen in der gleichen Ausgabe von „Science“.

 

Diese Konzentration wiederum folgt einem physikalischen Gesetz: Kaltes Wasser kann mehr Sauerstoff aufnehmen als warmes. Fische und andere Tiere aber können ohne dieses Gas nicht leben. Wenn sie sich bewegen, Nahrung suchen oder sich fortpflanzen, kommt ihr Organismus auf Touren, und sie benötigen deutlich mehr Sauerstoff als ohne solche Aktivitäten. „Betroffen sind also vor allem aktivere Fische“, erklärt der Co-Autor der Studie, Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven. Obendrein leben im Meer vor allem Tiere, deren Körper ungefähr die gleiche Temperatur wie das Wasser hat. Werden das Wasser und der Körper wärmer, kommt der Organismus dadurch zusätzlich auf Touren und braucht noch mehr Sauerstoff. Die Meeresbewohner kommen so gleich zweifach in die Klemme. Sie können also unter Umständen nicht in ihrer angestammten Region bleiben.

Das scheint zunächst einmal kein Problem zu sein. Schließlich können die Organismen in kühlere Gewässer wandern oder sich mit der Strömung dorthin treiben lassen. Allerdings ist auch in den Weltmeeren die Freiheit nicht grenzenlos. Klimaflüchtlinge stoßen auf unüberwindliche Hindernisse. Im Mittelmeer steigen die Temperaturen von der relativ kühlen französischen Küste nach Südosten bis zu den warmen Küsten Israels deutlich an. Heizt der Klimawandel das Wasser weiter auf, können die Lebewesen, die eine kühlere Umgebung gewohnt sind, zwar nach Nordwesten ausweichen. „Je weniger Wärme sie aber vertragen oder je mehr Sauerstoff sie benötigen, umso eher erreichen sie an der Küste Frankreichs das Ende der Sackgasse“, erklärt AWI-Forscher Hans-Otto Pörtner.

Dieses Problem – steigender Sauerstoffbedarf der Organismen bei gleichzeitig sinkendem Sauerstoffgehalt des Wassers – haben die Forscher an Arten wie dem Kabeljau, der Aalmutter und an Steinkrabben auch in Computermodellen untersucht. Geht der Temperaturanstieg wie bisher bis zum Ende des 21. Jahrhunderts weiter, verlieren solche Arten ein Fünftel ihrer Leistungsfähigkeit und haben schlechtere Überlebenschancen. Besonders betroffen sind die kühlen Gewässer in hohen nördlichen und südlichen Breiten. Dort haben sich die Arten an den besonders hohen Sauerstoffgehalt des Wassers angepasst. Sie kommen als allererste in Schwierigkeiten.

Da haben es Steinkorallen schon besser. Das sind zwar auch winzig kleine Tierchen, von Biologen „Polypen“ genannt. Aber sie leben meist mit noch kleineren Algen zusammen. Diese stellen mit Hilfe von Sonnenlicht aus Kohlendioxid und Wasser wichtige Moleküle des Lebens her und produzieren dabei Sauerstoff. Zumindest tagsüber ist daher die Sauerstoffversorgung in einem Korallenriff gut.

Steinkorallen haben dafür ein ganz anderes Problem. Während Fische oder Krabben unter Umständen in tieferes Wasser ausweichen können, das normalerweise kälter ist und so auch mehr Sauerstoff enthalten kann, bleibt dieser Ausweg den Polypen verschlossen: Ihre Algen wachsen ja nur mit Sonnenlicht, das aber mit der Wassertiefe immer schwächer wird. Selbst um den Äquator wachsen Steinkorallen daher allenfalls noch in 26 Meter Tiefe, erklären Paul Muir und seine Kollegen. Je weiter eine Region aber vom Äquator entfernt liegt, umso niedriger steht die Sonne vor allem in den Wintermonaten am Himmel. Dort dringt das Licht also weniger weit in die Tiefe, und tatsächlich wachsen um den 30. Breitengrad, also ungefähr auf Höhe der Kanarischen Inseln, Steinkorallen allenfalls noch in elf Meter Tiefe.

