Die Klinikenholding will wieder schwarze Zahlen schreiben. Doch kleine Korrekturen reichen nicht, es geht an die Substanz: Der medizinische Bereich soll umstrukturiert werden. Unter anderem steht dem Vaihinger Krankenhaus womöglich eine Umwidmung zum Gesundheitshaus bevor.

Ludwigsburg - Es wurde mit Spannung erwartet. Schon seit Wochen wurde auf das noch ausstehende Gutachten verwiesen, wenn die Sprache auf die Regionale Kliniken-Holding (RKH) kam. Gestern ist das Ergebnis der Untersuchung vom Institute for Health Care Business nun vorgestellt worden. Es wurden jedoch weder große Überraschungen noch exakte Details darüber preisgegeben, was genau an den insgesamt neun Standorten der Holding geplant ist. Nur eines wird deutlich: Die Richtung, die die Klinikenleitung im vergangenen Jahr bereits vorgegeben hat, soll energischer denn je verfolgt werden. Und diese lautet: Sparen durch Spezialisieren.

 

Anlass für die Überlegungen zur Umstrukturierung war die schlechte Bilanz im Jahr 2012. Damals war erstmals ein negatives Betriebsergebnis für die Kliniken-Holding eingefahren worden, insgesamt erwirtschafteten die Krankenhäuser ein Minus von 14 Millionen Euro. 2013 hat sich die Finanzlage zwar deutlich verbessert, aber man müsse jetzt gegensteuern, um sich sanieren zu können, sagt Jörg Martin, der medizinische Leiter der Kliniken-Holding. Dabei reiche es nicht aus, bei Einkauf und Personal Synergien zu nutzen, wie man es bereits tue. Die Holding müsse sich ganz neu aufstellen und in jedem Krankenhaus klare medizinische Schwerpunkte setzen, wenn alle Standorte erhalten werden sollten.

Drei Landkreise - Eine Holding (Klicken Sie auf die Grafik für eine größere Ansicht)

Fachgruppen eingerichtet

Eine grobe Struktur ist bereits absehbar. So soll die Radiologie beispielsweise langfristig zentral von Ludwigsburg und Bruchsal koordiniert werden, am Bietigheimer Krankenhaus wird eine plastische Chirurgie etabliert und in Bretten ein Schmerztherapie-Zentrum. Parallel zu den ersten Vorbereitungen für diese Schwerpunktsetzung hat Jörg Martin bereits medizinische Fachgruppen eingerichtet, in denen sich Ärzte aus der gesamten Holding austauschen können. Damit soll auch gewährleistet werden, dass man sich untereinander kennt und Patienten an den richtigen Spezialisten weiter geleitet werden.

Zugute kommt der RKH laut dem Gutachten, dass sie in der Fläche keine Konkurrenz von Holdingfremden hat und dass ihr Marktanteil im Einzugsgebiet sehr hoch ist. Zudem verfügt sie über Einrichtungen, in denen Kranke und Verletzte aller Schweregrade versorgt werden können. Auch die Demografie arbeite für die Holding: In einer alternden Gesellschaft gebe es mehr Patienten, zudem verzeichne der Kreis Ludwigsburg noch einen Zuzug.

Kleine Häuser werden defizitärer

Zu schaffen mache der Kliniken-Gesellschaft hingegen, dass sich die einzelnen Häuser derzeit intern oft noch Konkurrenz machten, weil viele Leistungen an mehreren Standorten angeboten würden, sagt Boris Augursky, Geschäftsführer des Institute for Health Care Business. Außerdem wachse die Konkurrenz von außen, gleichzeitig würden die kleinen Häuser in der Holding immer defizitärer. Auch steigende Personalkosten, die nicht absehbare Verbesserung der Vergütungen für Krankenhäuser und der Fachkräftemangel seien schwierig.

Nun müssen die im Gutachten unterbreiteten Vorschläge noch von den Gremien der Krankenhausträger diskutiert und abgesegnet werden. Ziel ist es laut Jörg Martin, diese bald umzusetzen: „Wir müssen 2015 nutzen, um mit den großen Dingen zu beginnen“, sagt er. Allerdings: auch wenn die Umstrukturierung wie vorgesehen durchgezogen wird, ist laut dem Gutachten nicht mit großen Gewinnen zu rechnen, sondern zunächst nur mit einer roten Null. Doch das sei „sehr konservativ“ gerechnet, betont Jörg Martin. Da sei sicher noch mehr drin.

Verliert Vaihingen sein Krankenhaus?

Vaihingen/Enz - Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Das Krankenhaus in Vaihingen/Enz ist mit 60 Betten das kleinste im gesamten kommunalen Klinikverbund RKH. Der Standort schreibt konstant rote Zahlen – 2013 lag das Jahresdefizit bei 940 000 Euro. Und: nur wenige Kilometer entfernt, in Mühlacker betreibt die RKH ein größeres, wirtschaftlich offenbar weit besser aufgestelltes Krankenhaus.

Von einer Schließung des Standorts Vaihingen mochte dennoch am Donnerstag bei der Präsentation des Standortgutachtens der RKH niemand sprechen. Vielmehr legt das Gutachten nahe, das Haus in Vaihingen zu einem „Gesundheitszentrum“ umzubauen. Chefärzte, Pförtner oder Notfallversorgung auf den Stationen – die Fixkosten in Vaihingen seien für die Grundversorgung außerordentlich hoch, so Jörg Martin, RKH-Geschäftsführer.

