Erstmals haben US-Forscher menschliche Embryonen geklont. Dabei kam auch ein Schuss Koffein zum Einsatz. Das therapeutische Potenzial dieser Methode ist noch nicht klar zu erkennen. Doch die Hoffnungen sind groß.

Orgeon – Die Liste der geklonten Tiere ist lang. 1996 wurde das Schaf Dolly geboren, und inzwischen funktioniert die Methode auch bei Rindern, Pferden, Hunden und Katzen. Vor sechs Jahren kamen die Rhesusaffen hinzu und damit die ersten Primaten. Die menschlichen Embryonen vertrugen hingegen die Labortechniken nicht und starben, kurz nachdem ihnen das Erbgut einer fremden Person eingepflanzt worden war.

 

Nun veröffentlicht ein Forscherteam um Shoukhrat Mitalipov – einem Amerikaner mit russischen Wurzeln, der schon den ersten Affen geklont hatte – die Details einer Methode, mit der es doch funktionieren soll. Die Forscher stoßen damit die Tür zum Klonen von Menschen auf, denn aus den Embryonen in ihrem Labor hätten sich womöglich auch in der Gebärmutter einer Frau Föten entwickeln können. Doch klar ist das noch nicht.

Die Forscher suchen nach Wegen, „Ersatzgewebe“ herzustellen

Mitalipov und seine Kollegen haben in 122 Eizellen, die ihnen zehn junge Frauen anonym gespendet hatten, den Zellkern mit dem Erbgut ausgetauscht. Dadurch entsteht ein Klon – die Frage ist jedoch, ob er weiter wächst. In 21 Fällen haben sich die Embryonen einige Tage entwickelt, bis sie aussahen wie ein Ball, der eine kleine Menge Stammzellen enthält. Diese Zellen haben die Forscher entnommen und in sechs Fällen gelang es ihnen anschließend, die Stammzellen zum Teilen anzuregen. „Gesunde“ Stammzellen halten sich unendlich lange – und aus ihnen können verschiedene Gewebetypen wie Herz- und Nervenzellen gezüchtet werden.

Das ist die Idee, die der Forschung zugrunde liegt: Die Forscher suchen nach Wegen, Ersatzgewebe für kranke Patienten zu züchten, denen es nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall eingesetzt wird. In einer Mitteilung erwähnt die Oregon Health & Science University, an der die Forscher arbeiten, auch Parkinson, Multiple Sklerose und Querschnittslähmung als mögliche Einsatzgebiete. Wenn das Ersatzgewebe die DNA des Patienten enthält, sind im Prinzip nach dem Einpflanzen weniger Komplikationen wie eine Abstoßung des Gewebens zu erwarten.Umgekehrt könnten aber auch neue Komplikationen wie etwa Tumore auftreten, da nicht bekannt ist, wie „gesund“ die künstlich hergestellten Stammzellen sind. Menschliche Eizellen und junge Embryonen sind offenbar sehr verletzlich, sonst wäre das Klonen schon früher gelungen.

Die Zellen wurden mit einem Schuss Koffein behandelt

Wie bedeutend die neuen Versuche sind, wird sich erst zeigen, wenn demnächst die von Mitalipov erzeugten Stammzellen mit den iPS-Zellen verglichen werden. Diese Zellen werden mit einem Verfahren gewonnen, das der Japaner Shinya Yamanaka vor einigen Jahren erfunden hat und für das er 2012 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden ist. Auch die iPS-Zellen eignen sich im Prinzip für therapeutische Zwecke, sind aber ethisch nicht umstritten, weil sie nicht aus Embryonen gewonnen werden, sondern direkt aus Zellen des Patienten.

Die Abkürzung „iPS“ steht für: induziert pluripotente Stammzellen. Mit den Worten „Pluripotenz“ und „Totipotenz“ beschreiben Forscher die besonderen Fähigkeiten der Stammzellen. Natürliche Stammzellen, die etwa aus Embryonen gewonnen werden, die nach einer künstlichen Befruchtung übrig bleiben, haben das Potenzial, sich zu einem Organismus zu entwickeln – sie sind totipotent. Die iPS-Zellen sind nur pluripotent: Sie lassen sich zwar in Herz- oder Nervenzellen umwandeln, aus ihnen könnte aber kein Mensch entstehen.

Mit dem Wort „induziert“ wird schließlich Yamanakas Methode umschrieben: das Zurückversetzen einer normalen Zelle des Körpers in den ursprünglichen Zustand einer pluripotenten Stammzelle. Dazu wird etwa eine Hautzelle mit einem Chemikaliencocktail behandelt, der die Aktivität ihrer Gene verändert. Zwar enthalten alle Zellen des Körpers dasselbe Erbgut, aber in Haut-, Herz-, Nerven und Stammzellen sind jeweils unterschiedliche Gene aktiv. Welche Zellen sich besser für eine klinische Therapie eignen, ist offen. Ein Indiz steuert Mitalipov aber bei: Vier seiner sechs Stammzellkolonien gehen auf eine Frau zurück, die acht Eizellen gespendet hatte. Das ist eine Erfolgsquote von 50 Prozent – und ein Hinweis darauf, dass es auf bestimmte Qualitäten der Eizellen ankommt.

Welche Prozesse in der Eizelle ablaufen

Vor zwei Jahren hat der Schweizer Dieter Egli, der an der New York Stem Cell Foundation arbeitet, bereits die Punkte ermittelt, an denen das Klonen menschlicher Embryonen scheitert. Seinem Team gelang das Klonen zum Beispiel nur, wenn das Erbgut der Eizellspenderin in der Eizelle verblieb. Diese Forschung ist auch ein Versuch, zu verstehen, welche Prozesse in einer Eizelle ablaufen, wenn sie sich zu einem Embryo entwickelt.

Die Schwierigkeiten hat das Team um Shoukhrat Mitalipov nun offenbar umschifft und Dieter Egli zeigt sich von deren Experimenten beeindruckt. Mitalipov und seine Kollegen haben an mehreren Stellschrauben gedreht. Eine davon war das Hinzufügen von etwas Koffein, denn das verhindert, dass sich die Eizelle vorschnell zu teilen beginnt. Der Effekt ist in den USA schon „Starbucks-Effekt“ genannt worden. Dieter Egli weist jedoch darauf hin, dass in den meisten Fällen das neue Erbgut aus Hautzellen von Föten stammte und nicht von einem Erwachsenen. Vielleicht sei es schwieriger, das Erbgut aus erwachsenen Zellen in den Zustand einer Stammzelle zurückzuversetzen, sagt er.

Mit der Frage, wie „gesund“ und potent die geklonten Stammzellen sind, hängt auch die Frage zusammen, ob sich die Embryonen zu einem Fötus weiterentwickeln könnten, wenn man sie nicht zerstören würde, um Stammzellen zu entnehmen. In diesem Fall wäre das reproduktive Klonen möglich, also das Erschaffen eines Menschen mit dem Erbgut einer bestimmten Person. Dazu liefert Mitalipov ein Gegenargument aus seiner Arbeit mit Rhesusaffen: Dort sei es ihm noch nie gelungen, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Die Aussagen seiner Fachkollegen schwanken: Möglicherweise ist der wichtigste Schritt nun getan, vielleicht sind die biologischen Hürden der Embryonalentwicklung aber bloß noch nicht bekannt.