Die Mitarbeiter des Klinikverbunds Südwest fragen sich, wie es nach dem abrupten Abtritt des Geschäftsführers weitergehen soll.

Böblingen/Calw - Es ist noch nicht lange her, da galt der Klinikverbund Südwest als Musterschüler bei der Umsetzung der Gesundheitsreform. Ein Eckpunkt dieser Reform: die Kliniken sollten wirtschaftlich werden. Im Jahr 2005 verbuchten die Kliniken in Böblingen, Herrenberg, Leonberg, Calw und Nagold zusammen ein Defizit von 3,5 Millionen Euro.

 

Anfang 2006 schlossen sie sich zu einer Holding zusammen. Wenige Monate später folgte das Städtische Krankenhaus Sindelfingen. Kompetenzen bündeln, so hieß von nun an die Parole. Die Verwaltung wurde zentralisiert, Personal in der Pflege abgebaut. Man schloss die Krankenhausküchen und baute eine Zentralküche in Calw. Sogenannte Kompetenzzentren wurden eingerichtet, ganze Abteilungen abgeschafft.

Der Mann, der hinter den Reformen stand, heißt Gunther Weiß. Der hochintelligente Zögling der Unternehmensberatung McKinsey hat im Auftrag der Aufsichtsräte diese Umstrukturierungen durchgepeitscht - gegen erhebliche Widerstände in der Belegschaft. Dabei konnte er sich stets der Rückendeckung der Aufsichtsräte gewiss sein.

 "Manches war nicht durchdacht, sondern ein Schnellschuss"

Eng soll das Verhältnis des Geschäftsführers zu den drei Aufsichtsratsvorsitzenden - den Landräten Roland Bernhard (Böblingen) und Helmut Riegger (Calw) sowie dem Sindelfinger Oberbürgermeister Bernd Vöhringer gewesen sein. "Viererbande" nannten die Mitarbeiter des Sindelfinger Klinikums das Quartett hinter vorgehaltener Hand. Einmal im Monat aßen die vier gemeinsam in der Sindelfinger Krankenhauskantine zu Mittag. "Weiß kann machen, was er will, die halten zu ihm", war die Meinung in der Belegschaft.

Dass es jetzt ausgerechnet die fast geschlossene Front der Chefärzte gewesen sein soll, die Weiß so heftig angriff, dass ihn auch die Gesellschafter nicht mehr länger decken konnten, ist bezeichnend für die hierarchische Organisation in den Krankenhäusern - und vermutlich nicht nur in denen des Verbunds Südwest. Das meint auch die Gewerkschaft.

"Der Druck auf die Beschäftigten in den Kliniken hat im ganzen Land massiv zugenommen", sagt Christina Ernst von der Gewerkschaft Verdi. Doch beim Klinikverbund Südwest seien die Umstrukturierungen ganz besonders schnell vorangetrieben worden. "Manches war nicht durchdacht, sondern ein Schnellschuss", sagt Ernst über die Vorgehensweise von Gunther Weiß.

Unter den Mitarbeitern herrscht Ratlosigkeit

Offenbar hatte der Geschäftsführer das auch erkannt. Denn er hat nicht nur gnadenlos Personal abgebaut, sondern 2008 seinen Mitarbeitern sogar freigegeben, um an einer Demonstration gegen den Pflegenotstand in Berlin teilzunehmen. "Herr Weiß hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Deckelung der Krankenhausbudgets das Problem ist und da die große Politik gefragt ist", sagt Ernst.

Auch die Konzepte des geschassten Geschäftsführers scheinen Anklang gefunden zu haben. Erst jetzt hat der Aufsichtsrat des Klinikums Böblingen-Sindelfingen ein Gutachten beauftragt, mit dem der Bau einer neuen Klinik auf dem Flugfeld geprüft werden soll - dies war eines der Weiß'schen Lieblingsprojekte.

Unter den Mitarbeitern der Häuser herrscht Ratlosigkeit. Konzepte für eine Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung fehlten, klagen sie. Und wohin soll der Kurs des Klinikverbunds nun gehen? Die offizielle Version lautet: "Wir machen weiter wie bisher." Doch so kann ganz sicher nicht die von den Aufsichtsräten anvisierte schwarze Null erreicht werden. Dazu bedarf es radikaler Einschnitte, zum Beispiel der Schließung der defizitären Kliniken Leonberg und Herrenberg. Politisch scheint dies bis jetzt nicht durchsetzbar: Nicht müde werden die Landräte, den Fortbestand der Häuser zu garantieren.

 Wirtschaftlichkeit als oberstes Kriterium?

Doch lohnt es sich angesichts der Defizite des Verbunds noch, in die sanierungsbedürftigen Häuser zu investieren? Wäre eine Trennung von diesen Kliniken wirtschaftlich gesehen nicht sinnvoller? Oder liegen die Probleme vor allem im komplizierten Konstrukt des Klinikverbunds: In sieben Aufsichtsratsgremien sitzen rund 50 Personen, die mitentscheiden wollen.

Es ist anzunehmen, dass der Geschäftsführer Weiß genau diese Fragen intern gestellt hat. Schließlich war es sein Job, Einsparmöglichkeiten aufzuzeigen. Ob er am Ende gar über diese Fragen gestolpert ist - das bleibt offen. Die Aufsichtsratsvorsitzenden haben allen Verantwortlichen den Mund verboten. Es herrscht Schweigen.

Der einstige Musterschüler Klinikverbund Südwest hat trotz aller Anstrengungen das Klassenziel nicht erreicht. Trotz Umstrukturierung und eines massiven Personalabbaus gibt es nach wie vor ein Defizit. Vielleicht müssen sich die Aufsichtsräte von dem Gedanken verabschieden dass man Krankenhäuser führen kann wie Supermärkte? Vielleicht sollte Wirtschaftlichkeit nicht das oberste Kriterium sein? Eine solche Haltung fordert ein Umdenken in der gesamten Gesundheitspolitik. "Eines ist sicher", sagt die Gewerkschafterin Ernst: "Die Probleme werden nicht gelöst, indem man den Geschäftsführer rauswirft und durch einen neuen ersetzt."

Eine Menge Aufsichtsräte

Holding Der Klinikverbund ist ein kompliziertes Konstrukt: Er besteht aus acht Gesellschaften - die Träger der sieben Kliniken in den Kreisen Böblingen und Calw und der Servicegesellschaft. Die Gesellschaften werden von sechs Aufsichtsräten kontrolliert - jeder hat 15 bis 31 Mitglieder: Stadt- und Kreisräte. Für die gesamte Holding gibt es einen weiteren Aufsichtsrat mit 33 Mitgliedern, die zum Teil auch in den anderen Aufsichtsräten sitzen.

Vorsitz Die Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Holding sind die Landräte Roland Bernhard (Böblingen), Helmut Riegger (Calw) sowie der Sindelfinger OB Bernd Vöhringer. Gunter Weiß war Geschäftsführer aller sieben Kliniken sowie der Holding in Personalunion.