Immerhin, seine Tochter Prinzessin Pauline zu Wied, kümmert sich liebevoll um das edle Erbe, kauft 1930 sogar noch einmal einen Hengst namens Jasir direkt aus Ägypten. Doch 1932 muss sie unter der Kostenlast kapitulieren, übergibt Jasir, dazu neun Stuten sowie drei Hengst- und vier Stutfohlen dem Haupt- und Landgestüt in Marbach, also dem Staat. Wilhelm I., so heißt es, habe in seinem Testament verfügt, dass die Araberzucht niemals aufgegeben werden darf. Schriftliche Belege sucht man vergebens, allein der Mythos vom letzten Willen hat sich bis heute erhalten und wird befolgt.

 

1948/49, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, wird das Schicksal der Silbernen Herde um Haaresbreite besiegelt. Aus Geldnot muss man Jasir verkaufen, den einzigen schneeweißen Hengst. Die Notjahre auf der rauen Alb führen zu Seuchen, viele Pferde aus dem staatlichen Besitz gehen ein. Als Georg Wenzler 1949 die Leitung des Gestüts übernimmt, hat er in seinem Araberstall nur noch drei alte Stuten.

Doch der geschichtsbewusste Wenzler, ein Pferdemann durch und durch, weiß sich zu helfen, pachtet von einer Gertrude Grisbach aus Bayern den Hengst Halef und rettet so das Vermächtnis Wilhelms I. vor dem Untergang. Mitte der fünfziger Jahre erhält er von seinem Ministerium in Stuttgart sogar die Erlaubnis, im ägyptischen Gestüt El Zahraa den kapitalen Hengst Hadban Enzahi zu erwerben. Dessen Transport läuft bei 35 Grad Hitze von Kairo nach Alexandria, von dort mit dem Schiff nach Venedig, dann mit dem Zug über die Alpen bis nach Marbach, wo bei seiner Ankunft im Dezember 18 Grad minus herrschen.

Hadban Enzahi, der Hauptbeschäler

Doch Hadban Enzahi macht das überhaupt nichts aus, er wird von 1956 bis 1974 „Hauptbeschäler“, also der prägende Hengst für die Araberzucht weit über Marbach hinaus. In seinen Annalen finden sich 125 Nachkommen. Die Silberne Herde kommt buchstäblich wieder auf die Beine, steht im doppelten Sinne wieder auf festem Boden. Die beiden Landoberstallmeister Wolfgang Cranz (1974–1994) und Helmut Gebhardt (1994–2007) pflegen das königliche Erbe mit viel Engagement und Geschick.

Und heute? Wenn Shafila und Sarafine, Nuala, Nasheetah und wie sie alle heißen mit ihren Fohlen bei Fuß in die Arena galoppieren, ob unter den gleißenden Scheinwerfern beim Reitturnier in der Schleyerhalle, auf dem großen Paradeplatz von Marbach oder einfach nur auf den weitläufigen Weiden des Gestüts – wem da nicht das Herz aufgeht, der hat wirklich keines!

Astrid von Velsen-Zerweck, seit 2007 als „Landoberstallmeisterin“ an der Spitze des ältesten deutschen Staatsgestüts, sagt: „König Wilhelm hat damals eine Araberstute angeschafft – Murana. Heute geht unsere 30-köpfige Stutenherde auf drei Stämme zurück, einer davon direkt auf Murana!“ Anders gesagt: Es grenzt an ein Wunder, dass sich eine kleine Herde von Pferden über mehr als 200 Jahre quasi lückenlos entwickelt und erhält, sich aufgrund ihrer Stammbäume und anderer Dokumente zurückverfolgen lässt. Das macht die zumeist weißen Pferde so besonders.

Bairactar, das Licht aus dem Osten

Wenn es um die Pferdezucht in alter Zeit geht, herrscht an Kuriositäten kein Mangel. Erstes Beispiel: 1810 erwirbt Wilhelm I. einen arabischen Hengst namens Emir. Könige reiten Schimmel, damit die Leute sie, egal ob bei der Parade oder auf dem Schlachtfeld, von Weitem erkennen. Napoleon, der Kaiser der Franzosen, lässt grüßen: Den kleinen Korsen mit dem großen Machthunger kennt man nur im Sattel seines Marengo – natürlich ein Araberhengst!

Was der Franzose kann, schafft der König der Württemberger allemal. Er kauft in Ungarn zwei Araberhengste: den goldbraunen Tajar und den Silberschimmel Bairactar. Letzterer trägt zeitlebens den Beinamen „Licht aus dem Osten“ und beeinflusst die europäische Araberzucht ein Jahrhundert lang. 1838 malt Albert Adam seinen König auf ebendiesem Bairactar. Das Gemälde, das heute der Stuttgarter Staatsgalerie gehört, ist nach wie vor das meistgedruckte Motiv mit dem König. Bairactars schaurig-schönes Skelett hat man präpariert. Im Gestütsmuseum von Offenhausen bei Gomadingen ist es zu besichtigen.

Von 1817 bis 1861 lässt Wilhelm I. für sein Arabergestüt in Weil 38 Hengste und 36 Stuten ankaufen. Seine Gewährsleute reisen für ihn bis tief in den Orient. Die harten und ausdauernden arabischen Pferde gelangen auf wochenlangen Ritten, per Schiff und weite Strecken an der Hand geführt, in ihre neue Heimat. Von Verlusten unterwegs ist in den historischen Unterlagen nirgendwo die Rede.

