Der Klimawandel trifft Menschen, die in Städten leben besonders hart. Versiegelte Flächen heizen sich tagsüber stark auf und kühlen nachts langsam ab. Deswegen überlegt sich das Landesgesundheitsamt bereits Strategien auch für die fernere Zukunft.

Stuttgart - Die Hitze der vergangenen Tage ist ein Vorbote der Klimaveränderung, wie sie das Land künftig zu spüren bekommen wird. „Baden-Württemberg gehört zu den von den Veränderungen des Klimas am stärksten betroffenen Gebieten Deutschlands“, stellt das Landesgesundheitsamt in seinem jetzt veröffentlichten Jahresbericht fest. Im Südwesten sei die mittlere Jahrestemperatur in den vergangenen hundert Jahren um mehr als ein Grad Celsius angestiegen. „Das ist deutlich mehr als der global verzeichnete Anstieg von 0,7 Grad“, legt die für das Thema zuständige Autorin Karin Otzelberger dar.

 

Vorausberechnungen besagen, dass sich die Zahl heißer Tage in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2100 „mindestens verdreifachen“ wird. Das Landesgesundheitsamt prüft im Rahmen einer Strategie zur Anpassung an die veränderten Klimabedingungen, „wie man der zunehmenden Hitzebelastung begegnen kann“.

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Die vorgeschlagenen Ideen sind vielfältig und reichen von Anregungen für den Städtebau über Vorschläge zur Ergänzung der medizinischen Kompetenz bei Ärzten bis zu Überlegungen zum Arbeitsschutz für Menschen, die im Freien arbeiten.

Die zunehmende Hitzebelastung werde sich in häufiger auftretenden und länger anhaltenden Hitzewellen zeigen. An mehr als 26 Tagen im Jahr, so die Modellberechnungen, werde das Thermometer mehr als 30 Grad anzeigen. Auch mit tropischen Nächten sei deutlich häufiger zu rechnen. Dann fällt die Temperatur nachts nicht unter 20 Grad. Extremwetterlagen, weniger Regen im Sommer und womöglich eine stärkere UV-Strahlung sind weitere Begleiterscheinungen des Wandels.

Nährboden für neue Krankheiten

Ein Großteil der Bevölkerung lebe in den Tieflagen der Oberrheinebene und des mittleren Neckarraums. Die Hälfte der Menschen sind auf Höhenlagen unterhalb 300 Metern zu Hause. Dort liegen auch die meisten Städte. Gerade hier aber werde die durchschnittliche Jahrestemperatur die höchsten Werte erzielen, hier werden Hitzephasen am häufigsten auftreten.

Als Folge könnten sich bisher unbekannte Stechmückenarten in der Oberrheinebene ansiedeln und neue Infektionskrankheiten verbreiten. „Auch Zecken und Kleinnager haben bessere Überlebenschancen und können vermehrt Krankheiten übertragen.“ Von der Hitze in besonderem Maße betroffen „sind ältere und sozial isolierte, allein lebende Menschen“. Ihnen fällt es schwer, sich an hohe Temperaturen anzupassen. Das gilt auch für Kinder.

Wer in der Stadt wohnt, ist besonders betroffen. Dort bilde sich „ein ganz eigenes Regionalklima aus“. Versiegelte Flächen heizen sich tagsüber stark auf und kühlen nachts langsam ab. Dadurch werde es in Städten im Vergleich zum Umland deutlich wärmer, und zwar in einem engen Zusammenhang zur Größe der Städte. „In Megastädten kann es zu einem Temperaturunterschied von bis zu zehn Grad kommen.“ Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe und Freiburg lägen in den heißesten Regionen. „Hier sind innovative Anpassungsmaßnahmen gefragt!“, wird gefordert.

Klimatisierte Räume gegen den Hitzestress

Zum Beispiel seien bei städtebaulichen Planungen Grünkonzepte und Freiluftschneisen vorzusehen. Dadurch könne der „Hitzeinseleffekt“ abgemildert werden, die Stadt wird besser durchlüftet. Die Mediziner raten zudem, dass die Städte „auch für ausreichend Erholungsmöglichkeiten für hitzegeplagte Menschen im Freien unter Bäumen sorgen“.

Nach amerikanischem Vorbild sollen Abkühlzentren geschaffen werden: „Während ausgeprägter Hitzeperioden sollte es in Innenstädten kühle, eventuell klimatisierte Räume geben“, schreiben die Gesundheitsfachleute. „Dort könnte man sich vom Hitzestress erholen, sich abkühlen und erfrischen.“ Öffentliche Einrichtungen oder Seniorenzentren könnten dies speziell für bedürftige und ältere Menschen anbieten. Für Kaufhäuser könnte es üblich werden, kostenlos einen Ruheraum ohne Konsumzwang anzubieten.