Das Krankenhaus als „medizinisches Annahmezentrum“?

Wenn das Haus zu einem Gesundheitszentrum umgebaut werde, dann falle ein Großteil dieser Kosten weg. Stationäre Versorgung sei dann zwar nicht mehr so wie heute in Vaihingen möglich. Jedoch solle weiterhin ein breites Spektrum an Fachabteilungen und eine Notfallversorgung angeboten werden.

Dieser Weg dürfte für die RKH allerdings schwierig werden. Denn die Kassenärztliche Vereinigung im Land (KVBW) achtet genau darauf, dass in den Kreisen kein Überangebot an ambulanten ärztlichen Leistungen besteht. In praktisch allen Fachgruppen im Landkreis Ludwigsburg gibt es laut der KVBW-Bedarfsplanung bereits heute ein Überangebot. Dass der RKH für Vaihingen zusätzliche Arztsitze genehmigt werden, scheint ausgeschlossen. Gangbar erscheint laut dem KVBW-Sprecher Kai Sonntag allenfalls der Weg, dass niedergelassene Ärzte ihre Praxis in das geplante „Gesundheitszentrum“ verlegen. Die Idee, ein Krankenhaus durch ambulante Angebote zu ersetzen, sei äußerst ungewöhnlich, sagt Kai Sonntag.

Auch der Vaihinger Oberbürgermeister Gerd Maisch ist skeptisch bezüglich des Konzepts. „Ich denke, dass ein Krankenhaus für Vaihingen/Enz seine Berechtigung hat.“ Vor allem für die wachsende Zahl älterer Menschen sei es wichtig, eine Rundumversorgung am Wohnort zu haben. Aber er fürchte, dass Vaihingen zum „medizinischen Annahmezentrum“ verkomme.

Einige Fakten sind nicht positiv für Vaihingen

Die RKH hat allerdings bereits Fakten geschaffen, die sich wirtschaftlich nicht positiv für den Standort Vaihingen auswirken. So wird Mühlacker sukzessive als Zentrum für Langzeitbeatmung von Intensivpatienten ausgebaut. Zudem soll es dort einen Herzkatheder geben, der das Krankenhaus Mühlacker fachlich aufwertet.

Weit weniger radikal könnten die Änderungen an den anderen kleinen Standorten ausfallen. Marbach etwa profitiert offenbar davon, dass es am Westrand der Holding liegt und somit nur bedingt interne RKH-Konkurrenz hat. Zudem solle Marbach weiter als medizinisches Zentrum für ältere Patienten ausgebaut werden. Laut Martin wird erwogen, kranke Menschen, die zudem noch Demenz hätten, künftig stärker in Marbach zu behandeln. „Die gehen in größeren Häusern eher unter.“

Genau an diesem Punkt setzt die Kritik des Vaihinger Rathauschefs an. „Ich sehe auch in Vaihingen ein großes Potenzial für Altersmedizin“, sagt Gerd Maisch. In der Stadt und Umgebung gebe es rund 400 Pflegeplätze. Mit Blick auf die Alterung der Gesellschaft „wird Marbach auf Dauer für die älteren Menschen in einem Kreis mit 520 000 Einwohnern nicht ausreichen“, kritisiert der Oberbürgermeister.

Konzept mit Fragezeichen

RKH - Der Umbau des Krankenhauses Vaihingen klingt gut. Dass er machbar ist, darf bezweifelt werden.Markus KlohrEin Befund seines Gutachters treibt den Ludwigsburger Klinik-Manager Jörg Martin offenbar um: Einzelne Krankenhäuser in privater Trägerschaft stehen statistisch gesehen wirtschaftlich weit schlechter da als im Verbund. Bei Kliniken in öffentlicher Trägerschaft ist es umgekehrt. Martin erfährt zurzeit am eigenen Leib, warum das so ist. Zwar profitiert die Regionale Kliniken-Holding RKH massiv von Investitionszuschüssen ihrer kommunalen Träger. Doch gleichzeitig ist das Management verstrickt in das Gewirr der vielen öffentlichen Gremien, die ein Wörtchen mitzureden haben.

Das Krankenhaus Vaihingen ist dafür ein gutes Beispiel. Kaum ist die Idee geboren, aus dem Haus eine Art Ärztehaus-Plus zu machen, schon wird in Vaihingen Kritik laut. Dabei ist inhaltlich an dem Vorschlag wenig auszusetzen: Schon heute ist das Krankenhaus für viele Vaihinger eine beliebte Anlaufstelle – aber überwiegend für kleine, ambulante Eingriffe. Operieren lässt man sich lieber anderswo.

Was Martin allerdings kleinredet: die Kassenärztliche Vereinigung wird diesen Umbau nicht so einfach dulden. Es gibt in fast allen Fachbereichen im Kreis eine massive Überversorgung. Woher sollen die nötigen Arztkontingente kommen? Sollen allein die Ärzte aus dem benachbarten Ärztehaus Vaisana als Krankenhaus-Ersatz fungieren? Viel mehr scheint kaum machbar – doch das käme faktisch einer Schließung des Krankenhauses gleich.