Könige kaufen Araber von der Alb

1846 charakterisiert der Zeitgenosse August Jäger das erstaunliche Niveau der Araberställe im Schlösschen von Scharnhausen: „Die Stuten werden nicht angebunden, sie gehen frei in ihren reinlichen und bequemen Behältnissen umher und stecken ihre Köpfe am Tage gewöhnlich über die Verschläge, wo sie voll Neugierde und Scheu nach Allem umherschauen. Dieser Stall, wie mehrere andere, kann erwärmt werden. Thermometer zeigen den Stand der Wärme an; sobald er zu niedrig, kann er erhöhet werden, oder vermindert, wenn er zu hoch ist.“

Wie man das seinerzeit so exakt bewerkstelligt, ist leider nicht überliefert. Seinen König freilich lobt August Jäger in den höchsten Tönen: „Wo sich ihm irgend Gelegenheit bietet, die besten und edelsten Pferde sich verschaffen zu können, da spart er weder Mühe noch Kosten.“ Der Chronist berichtet sogar, dass Wilhelm I. persönlich darüber entscheidet, welcher Hengst und welche Stute gepaart werden. Der Erfolg ist spektakulär: Reiche Kundschaft, darunter Adelige und Abgesandte anderer Königshäuser aus ganz Europa, reist zum Marstall nach Stuttgart und auf die Schwäbische Alb, um Araber zu erwerben.

Als Wilhelm 1864 gestorben ist, erweist sich sein Nachfolger König Karl I. als Dilettant in der Pferdezucht. Der setzt auf schwere Rösser für das Militär, auf englische Vollblüter für die Rennen, doch die berühmten Araber darben, spielen kaum noch eine Rolle. Auch Wilhelm II., Württembergs letzter König, der 1891 den Thron besteigt, hegt wenig Interesse an der Pferdezucht, schon gar nicht an den Arabern.

Nach dem Krieg stehen nur och drei alte Stuten im Stall

Immerhin, seine Tochter Prinzessin Pauline zu Wied, kümmert sich liebevoll um das edle Erbe, kauft 1930 sogar noch einmal einen Hengst namens Jasir direkt aus Ägypten. Doch 1932 muss sie unter der Kostenlast kapitulieren, übergibt Jasir, dazu neun Stuten sowie drei Hengst- und vier Stutfohlen dem Haupt- und Landgestüt in Marbach, also dem Staat. Wilhelm I., so heißt es, habe in seinem Testament verfügt, dass die Araberzucht niemals aufgegeben werden darf. Schriftliche Belege sucht man vergebens, allein der Mythos vom letzten Willen hat sich bis heute erhalten und wird befolgt.

1948/49, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, wird das Schicksal der Silbernen Herde um Haaresbreite besiegelt. Aus Geldnot muss man Jasir verkaufen, den einzigen schneeweißen Hengst. Die Notjahre auf der rauen Alb führen zu Seuchen, viele Pferde aus dem staatlichen Besitz gehen ein. Als Georg Wenzler 1949 die Leitung des Gestüts übernimmt, hat er in seinem Araberstall nur noch drei alte Stuten.

Doch der geschichtsbewusste Wenzler, ein Pferdemann durch und durch, weiß sich zu helfen, pachtet von einer Gertrude Grisbach aus Bayern den Hengst Halef und rettet so das Vermächtnis Wilhelms I. vor dem Untergang. Mitte der fünfziger Jahre erhält er von seinem Ministerium in Stuttgart sogar die Erlaubnis, im ägyptischen Gestüt El Zahraa den kapitalen Hengst Hadban Enzahi zu erwerben. Dessen Transport läuft bei 35 Grad Hitze von Kairo nach Alexandria, von dort mit dem Schiff nach Venedig, dann mit dem Zug über die Alpen bis nach Marbach, wo bei seiner Ankunft im Dezember 18 Grad minus herrschen.

Hadban Enzahi, der Hauptbeschäler

Doch Hadban Enzahi macht das überhaupt nichts aus, er wird von 1956 bis 1974 „Hauptbeschäler“, also der prägende Hengst für die Araberzucht weit über Marbach hinaus. In seinen Annalen finden sich 125 Nachkommen. Die Silberne Herde kommt buchstäblich wieder auf die Beine, steht im doppelten Sinne wieder auf festem Boden. Die beiden Landoberstallmeister Wolfgang Cranz (1974–1994) und Helmut Gebhardt (1994–2007) pflegen das königliche Erbe mit viel Engagement und Geschick.

Und heute? Wenn Shafila und Sarafine, Nuala, Nasheetah und wie sie alle heißen mit ihren Fohlen bei Fuß in die Arena galoppieren, ob unter den gleißenden Scheinwerfern beim Reitturnier in der Schleyerhalle, auf dem großen Paradeplatz von Marbach oder einfach nur auf den weitläufigen Weiden des Gestüts – wem da nicht das Herz aufgeht, der hat wirklich keines!

Astrid von Velsen-Zerweck sagt: „Nach 200 Jahren mit so viel Auf und Ab bedeuten die herrlichen Araber für uns zweierlei: Sie stellen ein Kulturgut dar, das es zu erhalten gilt, nicht nur, weil Wilhelm I. das so wollte. Zum anderen können wir auf unsere Vollblutaraber – in diesem Frühjahr sind uns neun Stut- und ein Hengstfohlen geboren – bei der Veredelung der Warmblutzucht nach wie vor nicht verzichten.“

Dass „Frau Landober“, wie die Züchter sie respektvoll nennen, damit recht hat, kann selbst der hippologische Laie leicht nachprüfen: In den Stammbäumen berühmter Pferde, die bei Olympischen Spielen oder anderswo glänzen, finden sich die Araber, die man, fachlich korrekt und unverwechselbar, mit einem kleinen „ox“ hinter dem Namen kennzeichnet. Einst holte man sie, aus traurig-aktuellem Anlass sei’s betont, auch aus dem syrischen Aleppo nach Württemberg. Ob es wohl heute in Aleppo noch edle Pferde gibt?