Die Kölner Band Erdmöbel nimmt in ihrem neuen Album von Weihnachtsbaumseligkeit hörbar Abstand. „Man kriegt ja einen Weinkrampf, wenn man sieht, wie locker die Engländer mit Weihnachtspop umgehen“, sagte die Band der StZ.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Die Weihnachtspop-Saison ist eröffnet, und der wichtigste deutsche Beitrag dazu sagt viel über unser Verhältnis zum Fest der Feste aus. Im englischsprachigen Raum spielt der vom Punker zum Spendensammler avancierte Bob Geldof 30 Jahre nach dem Original ein neues „Do They Know It’s Christmas“ mit den Stars von heute ein.

 

Hierzulande spielt die Kölner Band Erdmöbel zum Tourauftakt am Samstag ihre Weihnachtspopsongs zuallererst in Schorndorf; tags zuvor kommt ihr Album „Geschenk“ raus, und zwar in vier verschiedenen Pappschubern in Geschenkoptik. „Man könnte sogar viermal zugreifen, ohne sich unter dem Baum zu wiederholen“, heißt es im Pressetext. Für das Plattencover hat sich das Quartett als Maria und Josef, Knecht Ruprecht und Nikolaus verkleidet ins Schaufenster einer Bahnhofpassage gestellt.

Seit 2007 jährlich eine Weihnachtssingle

Alles Ironie? „Man kriegt ja einen Weinkrampf, wenn man sieht, wie locker die Engländer mit Weihnachtspop umgehen“, sagt der Sänger Markus Berges am Telefon. Seine Band praktiziert schon seit Jahren Entspannungsübungen: Seit 2007 veröffentlichen Erdmöbel Jahr für Jahr eine Weihnachtssingle, den Anfang machte eine deutschsprachige Version von Whams „Last Christmas“. Zu der es auch ein gänzlich schneefreies Video gibt, das den deutschen Winter auf eine herrlich verschrobene Art feiert.

Erdmöbel - Weihnachten from Viktor Schaider on Vimeo.

Sieben bereits veröffentlichte Weihnachtssongs, zwei alte und drei neu aufgenommene Stücke finden sich auf „Geschenk“. Dass das Album dennoch nicht zusammengestückelt klingt, spricht für die Stilsicherheit der Band. Das Weihnachtsalbum bietet transparent produzierten, zeitgenössischen Deutschpop: nicht gar zu aufdringlicher Sound und schön melodiös, ohne ins Kitschige abzugleiten. Im Gegenteil: von schmieriger Weihnachtsbaumseligkeit nehmen Erdmöbel im Vortrag ihrer Musik gut hörbar Abstand.

„Man macht doch am besten eine Party daraus“

Auch auf pubertäre Gesten wie einst Die Toten Hosen alias Die Roten Rosen kann die Band verzichten; hier werden keine weihnachtlichen Weisen durch den Deutschrock-Fleischwolf gedreht. Stattdessen hört man Randbemerkungen zum Fest: da hat einer Lametta im Haar, man besingt den „letzten deutschen Schnee“ und zu Neujahr fällt Sänger Markus Berges folgender Reim ein: „Erster Erster / Ich bin vor mir da / Frohes neues Jahr“.

In der Summe beschreibt dieses Album ziemlich gut, was Weihnachten und die Tage danach ausmacht. Oder, in den Worten von Bassist Ekki Maas: „Man ist an Weihnachten von lauter Sachen umgeben, die man nicht ändern kann. Aber gleichzeitig ist das auch eine interessante, widersprüchliche Zeit. Aus der man natürlich nicht raus kann.“ Die richtige Konsequenz: „Man macht doch am besten eine Party daraus. Diese Songs sind unsere Art, das zu tun.“ Maas verweist auf die Glocken, die Erdmöbel als Weihnachtspop-Zitat in allen Songs untergebracht haben. Beim Tourauftakt in Schorndorf (noch vor dem ersten Advent!) verspricht die Band „eine richtige Weihnachtsfeier, sehr feierlich und ziemlich lustig.“ Details zur Bühnendeko werden vorweg nicht verraten.

Erdmöbel-Album „Geschenk“ erscheint am Freitag

Was Erdmöbel zur Weihnachtspop-Saison beizutragen haben, ist jedenfalls sympathischer als das, was sonst so für unter den Baum produziert wurde. Earth, Wind and Fire fassen auf ihrem Album „Holiday“ zwölf englischsprachige Weihnachtssongs und ihren Song „September“ (hier umbenannt in „December“) zusammen; es gibt einen Film (samt Soundtrack) zu einem verkorksten Weihnachtsfest der grimmig dreinguckenden „Grumpy Cat“. Und Leann Rymes („Can’t find the Moonlight“) geht mit „One Christmas“ auf den Markt – Untertitel: „Chapter One“.

Fortsetzung folgt, und das ist fast nirgendwo sicherer als beim Weihnachtsfest und der dafür produzierten Popmusik.

Das Erdmöbel-Album „Geschenk“ erscheint am Freitag auf dem bandeigenen Label Jippie!, am Samstag startet die Band ihre dazugehörige Tour in der Manufaktur in Schorndorf.

Erdmöbel-Album "Geschenk" in vier verschiedenen Verpackungen