Ein Teller Heimat: Einmal im Monat kochen Geflüchtete im Little Italy für jeden, der kommen mag.

S-Süd - Der Duft von Tomaten, Knoblauch und Kräutern liegt in der Luft. Schon an der Tür ist klar: Hier gibt’s was Leckeres. In der Küche des kleinen, feinen Restaurants Little Italy im Stuttgarter Süden wird auch schon seit Stunden geschnippelt, gewürzt, sautiert und drapiert. „Erst waren wir einkaufen, dann haben wir um drei Uhr angefangen“, sagen Memo und Mohammad Jamal. Sie kochen gemeinsam Rezepte aus ihren Heimatregionen. Was es gibt, steht auf eine Tafel: Şorba Liska, Linsensuppe, Imam Bayildi und Karui Yarik, gefüllte Auberginen, mal vegetarisch, mal mit Hackfleisch.

 

Der Freundeskreis Flüchtlinge hat das Projekt initiiert

Mit im Küchenboot ist Luise Wiegmann vom Generationenhaus Heslach. „Ich war vor vier Wochen erstmals hier, als Gast – habe mich entschieden, mitzukochen“, sagt sie, während sie mit den beiden anderen Salat zupft. Memo ist kurdischer Türke, seit 1979 in der Landeshauptstadt, „in zweiter Generation“. Jamal floh aus der nordsyrischen Grenzstadt Kobane, in der 2014 und 2015 Kämpfe gegen den islamischen Staat tobten. Vor eineinhalb Jahren kam er nach Stuttgart. Und nun kocht er im Little Italy für „Ein Teller Heimat“.

Dieses Projekt initiierten Ende vergangenen Jahres Julius Niehaus und Georg Ulrich, die sich im Freundeskreis Flüchtlinge Stuttgart-Süd engagieren und im Generationenhaus Heslach Deutsch unterrichteten. Und der Name „ein Teller Heimat“ ist Programm: Einmal im Monat kochen Geflüchtete Gerichte aus ihrer Heimat, die Syrerin Mojdeh servierte etwa süßen Reis mit Lammfleisch. Heute ist sie als Gast da. „Es ist bereits der sechste Abend, meist werden hier 30 bis 40 Leute bewirtet“, schildert Niehaus, der sich wie Ulrich tagsüber bei einem Automobilkonzern mit künstlicher Intelligenz in der Mobilität beschäftigt.

Geflüchtete sollen in Austausch mit Stuttgartern kommen

„Wir wollten eine Gelegenheit schaffen, dass sich Geflüchtete untereinander und mit Stuttgartern in lockerer Atmosphäre treffen und kennenlernen können, jenseits von Kursen und Hilfsprojekten“, so Ulrich. Niehaus ergänzt: „Das passiert sonst nie, die meisten der Geflüchteten bleiben unter sich – auch die Deutschen. Doch Essen müssen alle, das verbindet. So kann jeder seine Kultur einbringen und am Tisch versuchen wir Deutsch zu reden.“

Dort säße meist eine bunte Mischung aus Menschen und Nationen, so Niehaus und Ulrich zählt auf: „Deutsche, Syrer, Eriträer, Ghanaer, Iraker und andere.“ Diese gemeinsamen Essen, so beide überzeugt, trügen neben Kulturaustausch auch dazu bei, den einen oder anderen Vorbehalt abzubauen. „Integration geht durch den Magen.“ Bewusst habe man daher auf Eintritt verzichtet und auf Spenden gesetzt. Die Anschubfinanzierung über 1000 Euro kam von der Studienstiftung des deutschen Volkes.

Als Niehaus und Ulrich das Projekt planten, studierten sie noch. Mittlerweile finanziert es sich über die Spenden der Gäste. „Wir konnten die Förderung bis auf 100 Euro der Stiftung zurückzahlen“, freut sich Niehaus. „Und dass uns dann Claudia Reiss diese tolle Location bereitstellte, war ein Glücksfall.“ An der Ecke Pelargus-/Liststraße betreibt die quirlige Wirtin ihr italienisches Restaurant schon seit über vier Jahren. Auch dort ist buntes Miteinander Trumpf. So war es für sie selbstverständlich an Ruhetagen, also montags, ihre Räume zur Verfügung zu stellen. „Man liest immer über Flüchtlinge, aber im Alltag habe ich sie kaum gesehen, außer meinen Mitarbeiter. Ich wollte was tun, Menschen zusammenbringen. Das ist die ideale Möglichkeit – zumal ich hier sowieso schon alles habe, Töpfe, Gläser, Besteck, Tische . . .“

In Stuttgart die Leidenschaft fürs Kochen entdeckt

Es ist schon nach 18 Uhr, Startzeit, langsam trudeln die Gäste ein: Nachbarn, Freunde, andere Geflüchtete. Salat, Şorba Liska, Imam Bayildi und Karui Yarik sind fertig. Memo, Mohammad Jamal und Luise, noch in Schürze, freuen sich aufs Servieren. „Es ist wichtig, dass sich hier unterschiedliche Menschen treffen“, so Memo. Jamal nickt. In Syrien habe er kaum gekocht, aber in der Flüchtlingsunterkunft. „Und nun bei ein ‚Teller Heimat’, es macht viel Spaß. Ich werde wieder dabei sein.“