Das Land hat den bundesweit einmaligen Streit zwischen Klinik am Eichert und Christophsbad um die Versorgung von Schlaganfallpatienten beendet – doch die Entscheidung pro Christophsbad könnte Konsequenzen haben.

Göppingen - Nun hat das Sozialministerium also sein Machtwort gesprochen: Zumindest für die kommenden zwei Jahre ist allein die private neurologisch-psychiatrische Fachklinik Christophsbad (CB) für die Versorgung von Schlaganfallpatienten im Kreis Göppingen zuständig. Mit dieser Entscheidung hat das Land versucht, das jahrelange Gezerre der kreiseigenen Klinik am Eichert (KaE) und des Christophsbads über die Versorgung von Schlaganfallpatienten zu beenden. Im Moment sieht es allerdings nicht so aus, als sei die Fehde der Kliniken damit beendet. Ganz im Gegenteil.

 

Schon lange verursacht der Streit in Göppingen weit über die Region Stuttgart hinaus Kopfschütteln bei Medizinern, denn in der übrigen Region und im Land klappt die Zusammenarbeit verschiedener Kliniken beim Thema Schlaganfall gut. Nun kommt das Dictum des Landes, und es kommt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem ohnehin bereits sicher geglaubte Entscheidungen erneut hinterfragt werden: der Abriss der alten Klinik am Eichert und der Standort der geplanten neuen.

Entscheidung wird sehr unterschiedlich interpretiert

Die Entscheidung des Sozialministeriums wird im Kreis höchst unterschiedlich interpretiert. Während sich das CB bestätigt sieht, weist der Landrat Edgar Wolff als Aufsichtsratsvorsitzender der Alb-Fils-Kliniken daraufhin, dass die Stroke Unit ja nur für zwei Jahre ans CB ginge. Danach, da zeigt sich Wolf überzeugt, werde sie an die Klinik am Eichert übertragen. Der CB-Geschäftsführer Bernhard Wehde hingegen geht fest davon aus, dass die Stroke Unit auch künftig in seiner Klinik bleibt – womit er vermutlich recht behält.

Wolff stützt sich in seiner Einschätzung auf einige Absätze in einem Gutachten des Schlaganfallexperten und Vorsitzenden der Stroke-Unit Kommission der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft, Darius Günther Nabavi. Dieser hatte im Auftrag des Landes die Versorgung im Kreis Göppingen untersucht, als Entscheidungshilfe für das Sozialministerium.

Ministerium hält Gutachten unter Verschluss

Bislang hält das Ministerium das Gutachten unter Verschluss. Insidern zufolge vergleicht Nabavi auf mehr als 60 Seiten die Stroke Units an beiden Kliniken und kommt zu dem Schluss, dass das CB deutlich besser aufgestellt ist. Und er führt Beispiele von 25 Kliniken auf, die somatische Versorgung und Neurologie samt Stroke Unit an getrennten Standorten abwickeln, etwa die Uniklinik Ulm oder das Klinikum Heidelberg. Das funktioniere selbst an Standorten, die deutlich weiter auseinanderlägen als die 3,5 Kilometer zwischen CB und KaE. In den kurzen Absätzen, auf die sich Wolf beruft, erwähnt Nabavi, dass die ideale Lösung wäre, wenn die Neurologen des CB in einer Klinik arbeiten könnten, in der es eine komplette kardiologische und internistische Versorgung gebe.

Wolff interpretiert das so, dass das Land die Ideallösung anstrebe und die Stroke Unit bis in zwei Jahren an die KaE umsiedeln will. Aus seiner Sicht muss das CB sich bis dahin bereit erklären, ein Team seiner Experten in den Eichert zu schicken, eine Forderung, die der Kreis schon öfter erhoben hat. Wehde hingegen weist darauf hin, dass das CB seine Experten nicht einfach wegschicken kann. Denn diese würden noch für viele andere Aufgaben im CB gebraucht, der gesamte Klinikbetrieb bräche ohne sie zusammen, da sie auch Patienten der anderen Fachabteilungen behandelten.

Christophsbad will Kooperation neu beleben

Wehde macht sich dafür stark, die bisherige Kooperation mit der KaE neu zu beleben. Aus seiner Sicht reiche es, wenn die KaE jeden Tag einen Kardiologen vorbeischicke, der die Schlaganfallpatienten begutachte – zumal das CB selbst Kardiologen und Internisten beschäftige. „Warum sollen wir Dutzende Mitarbeiter in den Eichert schicken, wenn es reichen würde, jeden Tag einen Mitarbeiter kurz zu uns zu schicken?“

Wehde wird wohl recht behalten. Ein Sprecher des Sozialministeriums stellte auf Nachfrage dieser Zeitung klar, dass es keine Pläne gebe, die Stroke Unit später an die KaE zu verlagern, wie Wolff suggeriert. Für den Landkreis kommt es sogar noch härter: Der Sprecher bestätigte auch, dass aus Sicht des Landes noch nicht feststehe, ob der Standort der neuen Klinik im Eichert – der aus Sicht des Kreises längst feststeht – tatsächlich der bestmögliche sei.

Land will Gesamtsituation betrachten, Investor will alte Klinik umnutzen

Der Kreis, sagt der Sprecher, habe mit dem Bau eines Parkhauses, einer Kindertagesstätte und der Mitarbeiterwohnungen zwar Fakten geschaffen, „aber wir wollen die nächsten zwei Jahre dennoch nutzen, um die Gesamtsituation zu betrachten und mit allen darüber zu sprechen, was die beste Lösung wäre. Die Standortfrage ist noch nicht abschließend geklärt.“

Damit bekommt möglicherweise eine Debatte neue Nahrung, die längst abgeschlossen schien: Wehde hatte bereits 2012 vorgeschlagen, die neue Kreisklinik neben das CB zu bauen. „Wenn der Kreis wirklich die bestmögliche medizinische Versorgung anstrebt, ist das die Lösung.“ Wolff will von dieser Idee allerdings nichts wissen, der Kreistag hatte sich seinerzeit dagegen entschieden. Hinzu kommt nun, dass der Unternehmer Johannes Krauter seit Kurzem dafür wirbt, die bestehende Klinik am Eichert doch nicht abzureißen, sondern zu sanieren und dort ein Hotel und Wohnungen zu schaffen. Das könnte dem Kreis Abbruchkosten in Millionenhöhe ersparen. Bis jetzt ist eines der Hauptargumente gegen den Vorschlag, dass dann zwei riesige Betonklötze im Eichert direkt nebeneinanderstünden, die alte und die neue Klinik.