Grüne und CDU haben auf dem Weg zur Koalition eine erste Etappe erreicht: Dabei können sie erstaunlich viele Konsenspunkte vorweisen. Doch es gibt auch Unvereinbares – zum Beispiel bei der Windkraft.

Stuttgart - Charme statt Schaum – so umschreibt Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand die Atmosphäre in den neun grün-schwarzen Verhandlungsgruppen, die nun der Koalitionsspitze ihre Ergebnisse vorlegen. Auch in der Sache gibt es viel Übereinstimmung – aber nicht nur. Die sogenannte Dissensliste hat es in sich. Hier einige Beispiele, wo man sich geeinigt hat, und wo nicht.

 

Bildung

In erstaunlich vielen Punkte hat die Gruppe um Thekla Walker und Georg Wacker zügig einvernehmliche Lösungen gefunden. So wird angestrebt, dass die Standorte der einst von der CDU eingeführten Bildungshäuser für Drei- bis Zehnjährige ausgebaut werden sollen. Die zusätzliche Stunde Deutsch und Mathematik für Grundschulkinder wird sich wohl auch im Koalitionsvertrag finden. Die Bildungspolitiker einer grün-schwarzen Koalition wollen den Ethikunterricht und auch den islamischen Religionsunterricht schrittweise ausbauen und den bekenntnisgebundenen Religionsunterricht beibehalten. Die Grundschulempfehlung soll aller Voraussicht nach an den weiterführenden Schulen vorgelegt werden. Wenn die Empfehlung der Grundschullehrer und die Schulwahl der Eltern auseinanderklaffen, sollen Eltern mit der weiterführenden Schule ein Gespräch führen. Die Fachpolitiker sind entschlossen, auch strittige Punkte in ihrer Arbeitsgruppe zu klären und nicht den übergeordneten Koalitionsgruppen zu überlassen. Bis zur letzten Minute wird über Gemeinschaftsschulen und Realschulen diskutiert. Doch die Zuversicht bleibt. Schon vor zwei Jahren hatte der CDU-Abgeordnete Volker Schebesta gemahnt, auch eine CDU-geführte Landesregierung sollte nach 2016 „nicht von den Gemeinschaftsschulen verlangen, dass sie ihr Konzept grundlegend ändern.“ Er hatte damals schon seiner Partei geraten, es den Gemeinschaftsschulen zu überlassen, „ob und wie sie die Stärkeren und die Schwächeren zusammenfassen“. Das könnte jetzt zum Königsweg der Koalition werden.

Umwelt/Energie

Die beiden Teams haben sich manch Neues ausgedacht – vorausgesetzt, dafür steht Geld bereit. So wollen sie erreichen, dass nicht nur Hausbesitzer, sondern auch Mieter von Fotovoltaik profitieren, sofern sie den erzeugten Sonnenstrom selbst verbrauchen. Deshalb schlagen sie Pilotprojekte für Investitionspools vor, an denen sich Mieter beteiligen können. Aber auch bei der Förderung der Solarthermie soll das Land stärker einsteigen – in Sachen Klimaschutz ziehen Grüne und CDU also an einem Strang. Wenn da nicht die Windkraftwerke wären. Dass die Rotoren nur 700 Meter Abstand von Häusern haben, will den Christdemokraten nicht einleuchten. Zumal auch für brütende Milane ein Abstand von 1000 Metern gilt. So wird das Thema also auf der Dissens-Liste landen, mit der sich von nun an die Koalitionsrunde befassen muss. Ob dies auch für das Erneuerbare-Wärme-Gesetz gilt, das Hausbesitzer zum Einsatz regenerativer Energie verpflichtet, war noch nicht absehbar.

Ländlicher Raum

Ausgerechnet bei dem für die Öffentlichkeit kaum bedeutsamen Feld der Jagd gehen die Positionen am weitesten auseinander. Die Grünen sehen nicht ein, warum sie das erst kürzlich in Richtung Ökologie reformierte Jagdgesetz wieder ändern sollen, doch die CDU hatte dagegen massiv Front gemacht und steht bei den Jägern im Wort. Also wahrscheinlich ein Fall für die Dissensliste. Und der Nationalpark Schwarzwald? Dem Vernehmen nach soll dessen Fläche – er zerfällt derzeit in zwei Teile – nicht mehr korrigiert werden. Die CDU hat offensichtlich ihren Frieden damit gemacht. An der Stellschraube Agrarförderung dreht man offenbar nur sachte – was rein rechtlich auch kaum anders möglich wäre, denn die Bauern verlassen sich auf frühere Zahlen.

Soziales/Gesundheit

Bei diesem Themenfeld sei man sich schnell einige gewesen, heißt es. Auch darüber, dass es noch mehr Betreuungsangebote für Kinder geben muss, konnten sich Grüne und CDU zügig verständigen. Ob es allerdings für diejenigen, die öffentliche Betreuung nicht in Anspruch nehmen, ein so genanntes Familiengeld geben wird – ein Wahlversprechend der CDU – , muss die hochmögende Koalitionsrunde entscheiden. Fortgesetzt werden Arbeitsmarktprogramme wie „Gute und sichere Arbeit“, die jungen Menschen ohne Arbeit und Langzeitarbeitslosen den Wechsel in die Arbeitswelt erleichtern sollen. Einen Kompromiss gibt es in der Drogenpolitik. Für Abhängige soll es niederschwellige Hilfsangebote geben. Cannabis wird nicht legalisiert – auch nicht in kleinen Mengen.

Integration/Bund/Europa

Bei den internationalen Angelegenheiten sind sich die Teams im wesentlichen einig. Vorgeschlagen wird unter anderem, im Raum Straßburg/Ortenau eine grenzüberschreitend gewählte Bürgervertretung mit Modellcharakter einzurichten. Auch ein Bekenntnis zur Entwicklungszusammenarbeit gibt die Arbeitsgruppe – an einer Hochschule soll sogar ein entsprechender Studiengang eingerichtet werden. Bei der EU-Gesetzgebung will der Südwesten auch weiterhin eine aktive Rolle spielen. Auf den feldern Innovation, Umwelt, Energie, Technik und Forschung soll das Land zur ersten Adresse innerhalb der EU werden. Europa- und Sprachkompetenz werde ein maßgebliches Kriterium bei der Besetzung von Führungspositionen oberster Landesbehörden, heißt es. Die Brüsseler Landesvertretung soll weiter ausgebaut werden.