Demnächst ist „Der Räuber Hotzenplotz“ an der Reihe. Und „Die schöne Lau“. Hans Christian Andersens „Prinzessin auf der Erbse“, „Die kleine Meerjungfrau“ und „Peter Rabbit“. All die liebenswerten Helden ihrer eigenen Kindheit, deren Abenteuer und Geschichten sie nun ihrer kleinen Tochter vorlesen will, deren Sinne für die Magie der Buchstaben bereits geschärft sind. Künftig nur noch Windeln zu wechseln, wäre trotz aller Liebe und Mutterglück aber nichts für Sandra Richter, weshalb sie sich acht Wochen nach der Geburt der Tochter im September 2010 schon wieder am Lehrstuhl und bei ihren Studenten zurückgemeldet hat. Zuvor hatte sie bei der Verwaltung der Hochschule angerufen, um über den Zuwachs in der jungen Familie zu informieren. „Glückwunsch“, bekam sie am Telefon zu hören. „Und das, obwohl Sie Professorin sind.“

 

„Kinder finden im Nichts das Gesamte, die Erwachsenen im Gesamten das Nichts“, schrieb einst der italienische Dichter Giacomo Leopardi. Weshalb Sandra Richter im kommenden Februar trotz des anspruchsvollen Jobs ein zweites Kind erwartet. „Wir brauchen die Frauen in der Wissenschaft ebenso wie ihre Kinder, da gibt es noch viel zu tun“, sagt sie. Ganz einfach ist es angesichts von 60-Stunden-Wochen zwar nicht, den Alltag zu organisieren. „Ich bin in Haushaltssachen erfreulich tatenlos.“ Aber schließlich gibt es eine Kinderkrippe, die chinesische Nanny, die der Tochter gerade Mandarin beibringt, und nicht zuletzt natürlich die Großeltern.

Wenn sie gerade nicht auf ihrem Trampelpfad zwischen dem Lehrstuhl in der Keplerstraße und der Württembergischen Landesbibliothek unterwegs ist, geht die Musikliebhaberin, die leidenschaftlich Saxofon spielt, gerne in die Oper. In Stuttgart oder anderswo. Als Literaturprofessorin ist sie auch im Ausland gefragt, hält Vorlesungen und Vorträge. In London beispielsweise, wo sie am King’s College ihre erste Professur innehatte, in Paris, Los Angeles, Dublin, Toulouse oder zuletzt an der Harvard University in Cambridge. Ihre nächste Auslandsreise führt die Stuttgarter Professorin nach Philadelphia, wo sie an der University of Pennsylvania eine dreimonatige Gastprofessur angenommen hat.

Beraterin der Regierung

Seit 2011 ist Sandra Richter zudem Mitglied im Wissenschaftsrat. Als eine von 24 berufenen Wissenschaftlern berät sie dabei die Bundesregierung in Fragen inhaltlicher und struktureller Entwicklung der Hochschulen. Bis zu 40 Termine pro Jahr kommen dabei zusammen, jedes Mal in einer anderen Stadt in Deutschland. Bei allem Ruhm, allen Auszeichnungen und allem Lob hat sie sich einen unverklärten Blick auf die Dinge bewahrt. „Erfolg hat auch mit Frustrationsresistenz und Sturheit zu tun“, sagt sie. „Ohne Begeisterung für die Sache hält man aber nicht durch.“

In späteren Lesestunden, als die Bibliotheken immer größer wurden, hat sich Sandra Richter mit vergessenen Autoren beschäftigt, mit geistesgeschichtlichen Lücken, mit der Morallehre der Hugenotten und mit poetologischen Gedichten. Zuvor hatte sie bereits die intensive Bekanntschaft eines gewissen Theodor W. Adorno gemacht, mit dem sie gewissermaßen aufgewachsen ist und aus dessen Minima Moralia der berühmteste seiner Sätze stammt: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Sagt Adorno. „Ich wollte das nicht einfach so stehen lassen“. Sagt Sandra Richter. Also hat sie der Gedankenlyrik des deutschen Philosophen ein viel beachtetes Buch entgegengesetzt: „Lob des Optimismus. Geschichte einer Lebenskunst“. Gedacht war das Werk als Versuch, den Optimismus als verantwortungsvolle Kunst des Lebens zu erneuern. „Sandra Richter erklärt in bester Germanistenprosa“, urteilte ein Kritiker, „warum hierzulande das Glas immer nur halb leer ist.“

Ihres dagegen ist immer kurz vor dem Überlaufen. Ihr tägliches Pensum ist enorm, trotzdem hat sie sich ihre Leidenschaft für Gedrucktes bewahrt. Wörter, Sätze, Kapitel fliegen an ihr vorbei wie die Landschaften am Zugfenster, aus dem Sandra Richter bei ihren häufigen Fahrten aber nur selten schaut. Ihr Mann, der Anwalt ist und selber gerne liest, amüsiere sich mitunter darüber, so erzählt sie, dass er mit einer Frau verheiratet sei, welche sich auf die Kunst verstehe, Bücher in ihren Kopf zu scannen. Hat sie einmal keines zur Hand, schaltet sie das E-Book ein, ihre Ersatzdroge, so Sandra Richter.

