Der Bundestag soll Anfang Juni ein Großvorhaben verabschieden: Die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern werden neu geordnet. In den Fraktionen von Union und SPD wird Kritik laut.

Berlin - Es ist ein Mammutvorhaben, wie es das Parlament selten erlebt hat. Was als Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen beschrieben wird, hat es in sich. 14 Grundgesetzänderungen sind damit verbunden. Zum Paket gehört auch die längere Zahlung des Unterhaltsvorschusses an Alleinerziehende. Der Staat springt ein, wenn ein unterhaltspflichtiger Elternteil nicht für Kinder zahlt. Um die Lage von Alleinerziehenden zu verbessern, wird die bisherige Begrenzung der Bezugszeit von höchstens sechs Jahren abgeschafft. Die Altersgrenze der Kinder wird von zwölf auf 18 Jahren angehoben. Anfang Juni soll der Bundestag entscheiden. Die Einigung stößt auch auf Kritik.

 

Was will die Politik erreichen?

Ziel der Reform ist es, den Staat zu modernisieren und Steuergelder effizient zu verteilen. Mehr als zwei Jahre lang verhandelten die Länder mit der Bundesregierung. Im Dezember 2016 verständigten sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Reform. Problematisch ist, dass der Bundestag an diesen Gesprächen nicht beteiligt war. Er fügt jetzt Korrekturen ein. Der Finanzrahmen ändert sich aber nicht mehr. Mit dem neuen Finanzpakt fällt der Länderfinanzausgleich in der jetzigen Form weg. Der Bund übernimmt stattdessen eine stärkere Rolle beim Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder.

Verschieben sich die Gewichte?

Eindeutig ja. Der Bund muss in Zukunft stärker für die finanzschwächeren Länder einstehen. Im Gegenzug erhält er Zugriff auf die Länder. Dass der Bund stärker Zahlmeister für die Länder sein soll, missfällt einigen Abgeordneten. In einem Informationspapier für die SPD-Abgeordneten heißt es: „Die Abschaffung des bisherigen Länderfinanzausgleichs führt finanziell zu einer gewissen Entsolidarisierung innerhalb des Föderalismus.“ Die finanzschwachen Länder seien stärker darauf angewiesen, dass sie Geld vom Bund erhalten.

Was kostet die Reform?

Im Jahr 2020 erhalten die Länder vom Bund 9,7 Milliarden Euro. Allein vier Milliarden Euro davon entfallen auf zusätzliche Anteile am Umsatzsteueraufkommen. Da die Umsatzsteuer zu den kräftig wachsenden Steuern zählt, steigen auch die Zahlungen vom Bund an die Länder. 2030 werden die Länder schon um 14 Milliarden Euro entlastet.

Was bekommt der Bund?

Der Bundestag erhält im Gegenzug mehr Kontrollrechte und Mitsprachemöglichkeiten. Bei Finanzhilfen an Länder und Kommunen will der Bund mitsprechen, wie die Investitionen eingesetzt werden. Der Bundesrechnungshof soll immer dann, wenn der Bund Landesaufgaben mitfinanziert, die Stellen überprüfen können, die Bundesmittel erhalten: Das soll für Länder, Kommunen und Privatunternehmen in Landesverwaltung gelten. Bisher durfte der Bundesrechnungshof dort nicht tätig werden. Schmerzlich für die Länder ist, dass der Bund beim Vollzug der Steuergesetze ein Weisungsrecht verlangt. Damit kann er etwa bundesweite Kriterien für Betriebsprüfungen durchsetzen. Wenn die Länder dem widersprechen wollen, ist eine Mehrheit von mindestens elf Ländern erforderlich. Damit steigen die Hürden.

Was ändert sich bei Autobahnen?

Darüber wurde in der Koalition heftig gestritten. Künftig soll eine Infrastrukturgesellschaft des Bundes für Planung, Bau und Erhalt der Autobahnen zuständig sein. Die Mittel für Verkehrsinvestitionen sollen schneller verbaut werden. Die Koalition will eine Privatisierung der Autobahn-gesellschaft verhindern. Es wird im Grundgesetz verankert, dass sich private Unternehmen nicht an der Infrastrukturgesellschaft beteiligen dürfen.

Was wird aus der Schulsanierung?

Zum Finanzpaket gehört, dass der Bund 3,5 Milliarden Euro für die Schulsanierung in finanzschwachen Kommunen bereitstellt. Das Programm wird somit auf sieben Milliarden Euro aufgestockt. Neu ist, dass das Grundgesetz geändert werden soll und der Bund künftig in finanzschwachen Kommunen investieren darf. Seit der Föderalismusreform sind für den Bund die Möglichkeiten, mit den Ländern in der Schulpolitik zusammenzuarbeiten, stark eingeschränkt. Das Kooperationsverbot wird nun gelockert. Dagegen wenden sich einige Unionsabgeordnete. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte intern, dass eine solche Änderung im Grundgesetz einen Grundpfeiler des Föderalismus ausheble, in dem die Länder verantwortlich für die Schulen seien. Der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Thorsten Frei teilt die Bedenken. Frei sagte dieser Zeitung, er halte ein Durchgriffsrecht des Bundes auf Kommunen für problematisch. „Ich befürchte, dass wir mit der Grundgesetzänderung etwas beschließen, was nicht mehr zurückzuholen ist.“ Im Föderalismus gebe es eine klare Trennung zwischen den Zuständigkeiten von Bund und Ländern. Ärgerlich findet er den Tauschhandel. „Die Ministerpräsidenten haben für Geld eigene Zuständigkeiten verscherbelt.“