Wahlrecht mit 16, mehr direkte Demokratie, Abschaffung der Schulempfehlung. Erstmals verkünden Kretschmann und Schmid verbindliche Ergebnisse.

Stuttgart - Das zentrale Markenzeichen der künftigen grün-roten Landesregierung soll mehr direkte Demokratie sein. "Wir wollen gemeinsam mit den Menschen das Land gestalten", kündigte am Freitag Nils Schmid, der Verhandlungsführer der SPD an. Damit lösen die Koalitionäre ein zentrales Wahlversprechen ein. Am Freitag tagte zum dritten Mal die Verhandlungskommission von Grünen und SPD, die den Koalitionsvertrag aushandelt. Zusammen mit Schmid berichtete Winfried Kretschmann, der designierte Ministerpräsident, von ersten Ergebnissen. Unstrittig ist im Bildungsbereich, dass die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft wird. Darauf hat sich bereits die Facharbeitsgruppe verständigt. Das Thema sei in der Verhandlungskommission am Freitag gar nicht mehr aufgerufen worden, sagte Kretschmann. Beide künftigen Koalitionspartner wollen außerdem Schritte zur Ausbildung einer Gemeinschaftsschule einleiten und innovative Schulmodelle zulassen. Da gilt es aber noch Details zu klären.

 

Nacharbeiten muss die Facharbeitsgruppe die Frage der Lehrerausbildung. Die Grünen wollen das Studium auf die Abschlüsse Bachelor und Master umstellen, um Absolventen andere Berufsfelder zu eröffnen. Die SPD will das Staatsexamen erhalten, aber so umgestalten, dass auch ein Einsatz in der Wirtschaft möglich wird.

Unterschiedlicher Ansicht sind die Unterhändler beim Thema gebührenfreier Kindergarten. Schmid berichtete, die Kommission habe geklärt, dass der Dissens sich auf die Finanzierung beziehe und nicht auf die Sache. "Beide Seiten teilen die Vorstellung vom beitragsfreien Kindergarten." Am Montag soll die Arbeitsgruppe Finanzen sich mit dem Thema befassen. Allerdings warnte Schmid vor zu großen Erwartungen. Es sei noch nicht möglich, eine Prioritätenliste zu erstellen, da noch nicht alle Facharbeitsgruppen getagt hätten.

Bürgerbegehren sollen eingeführt werden

Noch einmal behandelt wird auch die Frage der Studiengebühren. Beide Seiten wollen sie abschaffen. Jedoch seien sowohl technische als auch finanzielle Fragen noch offen, sagte Kretschmann. Auf die Finanzexperten kommt einiges an Auseinandersetzungen zu. Im Vergleich mit der bisherigen äußerst harmonischen Atmosphäre werde es am Montag wohl ungemütlicher werden, erwartet der Finanzpolitiker Schmid. Uneins sind die Verhandlungspartner auch darin, ob die Grunderwerbsteuer, wie von den Grünen gewünscht, erhöht werden soll, um einige der Vorhaben zu finanzieren. Auch hier sollen die Finanzpolitiker Frieden stiften.

Schmid wie Kretschmann betonten, dass alle Vorschläge der Facharbeitsgruppen den Status von Empfehlungen haben. Alles stehe unter dem Gesamtvorbehalt der Verhandlungskommission. Keine Vorbehalte gibt es dagegen, dass 16-Jährige das Kommunalwahlrecht erhalten. Auch Bürger von nicht EU-Staaten sollen sich stärker beteiligen können. Kretschmann kündigte an, dass Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf Landkreisebene eingeführt werden sollen. In den Kommunen sollen die Hürden für Bürgerbeteiligungen gesenkt und die Themenspektren ausgeweitet werden. Grüne und SPD denken außerdem an neue Formen der Bürgerbeteiligung. Bürger sollen nicht länger in der "Bittstellerposition" verharren, sondern in Planungsverfahren besser eingebunden werden. Konsens ist die Stärkung des Datenschutzes. In einer eigenständigen Behörde sollen öffentlicher und privater Datenschutz gebündelt werden. Die als oberste Landesbehörde gedachte Einrichtung soll mehr Autonomie und auch Sanktionsmöglichkeiten erhalten. Kretschmann sagte, die vorhandenen Beamten würden in der geplanten Behörde eingesetzt. "Es geht nicht um Aufwuchs."

Allzu detailliert wird der Koalitionsvertrag wohl nicht werden. "Die Koalitionsvereinbarung wird die Richtungen angeben", sagte Kretschmann. Die wichtigste Richtung ist für den designierten Ministerpräsidenten die Entwicklung zu einer "Politik des Gehörtwerdens", wie er stets betont. Es gehe nicht darum, alle Fragen bis in die Spiegelstriche hinein abzuarbeiten.