Neben ihrem Amt an der Uni doziert sie für die Wochenzeitung „Die Zeit“ in einer Seminarreihe über deutsche Gegenwartsliteratur und schreibt Essays, um Menschen für Bücher zu begeistern. Für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ rezensiert die Stuttgarter Literaturprofessorin schon seit vielen Jahren die neuesten Werke auf dem Büchermarkt. Zu Hause stapelt sich daher Literatur aller Art, die gelesen werden will.

Die Magie der Buchstaben

Demnächst ist „Der Räuber Hotzenplotz“ an der Reihe. Und „Die schöne Lau“. Hans Christian Andersens „Prinzessin auf der Erbse“, „Die kleine Meerjungfrau“ und „Peter Rabbit“. All die liebenswerten Helden ihrer eigenen Kindheit, deren Abenteuer und Geschichten sie nun ihrer kleinen Tochter vorlesen will, deren Sinne für die Magie der Buchstaben bereits geschärft sind. Künftig nur noch Windeln zu wechseln, wäre trotz aller Liebe und Mutterglück aber nichts für Sandra Richter, weshalb sie sich acht Wochen nach der Geburt der Tochter im September 2010 schon wieder am Lehrstuhl und bei ihren Studenten zurückgemeldet hat. Zuvor hatte sie bei der Verwaltung der Hochschule angerufen, um über den Zuwachs in der jungen Familie zu informieren. „Glückwunsch“, bekam sie am Telefon zu hören. „Und das, obwohl Sie Professorin sind.“

„Kinder finden im Nichts das Gesamte, die Erwachsenen im Gesamten das Nichts“, schrieb einst der italienische Dichter Giacomo Leopardi. Weshalb Sandra Richter im kommenden Februar trotz des anspruchsvollen Jobs ein zweites Kind erwartet. „Wir brauchen die Frauen in der Wissenschaft ebenso wie ihre Kinder, da gibt es noch viel zu tun“, sagt sie. Ganz einfach ist es angesichts von 60-Stunden-Wochen zwar nicht, den Alltag zu organisieren. „Ich bin in Haushaltssachen erfreulich tatenlos.“ Aber schließlich gibt es eine Kinderkrippe, die chinesische Nanny, die der Tochter gerade Mandarin beibringt, und nicht zuletzt natürlich die Großeltern.

Wenn sie gerade nicht auf ihrem Trampelpfad zwischen dem Lehrstuhl in der Keplerstraße und der Württembergischen Landesbibliothek unterwegs ist, geht die Musikliebhaberin, die leidenschaftlich Saxofon spielt, gerne in die Oper. In Stuttgart oder anderswo. Als Literaturprofessorin ist sie auch im Ausland gefragt, hält Vorlesungen und Vorträge. In London beispielsweise, wo sie am King’s College ihre erste Professur innehatte, in Paris, Los Angeles, Dublin, Toulouse oder zuletzt an der Harvard University in Cambridge. Ihre nächste Auslandsreise führt die Stuttgarter Professorin nach Philadelphia, wo sie an der University of Pennsylvania eine dreimonatige Gastprofessur angenommen hat.

Beraterin der Regierung

Seit 2011 ist Sandra Richter zudem Mitglied im Wissenschaftsrat. Als eine von 24 berufenen Wissenschaftlern berät sie dabei die Bundesregierung in Fragen inhaltlicher und struktureller Entwicklung der Hochschulen. Bis zu 40 Termine pro Jahr kommen dabei zusammen, jedes Mal in einer anderen Stadt in Deutschland. Bei allem Ruhm, allen Auszeichnungen und allem Lob hat sie sich einen unverklärten Blick auf die Dinge bewahrt. „Erfolg hat auch mit Frustrationsresistenz und Sturheit zu tun“, sagt sie. „Ohne Begeisterung für die Sache hält man aber nicht durch.“

Bei Goethe fällt ihr das nicht schwer, der trägt in allen Stunden. Gerade wurde in Frankfurt eine Ausstellung über den Dichterfürsten und das liebe Geld eröffnet, die Sandra Richter mitkuratierte. Und als wäre das alles nicht schon genug, ist gerade ihr Buch „Mensch und Markt“ erschienen. Darin geht sie der Geschichte des wirtschaftlichen Wettbewerbs aus literarischer Sicht nach, von der Schlachtordnung im Mittelalter bis zur heutigen Rabattschlacht. Für ihren Befund hat sie sich durch Berge von Büchern gearbeitet. Lesen. Lesen. Lesen. Für eine wie Sandra Richter alles andere als verlorene Zeit.