Herbert Knaup verkörpert zum dritten Mal den Kemptener Kommissar Kluftinger. Der ARD-Film „Seegrund“ hat viel von einem Komödienstadel, findet die StZ-Medienredakteurin Ulla Hanselmann.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Er stöhnt. Er schwitzt. Er flucht. Er fiebert. Dem Kluftinger geht es wahrlich schlecht. Und Herbert Knaup, der den vornamenlosen Allgäuer Kommissar nach „Erntedank“ und „Milchgeld“ auch in seinem dritten TV-Fall „Seegrund“ verkörpert, lässt über weite Strecken der ARD-Krimikomödie kaum einen Moment vergehen, in dem er die körperliche wie seelische Not seiner Figur nicht in den Vordergrund seines Spiels rückt.

 

Fast jeder weiß es: Kluftinger, das ist der Kemptener Kommissar, von den Schulfreunden Volker Klüpfel und Michael Kobr unbekümmert in die Welt gesetzt, vom Heimatkrimi liebenden Publikum mit Bestsellerstatus versehen und inzwischen mit Comedy-Lesungen, Kochbüchern und Tourismus-Routen kommerziell rundum erschlossen. Bei den Krimis hat es einige Bücher gebraucht, bis der anfangs noch originelle, mit Bedacht eingesetzte komödiantische Anstrich sich zum bloßen Klamauk ausgewachsen hat. Inzwischen dient dem beim siebten Fall angekommenen Autorenduo die Kriminalistik nur noch als Kulisse; ein Gag reiht sich an den anderen.

Bei den durchweg von Regisseur Rainer Kaufmann verantworteten Verfilmungen ging das deutlich schneller. Die dritte Folge gerät nach wenigen Szenen zum Komödienstadel, spätestens in dem Moment, in dem Kluftingers ungeliebte Füssener Kollegin ins Bild stapft und Klufti die Kooperation aufzwingt. Catrin Striebeck muss diese Friedel Marx als nonstop Zigarillo paffendes, forsch-freches Mann-Weib darstellen – so wird der Geschlechterkonflikt unter Kollegen zur schmerzlich-tumben Karikatur. Aber auch mit Knaups schweratmiger Überzeichnung seines leidenden Kommissars überträgt sich dessen jämmerlicher Zustand, in dem er seine Ermittlungen rund um den Füssener Alatsee betreibt, alsbald auf den Zuschauer.

Ein verwirrter Alter führt die Ermittler auf die Spur

Der Fall: jener Bergsee, bekannt für seine Purpur-Bakterienschicht, spuckt Kluftinger unverhofft bei einem Sonntagsspaziergang mit der Familie, einen komatösen Taucher und ein Rätsel vor die Füße: Welches Geheimnis birgt das trübe Wasser, in das der beleibte Tollpatsch im weiteren Verlauf gleich zweimal plumpst, was ihm, beim ersten Mal, eine schwere Grippe einbringt? Der See stört aber nicht nur Kluftis Gesundheit, sondern auch sein inneres Gleichgewicht so nachhaltig, dass er einem Schamanen („Der mit dem See lebt“) und dessen Esoterik-Gebrabbel von „Chi“ und „Kraftort“ aufsitzt. Ein verwirrter Alter, dessen Bruder vor Jahren im See umgekommen ist, führt die Ermittler auf eine Spur, die bis in die Nazi-Zeit zurückreicht.

Der 57-jährige Knaup allgäuert in „Seegrund“ authentischer denn je und belegt, dass seine Wurzeln – der gebürtige Sonthofener ist in dem Postkarten-Landstrich aufgewachsen – längst nicht abgestorben sind. Allerdings bleibt es dem in Berlin lebenden Schauspieler dieses Mal verwehrt, den schwerfälligen, ewig grantelnden Voralpen-Ermittler mit mehr Nuancen auszustatten – dazu hecheln Buch und Regie allzu sehr den Pointen nach. Um die mystische Komponente der Geschichte und Kluftis seelische Verstörtheit ins Bild zu setzen, arbeitet der Kameramann Klaus Eichhammer mit verzerrten Perspektiven und psychedelisch anmutenden Unterwasserfahrten. Umso ärgerlicher, wenn nach solch formal ambitionierten Einschüben manche Szenen handwerklich unterirdisch schlicht umgesetzt werden, zum Beispiel beim Überführen der Täter am See.

Am Ende rüttelt sich Kluftingers Welt wieder zurecht, und er schließt selbst die japanische Freundin seines Sohnes, mit der anfangs seine Probleme hatte, in sein eben gar nicht so bergtalenges Herz. Nichts bleibt mehr zu wünschen, als ein Kluftinger, der wieder im Lot ist.