Ein Buch zeigt die Erfolgsgeschichte der Lehre Rudolf Steiners in Köngen und Wendlingen auf.

Köngen/Wendlingen - In der von Rudolf Steiner begründeten Anthroposophie hat die Ganzheitlichkeit einen zentralen Stellenwert. Wie deren Umsetzung ganz konkret vor Ort aussehen kann und welche Vielseitigkeit daraus resultiert, das zeigt das neue Buch von Olaf Daecke. Es handelt von den Wurzeln, der Entstehungsgeschichte, den maßgeblichen Repräsentanten und den bis heute spürbaren Folgen des anthroposophisch-philosophischen Einflusses im engeren Bereich der Nachbarkommunen Köngen und Wendlingen – aber auch weit darüber hinaus.

 

In gut siebenjähriger Arbeit hat der Wolfschlugener Autor den Stoff für ein gewichtiges Werk von knapp über 400 Seiten zusammengetragen und seine Porträtsammlung unter der Überschrift „Kultur-Kunst-Wirtschaft“ subsumiert. Die Wirtschaft hätte bei dem Titel-Dreiklang freilich auch an erster Stelle rangieren können, denn es war die Gründung der Wendlinger Möbelfabrik Behr im Jahre 1912, die sowohl die ökonomische und produktinnovative Basis, als auch die maßgeblichen Repräsentanten, Umsetzer und Förderer des anthroposophischen Gedankens stellte.

Der Autor ist selbst Zeitzeuge

Und so nehmen der promovierte Ingenieur Emil Kühn, der zum Planungsstab des Firmengründers zählte, sowie seine spätere Ehefrau, die Behr-Tochter Martha, in der literarischen Würdigung eine herausragende Position ein. Das Paar hatte bereits in den 1920er-Jahren erste Begegnungen mit Rudolf Steiner. Martha Kühn-Behr engagierte sich daraufhin in der Kinderförderung und war Mitglied in einer Theatertruppe des gebürtigen Esslingers Gottfried Haaß-Berkow.

War der heute 76-jährige Olaf Daecke bei seinen Recherchen bemüht, möglichst viele Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen, so kann der Autor selbst als solcher gelten. 1955 hat er bei Behr eine Schreinerlehre begonnen und erlebte sozusagen hautnah die von Kühn und seinen Mitarbeitern angestoßenen Neuerungen auf dem Ausbildungssektor. Dazu zählten die Vermittlung kultureller und generell bildungsmäßiger Inhalte, aber auch Lernziele, die als „Wendlinger Modell“ zukunftsweisend waren: Durch methodisches Lernen sollten die Absolventen soweit qualifiziert werden, dass sie später auch in anderen Berufsfeldern mit Erfolg Fuß fassen können. Olaf Daecke etwa studierte nach der Lehre Innenarchitektur und war Handwerkslehrer an der Nürtinger Waldorfschule.

Die Kühns waren es auch, die der Eurythmieausbildung, also dem Bewegungstanz, in Köngen zu einer Heimat verhalfen, ebenso der Schauspielkunst. Hatte das NS-Regime die anthroposophischen Aktivitäten noch mit Argusaugen verfolgt und mit Verboten belegt, so folgte nach dem Krieg unter der Ägide der Eurythmielehrerin Else Klink und des Schauspielers und Regisseurs Otto Wiemer ein wahrer Aufbruch in dem damaligen kleinen Landflecken.

Viele Spuren hinerlassen

Die Anthroposophie hat in Köngen und Wendlingen viele Spuren hinterlassen – mental und materiell. So ist 1983 der Kultur-Förderungs-Verein auf anthroposophischer Grundlage gegründet worden, dessen Vorsitzender Rüdiger Fischer-Dorp, Dozent am Eurythmiestudio, vor drei Jahren mit dem Daniel-Pfisterer-Preis des Köngener Geschichts- und Kulturvereins ausgezeichnet worden ist.