Andererseits vertragen die Algen in den Korallen steigende Wassertemperaturen nur schlecht. In einigen Regionen wie zum Beispiel in der Karibik kam es daher zu Korallenbleichen, der ganze Riffe zum Opfer fielen. In weiter vom Äquator entfernte Regionen aber können die Korallen kaum ausweichen: Jeder Breitengrad Richtung Pole kostet sie weitere 60 Zentimeter Wassertiefe, rechnen Paul Muir und sein Team aus. Korallen stoßen im Klimawandel also an ihre Grenzen.

Falsch gemessen? Amerikanische Forscher haben die Messdaten in Sachen Klimawandel rückwirkend korrigiert

Stuttgart - Etwa seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts scheinen die steigenden Temperaturen auf der Erde eine Pause eingelegt zu haben. Vor zwei Jahren wies der Weltklimarat (IPCC) der Vereinten Nationen auf diese Entwicklung hin.

Klimaforscher betonten, das Plateau hänge mit natürlichen, chaotischen Schwankungen zusammen und sei nur vorübergehend. In Zukunft würden Treibhausgase, die ja unvermindert stark produziert würden, die Durchschnittstemperaturen an der Oberfläche des Globus weiter steigen lassen.

Auch wenn es also unterschiedliche Auslegungen gab, in einem Punkt waren sich alle Beteiligten bisher einig: dass die Pause tatsächlich existiert. Mit Ausnahme von Thomas Karl von der Wetter- und Ozeanografie-Behörde (NOAA) der USA in Asheville und seinen Kollegen, die in der Zeitschrift „Science“ nun zu einem Paukenschlag ausholen. Sie behaupten, dass von einem langsameren Temperaturanstieg in den vergangenen 15 Jahren keine Rede sein könne.

Zu diesem Schluss kommen die NOAA-Forscher, indem sie die Daten Tausender Wetterstationen an Land und ähnlich vieler Handelsschiffe und Beobachtungsbojen in den Meeren korrigieren. Es hätten sich Fehler eingeschlichen. So haben Schiffe bis zum Zweiten Weltkrieg Eimer über Bord geworfen und mit Wasser gefüllt wieder an Bord geholt. Die so gemessene Temperatur liegt niedriger als die Oberflächentemperatur des Meeres, weil auch in isolierten Eimern ein Teil des Wassers verdunstet und dabei die Flüssigkeit abkühlt. Diese Abweichung war gut bekannt, und die mit Eimern gewonnenen Daten wurden entsprechend korrigiert.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde diese Methode aber rasch durch Thermometer ersetzt, die direkt die Temperatur der Luft maßen, die von der Schiffsmaschine von außen angesaugt wird. Schiffsmessungen in jüngerer Zeit wurden nicht mehr berichtigt – was sich jetzt als Fehler herausstellte: Tatsächlich nutzten nämlich etliche Schiffe auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch die Eimer-Methode, einige tun das heute noch. Als Thomas Karl und seine Kollegen daher für die mit Eimern gewonnenen Daten bis zur heutigen Zeit eine entsprechende Korrektur anwendeten, zeigte die Welt-Temperaturkurve für die Zeit zwischen 2000 und 2014 wieder nach oben.

„Diese und weitere Korrekturen von Thomas Karl und seinen Kollegen verbessern die Qualität der Klimadaten erheblich“, erklärt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, der am letzten IPCC-Bericht mitgearbeitet hat. Die Behauptung der NOAA-Forscher, dass der Temperaturanstieg sich seit dem Jahr 2000 nicht verlangsamt hätte, teilt er aber nicht. Nach einer ersten Analyse der Daten der US-Kollegen sei das Klimaplateau zwar weniger ausgeprägt. „Es verschwindet aber keineswegs“, interpretiert Jochem Marotzke die neuen Daten. Der Anstieg der Kurve ist seit 2000 schwächer geworden. Die Ursache dafür möchte Marotzke nun erforschen.