Beim Thema Abtreibung winken die meisten Vermieter ab: Der Mietvertrag der Klinik Stapf, der größten Abtreibungsklinik im Südwesten, mit der Stadt Stuttgart läuft aus. Doch neue Räume sind schwer zu finden.
 

Stuttgart - Selbst das Sozialministerium zeigt sich angesichts der Debatte besorgt: Die wohl größte Abtreibungsklinik im Land, die Klinik Stapf in Stuttgart, steht vor dem Aus. Der Mietvertrag mit der Stadt läuft zum Jahresende aus - und Inhaber Friedrich Stapf findet keine neuen Räume.

 

Sollte die Klinik schließen, droht nach Aussage von Pro Familia Stuttgart eine „gravierende Versorgungslücke“ für die Region, wie die Leitende Ärztin Marion Janke am Dienstag sagte. Pro Familia Baden-Württemberg sieht Stadt und Land in der Pflicht zu helfen. Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) appelliert an die Beteiligten.

Nach Angaben von Friedrich Stapf werden in der Klinik pro Jahr mehr als 2000 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Zum Vergleich: landesweit waren es 2013 knapp 11.200. Pro Familia betonte zudem, dass Stapf in Stuttgart der einzige Arzt sei, der auch ambulante Abtreibungen bis zur 18. Woche anbiete. Künftig bliebe den Frauen demnach nur noch der stationäre Eingriff in einer Klinik. Nach der zwölften Woche ist in Deutschland ein Abbruch nur noch erlaubt, wenn entweder die Gesundheit der Mutter durch die Schwangerschaft gefährdet ist oder das Kind behindert zur Welt kommen würde.

Stapf sucht nach eigenen Angaben seit eineinhalb Jahren neue Räume. Doch es sei extrem schwer, geeignete Räume zu finden, beispielsweise mit einem zweiten Notausgang, sagte der 68-jährige Arzt. Außerdem: „Das Thema will keiner im Haus haben.“ Vermieter würden schnell abwinken. Wer doch Interesse habe, scheue die hohen Umbaukosten. „Die Stadt sagt, sie hat keine Räume“, sagte Stapf. Pro Familia hat das Gespräch mit der Verwaltung gesucht. Kleinere Praxen könnten den Wegfall der Klinik Stapf nicht einfach ausgleichen, sagte Janke.

Stapf hatte Frist für Verlängerung versäumt

Hintergrund für die Notlage ist ein Versäumnis Stapfs, wie er auch einräumt. Das Klinikum Stuttgart hatte dem Mediziner die Räume in der Türlenstraße vor rund zehn Jahren vermietet und die zweimalige Verlängerung des Mietvertrages zugesagt. Stapf, der mittlerweile in seiner Klinik in München arbeitet, hatte die entscheidende Frist für die letzte Verlängerung allerdings verpasst.

Eigentlich hätte die Klinik Stapf schon im Sommer ausziehen müssen. Nun soll Ende des Jahres Schluss sein. Stapf ist in der Vergangenheit allerdings schon als streitbarer Geist aufgefallen: Mitte der 1990er Jahre war er mit einer Verfassungsbeschwerde erfolgreich gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechtes in Bayern vorgegangen.

Der Stuttgarter Bürgermeister für Krankenhäuser und Allgemeine Verwaltung, Werner Wölfle (Grüne), verwies am Dienstag auf die Bereitschaft der Stadt zu helfen: „Die Stadt nimmt ihren Auftrag selbstverständlich wahr, eine ausreichende stationäre Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen zu bieten.“ Im Interesse der Frauen „tun wir alles uns Mögliche, dieses medizinische Angebot in Stuttgart zu halten“. Der Krankenhausausschuss des Gemeinderats wird sich demnach am Freitag öffentlich mit dem Thema befassen.

Selbst das Sozialministerium zeigte sich angesichts der Debatte um den Fortbestand der Klinik besorgt. „Ich hoffe sehr, dass Stadt und Klinik rechtzeitig eine Lösung für neue Räumlichkeiten finden“, sagte Altpeter der Nachrichtenagentur dpa. „Müsste die Klinik schließen, würde dies für betroffene Frauen in der Region eine sehr schwierige Situation heraufbeschwören.“